In der rechtswidrigen vorläufigen Untersagung der Ausübung der Tätigkeit als Seelotse liegt eine Amtspflichtverletzung des befassten Mitarbeiters der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes gegen seine Amtspflicht zu rechtmäßigem Handeln. Diese Amtspflicht entspricht dem aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art.20 Abs. 3 GG) resultierenden Gebot, bei der Erfüllung der Staatsaufgaben Gesetz und Recht zu beachten und zu wahren1. Diese Pflicht wurde deswegen verletzt, weil der genannte Bescheid rechtswidrig ist.

Tatsächlich lagen im hier vom Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht entschiedenen Fall die gesetzlichen Voraussetzungen für eine vorläufige Untersagung im Falle des Lotsen nicht vor. Gemäß § 15 SeeLG kann eine vorläufige Untersagung der Berufsausübung gegen einen Seelotsen erfolgen, sofern dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Bestallung zurückgenommen oder widerrufen werden wird, wenn dies die Sicherheit der Schifffahrt erfordert. Im vorliegenden Fall lagen keine dringenden Gründe für eine drohende Rücknahme der Bestallung vor. Außerdem erforderte die Sicherheit der Schifffahrt nicht die vorläufige Untersagung der Berufsausübung.
Dringende Gründe setzen das Vorliegen von Tatsachen voraus, welche den dringenden Verdacht begründen, dass die Voraussetzungen für die Rücknahme der Bestallung vorliegen2. Zwar ist es nicht erforderlich, dass die der Entscheidung zugrunde gelegten Vorfälle bereits abschließend untersucht und geklärt worden sind. Dies ist Aufgabe des Widerrufsverfahrens gemäß § 14 SeeLG. Auf der anderen Seite reichen bloße Vermutungen nicht aus. Es muss eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass in der Person des betroffenen Seelotsen die Voraussetzungen für einen Widerruf der Bestallung erfüllt sind. Hiervon kann in diesem Fall nicht ausgegangen werden.
Zu Unrecht hat die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung angenommen, dass dringende Gründe für einen Widerruf der Bestallung nach Maßgabe des § 14 Nr. 3 SeeLG gegeben waren.
Das Oberlandesgericht ist gehalten, die Rechtsanwendung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung im Hinblick auf die Auslegung dringender Gründe im Sinne des § 15 SeeLG vollständig zu überprüfen. Die Auslegung unbestimmter Gesetzesbegriffe, d. h. die Ermittlung ihres Sinngehalts, ist wie jede Auslegung eine Rechtsfrage, die auch von dem die Rechtmäßigkeit der Anwendung prüfenden Gericht uneingeschränkt unter eigener Verantwortung zu beantworten ist3. Dies gilt auch bei der Auslegung sogenannter Typenbegriffe, denen verschiedene, aber ähnliche Lebenssituationen als ihre Ausprägungen unterfallen. Hierzu gehören Begriffe wie „wichtiger Grund“, oder auch „dringende Gründe“4. Insoweit hat die entscheidende Behörde keinen Beurteilungsspielraum. Die Gerichte sind ihrerseits nicht an die im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen und Wertungen gebunden5. Gleiches gilt auch hier.
