Mit dem Aufenthaltsrecht eines ausländischen geschiedenen Ehegatten einer Unionsbürgerin und eines Kindes, das ebenfalls Unionsbürger ist, aber nicht im Bundesgebiet lebt, hatte sich aktuell das Verwaltungsgericht Hamburg zu befassen:

Ein Aufenthaltsrecht des geschiedenen Ehegatte einer Unionsbürgerin ergibt sich nicht aus §§ 5 Abs. 2, 3 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5, 2 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU. Voraussetzung für eine Aufenthaltserlaubnis/EU ist danach, dass der Ausländer (noch) Familienangehöriger – wozu gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU auch der Ehegatte zählt – eines Unionsbürgers ist. Dies ist bei einem geschiedenen Ehegatten nicht mehr der Fall.
Dass im vorliegenden Fall der Kläger länger als drei Jahre mit einer britischen Staatsangehörigen verheiratet war, ändert an diesem gegenwärtigen Umstand nichts, selbst unter Berücksichtigung von Art. 13 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2004/38/EG vom 29.04.2004. Nach dieser Vorschrift führt die Scheidung der Ehe unter bestimmten Voraussetzungen nicht zum Verlust des Aufenthaltsrechts, so etwa wenn die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat. Ebenso wie § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG im deutschen Recht1, betrifft Art. 13 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie nur die Fälle, in denen es um den Fortbestand bzw. die Verlängerung eines bereits und noch bestehenden Aufenthaltsrechts des Ehegatten und nicht um eine (Neu-)Erteilung eines zuvor entfallenen Aufenthaltsrechts geht. Das folgt nicht nur aus dem Zweck der Begünstigung von Familienangehörigen, ein von den Freizügigkeitsberechtigten abgeleitetes Aufenthaltsrecht zu gewähren2, sondern auch aus dem Wortlaut der Richtlinie, wonach die Scheidung nicht zum „Verlust des Aufenthaltsrechts“ führt und der zudem in der Überschrift von Art. 13 der Richtlinie auf die „Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts“ bei Scheidung abstellt.
Der Kläger war indes seines Aufenthaltsrechts wegen des Ablaufs der Geltungsdauer seiner Aufenthaltserlaubnis/EU am 15.11.2003 verlustig geworden, die durch die nachträgliche Befristung der Aufenthaltserlaubnis vom 05.11.2003 bestandskräftig festgesetzt worden war. Eine dem Art. 13 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG entsprechende Regelung enthielt das zur Zeit der nachträglichen Befristung geltende Recht3 nicht. Der vorliegende Fall, dass sich der ehemalige Ehegatte eines Unionsbürgers nach Ablauf der – unangegriffenen – Geltungsdauer seiner Aufenthaltserlaubnis ein Jahr und neun Monate lang illegal im Mitgliedstaat aufhält, bevor er die (Neu-)Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt, unterfällt danach nicht dem Regelungsbereich des Art. 13 der Richtlinie 2004/38/EG.
Ein Aufenthaltsrecht des Klägers, der Vater einer zehnjährigen britischen Staatsangehörigen ist, die bei ihrer Mutter in London wohnt, folgt nicht aus §§ 5 Abs. 2, 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU. Der Kläger hat nach eigenem Vorbringen keine Verbindung zu seiner geschiedenen Ehefrau und seiner Tochter und kann diese auch nicht herstellen. Ein von seiner Tochter abgeleitetes Bleiberecht ergibt sich daher nicht daraus, dass er mit ihr familiäre Kontakte pflegt. Derartige Kontakte sind schon aus tatsächlichen Gründen unmöglich4.
Ein Aufenthaltsrecht des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 104a Abs. 1 AufenthG5. Zum Zeitpunkt des nach der Vorschrift maßgeblichen Stichtages am 1.07.2007 war er nicht seit mindestens acht Jahren ununterbrochen geduldet. Von Januar 2004 bis September 2005 hielt er sich illegal in Deutschland auf. Insofern kommt es nicht auf die Frage an, ob die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Hinblick auf die in § 104a Abs. 5 AufenthG geregelte Befristung der Altfallregelung bis zum 31.12 2009 nach Ablauf dieses Datums noch zulässig ist6.
Darüber hinaus besteht nach wie vor ein Aufenthaltsrecht des Klägers nicht nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Danach kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.
Eine rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise, die dann vorliegt, wenn dem Ausländer Rechtspositionen zustehen, die seiner Ausreise entgegenstehen, ist nicht ersichtlich. Es besteht keine rechtliche, insbesondere gerichtliche Verpflichtung für den Kläger, sein Sorge- und Umgangsrecht ausschließlich in Deutschland auszuüben. Eine solche Verpflichtung ergibt sich vorliegend insbesondere nicht aus den familienrechtlichen Entscheidungen, aus denen lediglich hervor, dass der Kläger das Sorge- und Umgangsrecht mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts für seine Tochter innehat. In dem letztgenannten Beschluss hat das Familiengericht zwar angenommen, dass die Kindesmutter ihr Angebot wahr macht, alle zwei Monate für ein Wochenende von Freitagnachmittag bis Sonntagabend nach Hamburg-Bergedorf zu kommen und dem Kläger während dieser Zeit Gelegenheit gibt, ausgiebig mit der Tochter zusammen zu sein. Der Kläger könne in den dazwischen liegenden Monaten seinerseits für ein Wochenende nach London kommen und dort mit der Tochter zusammen sein. Entschieden hat das Familiengericht in diesem Beschluss aber lediglich, dass der damals gestellte Antrag des Klägers auf Rückübertragung des gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts abgelehnt wird. Dem Kläger bleibt es danach sorge- und umgangsrechtlich unbenommen, den Kontakt zu seiner Tochter außerhalb Deutschlands wahrzunehmen. Der Kläger hat im Übrigen selbst nicht vorgetragen, dass die Wahrnehmung seines Sorge- und Umgangsrechts rechtlich zwingend nur in Deutschland erfolgen kann.
Verwaltungsgericht Hamburg – Urteil vom 22. November 2012 – 4 K 1514/12
- vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 16.05.2006 – 5 ME 112/06; offen gelassen von HmbOVG, Beschluss vom 06.01.2005 – 1 Bs 513/04[↩]
- BT-Drs. 15/420 zu § 3[↩]
- Aufenthaltsgesetz/EWG nebst Richtlinie 68/360/EWG vom 19.10.1968[↩]
- vgl. VG Hamburg, Urteil vom 21.01.2011 in dem Verfahren des Klägers 4 K 359/09; OVG Hamburg, Beschluss vom 18.08.2010, 1 So 76/10[↩]
- vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 18.08.2010, 1 So 76/10[↩]
- vgl. hierzu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.03.2010, 2 So 30/10[↩]