Auch ein nach einem Brand teilweise rekonstruiertes Gebäude kann weiterhin ein Baudenkmal gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG darstellen; das gilt auch, wenn die Rekonstruktion als solche offensichtlich ist.

Dies gilt für das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht insbesondere dann, wenn sowohl seine geschichtliche als auch seine städtebauliche Bedeutung für seinen Erhalt sprechen.
Gemäß § 3 Abs. 1 NDSchG sind Kulturdenkmale im Sinne des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes Baudenkmale, Bodendenkmale, bewegliche Denkmale und Denkmale der Erdgeschichte. Baudenkmale sind gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG bauliche Anlagen (§ 2 Abs. 1 NBauO), Teile baulicher Anlagen, Grünanlagen und Friedhofsanlagen, an deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen oder städtebaulichen Bedeutung ein öffentliches Interesse besteht; diese Vorschrift beschreibt das Einzeldenkmal.
Geschichtliche Bedeutung hat ein Bauwerk, wenn es in irgendeiner Weise historische Ereignisse und Entwicklungen heute und für künftige Generationen anschaulich macht, dem Bauwerk also ein Aussagewert zukommt. Die geschichtliche Bedeutung eines Bauwerkes kann insofern darin liegen, dass ihm als Wirkungsstätte namhafter Personen oder Schauplatz historischer Ereignisse ein Erinnerungswert zukommt oder aber es sich im Bewusstsein der Bevölkerung mit bestimmten politischen, kulturellen oder sozialen Verhältnissen seiner Zeit verbindet und damit einen Assoziationswert hat 1.
Hier stellt die Hofanlage K.-straße 1 ein anschauliches Beispiel für einen Gulfhof eines wohlhabenden Landwirts auf einer Rundwarft dar, der das bäuerliche Leben dort vor rund 150 Jahren erlebbar macht. Das Gulfhaus selbst ist – der typischen Bauart entsprechend – mit seinem Wohnteil zur Mitte der Dorfwarft und mit seinem Wirtschaftsteil zur freien Marschlandschaft hin ausgerichtet. Während also der Wohnteil im höhergelegenen Teil der Warft angeordnet ist, grenzt der Wirtschaftsteil an die landwirtschaftlich genutzten Flächen der Marschen. Die traditionelle Lebens- und Wirtschaftsweise kommt darin zum Ausdruck; diese Struktur besteht zudem fort, obwohl das Gulfhaus selbst aufgrund des Brandes nur noch teilweise in seiner historischen Gestalt erhalten ist. Zum einen besteht mit dem Wohnteil ein wesentlicher überkommener Gebäudeteil fort, der trotz einiger nachteiliger Veränderungen – etwa Kunststofffenstern mit Scheinsprossen im 1. Stock in der Nordfassade – weiterhin im Wesentlichen das Erscheinungsbild des Jahres 1851 vermittelt. Zum anderen ist aufgrund der äußeren Rekonstruktion des Wirtschaftsteils nach dem Brand der Gesamteindruck des Gulfhauses erhalten geblieben. Anhand der Kubatur des Gebäudes, der Anordnung der Türen und Fenster sowie der Dachgestaltung ist trotz der insbesondere nach Süden hin modernen Ausführung der Türen und Fenster gut erkennbar, in welcher Weise der Hof vormals bewirtschaftet wurde.
Neben seiner geschichtlichen Bedeutung als Beispiel für das bäuerliche Leben auf einem Gulfhof kommt dem Bauwerk eine städtebauliche Bedeutung zu. Das ist der Fall, wenn ein Bauwerk an seinem Standort das Stadt, Orts- oder Landschaftsbild in einer charakteristischen Weise prägt. Dabei muss die Prägung gerade aus seiner geschichtlichen oder künstlerischen Bedeutung, also seinem Alters, Erinnerungs- und Gestaltungswert herrühren, auch wenn diese für sich genommen die Denkmalfähigkeit nicht begründen kann. Dass ein Gebäude aus anderen Gründen das Stadtbild prägt, ist nicht ausreichend 2.
Vor diesem Hintergrund liegt die städtebauliche Bedeutung der Hofanlage darin, dass es gemeinsam mit den drei weiteren, nach Süden orientierten Hofanlagen den Charakter des Ortsteils G. nachhaltig prägt. Diese Wirkung ist den Lichtbildern mit dem Blick auf den Ortsteil deutlich zu entnehmen; sie bestätigt sich aber auch im Nahbereich sowie im Ort selbst. Gemeinsam mit den weiteren Gulfhäusern vermittelt das Gulfhaus K.-straße 1 den Eindruck von G. als altes Bauerndorf der Marschen. Es handelt sich mithin um eine landschafts- bzw. ortsbildprägende Wirkung; in der Hofanlage kommt zugleich die historische Siedlungsstruktur deutlich zum Ausdruck.
Der Erhalt des Gulfhauses liegt schließlich im öffentlichen Interesse, sodass Denkmalwürdigkeit besteht. Dabei ist von der Wertung des Gesetzgebers auszugehen, dass nicht jedes denkmalfähige Bauwerk zugleich denkmalwürdig ist. Es bedarf mithin einer Bewertung des Gewichts der für die Bejahung der Denkmalfähigkeit maßgeblichen Gründe, nicht aber einer Abwägung mit gegenläufigen Interessen Dritter; diese Abwägung findet vielmehr auf der Ebene der §§ 7, 10 NDSchG statt 3. Von Bedeutung sind im Hinblick auf die geschichtliche Bedeutung Alter und Seltenheit des Bauwerks, seine Originalität, sein Erhaltungszustand, im Hinblick auf die städtebauliche Bedeutung vor allem Art und Ausmaß der prägenden Wirkung.
Nach diesen Maßgaben ist das Gulfhaus denkmalwürdig. Der Wohnteil ist in einem guten und zudem originalen Erhaltungszustand, was ihn von den weiteren Gulfhäusern abhebt. Hinzu kommt, dass die Struktur eines Gulfhofes angesichts der ebenfalls noch vorhandenen Hoffläche und des in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichteten Altenteilers noch gut ablesbar ist. Beides unterstreicht die geschichtliche Bedeutung. Hinzu tritt die städtebauliche Wirkung am Südrand der Rundwarft, die das Erscheinungsbild von G. weithin prägt.
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 15. Juli 2014 – 1 LB 133/13
- vgl. Schmaltz/Wiechert, NDSchG, 2. Aufl.2012, § 3 Rn. 21; ähnlich Kleine-Tebbe/Martin, Denkmalrecht Niedersachsen, 2013, § 3 Nr. 4.03.1[↩]
- vgl. auch Schmaltz/Wiechert, NDSchG, 2. Aufl.2012, § 3 Rn. 29 ff.; Kleine-Tebbe/Martin, Denkmalrecht Niedersachsen, 2013, § 3 Nr. 4.05.1[↩]
- vgl. Kleine-Tebbe/Martin, Denkmalrecht Niedersachsen, 2013, § 3 Nr. 5.02.01.2; anders aber Schmaltz/Wiechert, NDSchG, 2. Aufl.2012, § 3 Rn. 37[↩]