Anhand der gegebenen Tatsachen kann nicht angenommen werden, dass der Lotse bei den Lotsungen in den Jahren 2009 und 2010, bei denen es zu Überschreitungen der vom Wasser- und Schifffahrtsamt Hamburg empfohlenen Geschwindigkeiten kam, tatsächlich mit überhöhter Geschwindigkeit im Sinne des § 26 Abs. 1 SeeSchStrO fuhr. Nach der genannten Vorschrift haben Fahrzeuge ihre Geschwindigkeit rechtzeitig soweit zu vermindern, wie es erforderlich ist, um Gefährdungen durch Sog und Wellenschlag zu vermeiden. Die vom Wasser- und Schifffahrtsamt Hamburg herausgegebenen Empfehlungen zu den zu fahrenden Geschwindigkeiten stellen in diesem Zusammenhang allerdings keine Anordnung von Höchstgeschwindigkeiten dar, sondern sind lediglich Orientierungswerte, bei deren Erreichen es für den Schiffsführer bzw. für den Lotsen Anlass gibt, die Geschwindigkeit mit Blick auf gegebene Gefährdung durch Sog und Schwell zu überprüfen und ggf. zu reduzieren. Dies ergibt sich zum einen aus den Informationen des Wasser- und Schifffahrtsamtes Hamburg. Dort ist ausdrücklich ausgeführt, dass die Schiffswellen am Elbufer erhebliche Schäden verursachen können, wenn die Bestimmungen der SeeSchStrO nicht ausreichend beachtet werden und keine Orientierung an den Richtgeschwindigkeiten erfolgt. Das Wort „Orientierung“ weist darauf hin, dass die Richtgeschwindigkeit gerade keine Obergrenze der erlaubten Geschwindigkeit sein soll. Zum anderen geht auch aus der Arbeitsanweisung des Wasser- und Schifffahrtsamtes Hamburg an die Verkehrszentrale Brunsbüttel vom 17.11.2009 hervor, dass ein Überschreiten der Richtgeschwindigkeiten gerade keinen Verstoß gegen § 26 der SeeSchStrO indiziert. Denn gemäß der Arbeitsanweisung soll der Schiffsführung gerade keine konkrete Geschwindigkeitsvorgabe gemacht werden. Vielmehr ist ihr die gefahrene Geschwindigkeit in Knoten durch das Wasser mitzuteilen, und zwar verbunden mit folgendem Hinweis: „Bitte beachten Sie die Gefährdung durch Sog und Schwell.“ Daraus folgt, dass eine Überschreitung der Richtgeschwindigkeit, jedenfalls wenn sie nicht erheblich ist, für sich genommen noch keinen Anhalt dafür bietet, dass mit überhöhter, erheblichen Sog und Wellenschlag verursachender Geschwindigkeit gefahren wurde. Eine entsprechende Annahme verbietet sich daher bei den Vorfällen im Jahre 2009. Insoweit steht eine Geschwindigkeitsüberschreitung des Lotsen von etwa 2 kn in Rede. Hinweise auf eine dadurch verursachte messbare Gefährdung durch Sog und Schwell gibt es nicht. Gleiches gilt hinsichtlich des Vorfalles vom 03.12 2010, bei dem eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 3, 64 Knoten in Rede steht. Diesem Vorfall zugeordnet ist ein Schreiben der Lotsenbrüderschaft Elbe an das Wasser- und Schifffahrtsamt Hamburg vom 09.12.2010, in dem heißt, dass es sich bei dem gelotsten Schiff um ein Passagierschiff mit einer Länge von 208 m, einer Breite von 28 m sowie einem Tiefgang von 7,10 m und einem sehr geringen Blockkoeffizienten handele. Nach Aussage des Lotsen – so heißt es weiter – habe das Passagierschiff während der gesamten Reise keinen Schwell verursacht, die Brückenbesatzung habe weder eine Primär, noch eine Sekundärwelle beobachtet. Zwar ist abschließend ausgeführt, dass der Lotse sich in Zukunft an die Vorgaben der WSV halten werde. Eine Überschreitung der Fahrgeschwindigkeit im Sinne des § 26 Abs. 1 SeeSchStrO ist aber gerade nicht festgestellt. Auch insoweit ergeben sich nach dem oben Gesagten keine Anhaltspunkte für maßgebliche Gefährdung durch Schwell und Sog aufgrund dieser Fahrt. Diesbezüglich kann ergänzend auf die Ausführungen auf Seite 16 des Beschlusses des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 30.05.2011 – 7 B 6/11 – verwiesen werden.
