Das eingeschränkte Gewerbegebiet – und der Bebauungsplan

Die allgemeine Zweckbestimmung eines Gewerbegebietes nach § 8 BauNVO ist noch gewahrt, wenn ein Bebauungsplan eine Festsetzung nach § 1 Abs. 5 BauNVO enthält, wonach im gesamten Gebiet nur Nutzungen zulässig sind, „die das Wohnen nicht wesentlich stören“ (eingeschränktes Gewerbegebiet mit dem Schutzniveau eines Mischgebietes nach § 6 Abs. 1 BauNVO).

Das eingeschränkte Gewerbegebiet – und der Bebauungsplan

Dies hat das Bundesverwaltungsgericht bereits in der Vergangenheit entschieden1. Auch mit Blick auf die jüngere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur internen Gliederung eines Gewerbegebietes nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO besteht kein Bedarf zu einer Fortentwicklung, um einem „erheblichen dogmatischen Wertungswiderspruch“ in Bezug auf die Anforderungen an die Wahrung der allgemeinen Zweckbestimmung eines Gewerbegebietes bei interner Gliederung nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO einerseits und Nutzungsausschlüssen über § 1 Abs. 5 BauNVO andererseits zu begegnen2. Für das Bundesverwaltungsgericht besteht auch insoweit kein Anlass, die Rechtsprechung zur Zulässigkeit von eingeschränkten Gewerbegebieten aufzugeben oder fortzuentwickeln.

Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 29.06.20213 klargestellt hat, bietet § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO keine Rechtsgrundlage dafür, eine oder mehrere Arten von Nutzungen aus dem gesamten Baugebiet auszuschließen. Will eine Gemeinde dieses Ergebnis erreichen, steht ihr nur der Weg über § 1 Abs. 5 BauNVO zur Verfügung. Eine Gliederung nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO darf daher nicht dazu führen, dass – gemessen an dem Katalog zulässiger Nutzungen nach § 8 BauNVO – nur besonders leise Betriebe und Anlagen Aufnahme finden, während beispielsweise das produzierende und verarbeitende Gewerbe oder Handwerksbetriebe ausgeschlossen werden4. Mit einer Gliederung nach § 1 Abs. 4 Satz 1 BauNVO lassen sich mit anderen Worten die zulässigen Nutzungen im Baugebiet nur „verteilen“5. Diese Begrenzung folgt jedoch nicht aus der Pflicht, den Gebietscharakter zu wahren6, sondern – wie im Urteil vom 29.06.20217 klargestellt – aus der Ermächtigungsgrundlage. Aus der Rechtsprechung zu § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO können daher keine Rückschlüsse für die Frage gezogen werden, ob trotz Nutzungsausschlüssen nach § 1 Abs. 5 BauNVO der Gebietscharakter eines Gewerbegebietes gewahrt wird.

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Das Bundesverwaltungsgericht sieht dabei auch eine Festsetzung als dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot entsprechend an, die in einem eingeschränkten Gewerbegebiet Nutzungen für zulässig hält, „die das Wohnen nicht wesentlich stören“.

Ob eine Planaussage dem Bestimmtheitserfordernis genügt, ist eine Frage der Auslegung des dem Ortsrecht angehörenden Bebauungsplans und damit nicht revisibel (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO)8. Die Frage der Bestimmtheit planerischer Festsetzungen hängt überdies in aller Regel – und so auch hier – von den Umständen des Einzelfalles ab und ist folglich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich9.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24. August 2023 – 4 BN 13.23

  1. vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15.04.1987 – 4 B 71.87, Buchholz 406.12 § 8 BauNVO Nr. 7; und vom 08.11.2004 – 4 BN 39.04, Buchholz 406.12 § 8 BauNVO Nr.20[]
  2. in diese Richtung auch Vietmeier, BauR 2018, 766 <770 f.>[]
  3. BVerwG, Urteil vom 29.06.2021 – 4 CN 8.19, BVerwGE 173, 75[]
  4. BVerwG, a. a. O. Rn. 9[]
  5. BVerwG, Beschluss vom 22.12.1989 – 4 NB 32.89, Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 8[]
  6. insofern missverständlich BVerwG, Urteil vom 07.12.2017 – 4 CN 7.16, BVerwGE 161, 53 Rn. 15[]
  7. BVerwG, a. a. O.[]
  8. BVerwG, Beschlüsse vom 03.08.2011 – 4 BN 15.11 17; und vom 15.02.2022 – 4 B 5.22[]
  9. BVerwG, Beschlüsse vom 14.12.1995 – 4 N 2.95, Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 21 S. 4; vom 21.12.2012 – 4 BN 32.12 – BauR 2013, 561 Rn. 4; und vom 10.07.2018 – 4 BN 39.17 6; Urteil vom 29.01.2009 – 4 C 16.07, BVerwGE 133, 98 Rn. 16[]
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