Lässt die für ein ehemaliges Bürogebäude erteilte Baugenehmigung für die Nutzungsänderung in ein Bordell die gebotene Rücksichtnahme auf die in der unmittelbaren Nähe vorhandene Wohnbebauung vermissen, ist die Baugenehmigung aufzuheben.

Mit dieser Begründung hat das Verwaltungsgericht Münster in den hier vorliegenden Fällen den Nachbarklagen gegen die Bordellgenehmigung stattgegeben. Die Nachbarn eines ehemaligen Bürogebäudes in Dülmen hatten gegen die Genehmigung zur Nutzungsänderung geklagt. Zur Begründung hatten die Kläger unter anderem geltend gemacht: Der genehmigte Bordellbetrieb sei in dem durch Wohnhäuser und nicht störende Gewerbebetriebe geprägten Gebiet unzulässig, weil mit milieutypischen Begleiterscheinungen wie Belästigungen durch alkoholisierte oder unzufriedene Kunden, organisierter Kriminalität und Straftaten zu rechnen sei. Auch verletze das genehmigte Vorhaben unmittelbar neben den Wohnhäusern das baurechtliche Rücksichtnahmegebot.
In seiner Urteilsbegründung hat das Verwaltungsgericht Münster ausgeführt, dass die erteilte Baugenehmigung gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts verstoße. Nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung sowie der Auswertung des Kartenmaterials handele es sich bei dem betreffenden Gebiet nicht um ein Gewerbe- oder Mischgebiet, sondern um eine Gemengelage, die nach der bauplanungsrechtlichen Vorschrift für nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegende Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles zu beurteilen sei. Hiervon ausgehend lasse die von der Baugenehmigung umfasste Nutzungsänderung die gebotene Rücksichtnahme auf die in der unmittelbaren Nähe vorhandene Wohnbebauung vermissen, weil sie sich im Hinblick auf die sich aus dem Milieu ergebenden Begleiterscheinungen eines Bordells als unzumutbar erweise. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach für Bordellbetriebe wegen ihrer regelmäßigen Begleiterscheinungen eher Standorte geeignet seien, die nicht in der Nachbarschaft von Wohnungen lägen, gehe das Verwaltungsgericht bei der hier gegebenen unmittelbaren Nachbarschaft zur klägerischen Wohnnutzung von einer Unzumutbarkeit und damit einem Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot aus.
Eine hiervon abweichende Betrachtung wegen der Besonderheiten des streitgegenständlichen Vorhabens, etwa wegen der beschränkten Öffnungszeit und des Umstandes, dass weder Speisen noch Getränke ausgegeben werden sollten und auch keine besonderen Betriebsarten wie Striptease, Table-Dance oder Filmvorführungen vorgesehen seien, sei nicht vorzunehmen. Denn durch die Baugenehmigung sei nicht etwa sichergestellt, dass die genannten typischen Begleiterscheinungen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen wären.
Verwaltungsgericht Münster, Urteile vom 6. Februar 2020 – 10 K 4774/17, 10 K 4808/17