In der somit verbliebenen Lotsung des Containerschiffes „T.“ am 13.02.2011 können zwar Anhaltspunkte für eine Überschreitung der gemäß § 26 Abs. 1 SeeSchStrO gebotenen Fahrgeschwindigkeit gesehen werden, denn hier ist die Geschwindigkeitsüberschreitung mit bis zu 6, 7 Knoten erheblich. Empfohlen waren an der fraglichen Stelle lediglich 12 Knoten, sodass die Geschwindigkeit mehr als das 1, 5-fache der Empfehlung ausmachte. Das Maß der Überschreitung mag in diesem Fall ein Indiz für eine rechtswidrig unangepasste Geschwindigkeit bieten, wenngleich auch in diesem Fall das Gegebensein einer konkreten Gefährdung durch Sog oder Schwell streitig ist. Dies kann allerdings auf sich beruhen, da auch insoweit jedenfalls kein grober Pflichtenverstoß anzunehmen ist. Der Umstand, dass ein Pflichtenverstoß zu einer Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs führte, reicht für sich genommen noch nicht aus, um diesen als gröblich zu werten. Eine gröbliche Pflichtverletzung liegt vor, wenn die Verletzung ein Ausmaß erreicht, dass das Vertrauen in die Berufsausübung seitens des betroffenen Lotsen so stark zerstört ist, dass dessen weitere Tätigkeit als Lotse nicht mehr verantwortet werden kann. Ein geeigneter Vergleichsmaßstab sind dabei Pflichtenverstöße von strafrechtlicher Relevanz6. Anhaltspunkte dafür, dass eine etwaige Pflichtvergessenheit des Lotsen anlässlich der Lotsenfahrt am 13.02.2011 ein derartiges Ausmaß erreicht hatte, gab es zum Zeitpunkt der vorläufigen Untersagung nicht und haben sich auch später nicht gezeigt. Vielmehr hat der Lotse von Anfang an bereits in seiner Stellungnahme zu dem streitgegenständigen Vorfall vom 21.02.2011 nautische Gründe für die bei der Lotsung gewählten Geschwindigkeiten angeführt. Er habe den starken Wind seinerzeit berücksichtigen müssen und in Aussicht genommen, einen bestimmten Streckenabschnitt zu erreichen, um dort mit einem entgegenkommenden Schiff einen sicheren Passierabstand einzuhalten. Selbst wenn man mit der Bundesrepublik die vom Lotsen angegebenen Gründe nicht für geeignet hält, die erhebliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit zu rechtfertigen, wofür in der Tat spricht, dass laut unwidersprochen gebliebenem Vortrag der Bundesrepublik ein sicheres Passieren einander entgegenkommender Schiffe auf der Elbe mit Ausnahme der Kurven ohne Einschränkung im Revier zulässig und möglich ist, erreicht der Pflichtenverstoß angesichts der Erklärung des Lotsen nicht das Gewicht, welches einem strafbewehrten Pflichtenverstoß oder etwa einer Fahrt unter Drogeneinfluss gleichzusetzen wäre.
Auch die weitere Voraussetzung des § 14 Nr. 3 SeeLG für einen Widerruf der Bestallung lag nach dem Erkenntnisstand vor der vorläufigen Untersagung am 3.03.2011 nicht vor. Jedenfalls ergaben sich insoweit keine dringenden Gründe. Nach der Bestimmung kann ein Widerruf der Bestallung nur erfolgen, sofern sich aus dem wiederholten oder gröblichen Pflichtenverstoß ergibt, dass der Lotse ungeeignet ist, seinen Beruf weiter auszuüben. Insoweit geht es um eine Prognoseentscheidung, bei der die Zuverlässigkeit des Lotsen in den Blick genommen werden muss. In dem Bescheid der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung vom 03.03.2011 wurde insoweit auf die wiederholten Überschreitungen der empfohlenen Geschwindigkeiten in den letzten zwei Jahren abgestellt. Diese Begründung trägt indes – wie oben ausgeführt – nicht, da die früheren Geschwindigkeitsüberschreitungen für sich genommen nicht geeignet sind, einen Pflichtenverstoß zu indizieren, der letzte Vorfall am 13.02.2011 wiederum keinen gröblichen Pflichtenverstoß bedeutete und aus diesem einmaligen Vorfall eine negative Prognose im Hinblick auf die Eignung und Zuverlässigkeit des Lotsen als Lotsen nicht möglich ist.
Die vorläufige Untersagung der Berufsausübung nach Maßgabe des § 15 SeeLG hat noch eine weitere Voraussetzung, die in diesem Fall nicht erfüllt ist. Danach darf die vorläufige Untersagung nur erfolgen, wenn dies die Sicherheit der Schifffahrt erfordert. Diese Voraussetzung ist Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die Sicherheit der Schifffahrt muss gerade die vorläufige Untersagung der Berufsausübung erfordern. Das bedeutet, dass eine vorläufige Untersagung nicht erfolgen darf, sofern die Sicherheit der Schifffahrt durch andere, den betroffenen Lotsen weniger belastende Maßnahmen gewährleistet werden kann. Da im vorliegenden Fall bereits dringende Gründe für die Annahme eines Widerrufs der Bestallung nicht gegeben sind, liegt die Annahme fern, dass die Sicherheit der Schifffahrt die vorläufige Untersagung der Berufsausübung erfordert hat. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass – die Einschätzung der Bundesrepublik hinsichtlich einer nautischen Pflichtverletzung bei der Lotsung am 13.02.2011 als richtig unterstellt – die Androhung einer vorläufigen Untersagung für den Fall wiederholter Pflichtverletzungen in Verbindung mit einer fachlichen Unterrichtung des Lotsen über die Möglichkeiten des Passierens entgegenkommender großer Schiffe auf der Elbe ohne Überschreitung der empfohlenen Richtgeschwindigkeiten geeignet waren, den Lotsen nachhaltig zur Beachtung einer angemessenen Fahrgeschwindigkeit im Rahmen seiner Lotsentätigkeit anzuhalten. Jedenfalls finden sich in dem Bescheid über die vorläufige Untersagung keine Erwägungen über die mögliche Geeignetheit milderer Maßnahmen gegen den Lotsen.
Die verletzte Amtspflicht ist auch bezogen auf den Lotsen drittgerichtet. Denn er ist insoweit in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 GG) betroffen und die Bundesrepublik in Gestalt der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord hat diese im Rahmen der Entscheidung über eine vorläufige Untersagung der Berufsausübung zu beachten.
Von einem Verschulden des befassten Amtsträgers in Form der Fahrlässigkeit ist auszugehen. Der Amtsträger hat die Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und sich danach aufgrund vernünftiger Überlegungen eine Rechtsmeinung zu bilden. Bei einem Rechtsirrtum kann zwar der Schuldvorwurf entfallen. Wenn die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers als rechtlich vertretbar angesehen werden kann, dann kann aus der Missbilligung dieser Auffassung durch die Gerichte ein Schuldvorwurf nicht hergeleitet werden. Der Amtsträger hat sich insoweit an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu orientieren7. Hilfsweise hat er die einschlägige Kommentierung zur Hilfe zu nehmen, wenn die Rechtsanwendung in einem Spezialgebiet maßgeblich durch ein Werk oder zwei kommentierende Werke geprägt wird. Vorliegend müsste der Amtswalter der Kommentierung aus dem Werk „Seelotswesen“ von Heinrich und Steinicke zu § 14 SeeLG entnehmen, dass an das Vorliegen eines groben Pflichtenverstoßes die oben dargelegten hohen Anforderungen gestellt werden. Aus den vom Wasser- und Schifffahrtsamt Hamburg selbst herausgegebenen Informationen und Arbeitsanweisungen war darüber hinaus zu ersehen, dass dem Überschreiten der Richtgeschwindigkeit für sich keine Indizwirkung im Hinblick auf einen Verstoß gegen § 26 Abs. 1 SeeSchStrO zukommt, vielmehr die konkrete Gefährdung durch Sog und Wellenschlag in den Blick zu nehmen ist.
Ersatzfähig ist der durch den Pflichtenverstoß verursachte Schaden. Dieser besteht in dem vom Lotsen geltend gemachten Verdienstausfall, der als entgangener Gewinn gemäß § 252 S. 1 BGB ersatzfähig ist. Der Lotse macht insoweit die entgangenen anteiligen Schiffsentgelte und Nebenverdienste geltend. Hier kann auf die vom Lotsen als Anlage zur Klagschrift eingereichte Berechnungstabelle verwiesen werden.
Ein anspruchsminderndes Mitverschulden des Lotsen (§ 254 Abs. 1 BGB) ist nicht anzunehmen. Es ist ihm nicht vorwerfbar, dass er sich einer Begutachtung zwecks Nachweises seiner verkehrspsychologischen Eignung zunächst nicht unterzog. Zwar hätte der Lotse hierdurch die vorläufige Untersagung beenden können. Es ist allerdings zu beachten, dass diese ausweislich der obigen Ausführungen rechtswidrig war. Dies gilt mithin auch für die auflösende Bedingung des Nachweises seiner verkehrspsychologischen Eignung durch ein seeärztliches Zeugnis. Die auflösende Bedingung eines Nachweises der verkehrspsychologischen Eignung des Lotsen durch ein seeärztliches Zeugnis war damit selbst rechtswidrig. Zwar kann gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG eine Ermessensentscheidung mit einer Nebenbestimmung in Form einer auflösenden Bedingung versehen werden. Allerdings führt die Rechtswidrigkeit des Hauptverwaltungsaktes zwingend zur Rechtswidrigkeit aller Nebenbestimmungen, mit denen er versehen wurde, und zwar ungeachtet ihrer Rechtsnatur8. Da die vorläufige Untersagung als solche bereits als rechtswidrig anzusehen ist, hatte der Lotse einen Anspruch auf Aufhebung dieses Verwaltungsaktes, und zwar insgesamt. Er musste sich damit auf die ebenfalls rechtswidrige Bedingung einer amtsärztlichen Untersuchung nicht einlassen.
Dies im Rahmen des Mitverschuldens anders zu sehen hieße, den Lotsen ungeachtet der Rechtswidrigkeit der vorläufigen Untersagung insgesamt mit einem Teil seines Regelungsgehaltes zu belasten. Die diesbezügliche Ablehnung eines Mitverschuldens entspricht auch der gesetzlichen Wertung. Gemäß § 36 Abs. 3 VwVfG darf eine Nebenbestimmung dem Zweck des Verwaltungsaktes nicht zuwiderlaufen. Diese Bestimmung ist Ausdruck des Gebots der Sachbezogenheit von Nebenbestimmungen im Hinblick auf die gesetzliche Regelung, die durch den Verwaltungsakt im Einzelfall umgesetzt werden soll9. Der Zweck eines Verwaltungsaktes darf indes nur ein gesetzmäßiger sein, sodass es nicht angeht, mittels einer Nebenbestimmung den Adressaten eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes einem ohne diesen nicht gegebenen Handlungsdruck auszusetzen. Deswegen darf es nicht schadensmindernd angerechnet werden, dass sich der Lotse nicht auf die Untersuchungsmöglichkeit eingelassen hat, weil die Obliegenheit des Nachweises der verkehrspsychologischen Eignung durch ein seeärztliches Zeugnis den Lotsen in einer Weise belastet, die er nicht hinnehmen muss. Faktisch würde man dem Lotsen zudem entgegen der Maßgabe gemäß § 14 Nr. 2 SeeLG die Beweislast für seine geistige Eignung aufbürden.
Ein teilweiser Ausschluss des Schadensersatzanspruchs des Lotsen folgt jedoch aus § 839 Abs. 3 BGB wegen fahrlässigen Unterlassens, den Schaden jedenfalls teilweise durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Insoweit geht es zu Lasten des Lotsen, dass er die Ablehnung des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die vorläufige Untersagung mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Schleswig-Holstein vom 30.05.2011 – 7 B 6/11 – nicht durch Einlegung der Beschwerde gemäß § 146 VwGO angegriffen hat. Ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs sowie die Beschwerde gegen eine ablehnende erstinstanzliche Entscheidung stellen Rechtsbehelfe im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB dar10. Dies gilt auch im vorliegenden Fall.
Die Nichteinlegung der Beschwerde ist als schuldhaft anzusehen. Ein Verschulden beim Nichtgebrauch eines Rechtsmittels ist erst dann zu verneinen, wenn die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels so gering oder zweifelhaft ist, dass dem Verletzten dessen Gebrauch nicht zuzumuten ist11. Grundsätzlich kann sich zwar ein Betroffener auf die Richtigkeit einer erstinstanzlichen Entscheidung verlassen, da jede richterliche Entscheidung den Anspruch erheben darf, wohl erwogen zu sein12. Diese Erwägung gilt jedoch für das einstweilige Rechtsschutzverfahren nicht13. Im Hinblick darauf, dass die Frage der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, gegen den sich der Widerspruch richtet und dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden soll, ein maßgebender Gesichtspunkt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist, konnte der Lotse ungeachtet der erstinstanzlichen abschlägigen Entscheidung davon ausgehen, dass er im Rechtsmittelzug insoweit obsiegen würde. Dies gilt umso mehr, als auch das zweitinstanzliche Gericht wiederum eine eigenständige summarische Prüfung der Rechtslage hätte vornehmen müssen, zumal der Lotse selbst – ungeachtet der erstinstanzlichen ablehnenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts – die vorläufige Untersagung der Berufsausbildung für rechtswidrig gehalten hat, sich insoweit mithin nicht in einem Rechtsirrtum befand.
Damit fällt der Lotse mit seinem Schadensersatzanspruch insoweit aus, als der Gebrauch und zu unterstellende Erfolg des Rechtsmittels einen Schaden verhindert hätte. Angesichts des Umstands, dass das Verwaltungsgericht für seine Eilentscheidung etwas mehr als zwei Monate benötigte, da der Antrag auf einstweiligen Rechtschutz am 24.03.2011 gestellt wurde und die Entscheidung am 30.05.2011 erfolgte, ist davon auszugehen, dass eine Beschwerdeentscheidung mutmaßlich jedenfalls innerhalb von weiteren drei Monaten zu erlangen gewesen wäre. Das bedeutet, dass der Lotse mutmaßlich ab September 2011 die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs erlangt hätte.
Schleswig -Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 15. Januar 2015 – 11 U 23/14
- Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 46[↩]
- Heinrich/Steinicke, Seelotswesen, 3. Aufl., Erl. z. § 15 SeeLG[↩]
- Wolff, Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 11. Aufl., § 31 III Rn. 9[↩]
- Wolff, Bachof/Stober, a.a.O., Rn. 11[↩]
- Wolff, Bachof/Stober, a.a.O., Rn. 16[↩]
- Heinrich/Steinicke, Seelotswesen, 3. Aufl., Erl. z. § 14 Nr. 3 SeeLG u. II.[↩]
- Sprau, in: Palandt, BGB, 73. Aufl., § 839 Rn. 52[↩]
- Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 36 Rn. 21[↩]
- Tiedemann, in: Beck’scher Onlinekommentar, VwVfG, Stand 1.07.2014, § 36 Rn. 21 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 9. Okt.2003 – III ZR 342/02, Juris, Rn. 13[↩]
- Wöstmann, in: Staudinger, BGB, Neubearb.2012, § 839, Rn. 347[↩]
- BGH, Urteil vom 6. Dez.1984 – III ZR 141/83, Juris, Rn.20[↩]
- OLG München, Beschluss vom 9. Aug.2004 – 1 U 3448/04, Juris, Rn. 30 f.[↩]