Das Telefax zur Fristwahrung – und seine technischen Schwierigkeiten

Fristen können bis zur letzten Minute ausgenutzt werden. Fristen können auch per Telefax gewahrt werden. Scheitert allerdings der fristwahrende Faxversand aufgrund technischer Übertragungsprobleme ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ausgeschlossen, wenn die Telefaxübermittlung kurz vor Fristablauf ohne hinreichende „Sicherheitsfrist“ erfolgte.

Das Telefax zur Fristwahrung – und seine technischen Schwierigkeiten

Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist bei unverschuldeter Versäumung einer gesetzlichen Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Wiedereinsetzungsantrag ist binnen eines Monats zu stellen, § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Innerhalb der Antragsfrist ist auch die versäumte Rechtshandlung nachzuholen, § 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind glaubhaft zu machen, § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO.

Den Wiedereinsetzungsantrag hat in dem hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall der Prozessbevollmächtigte des Beklagten damit begründet, dass ein „externes Hindernis im Telekommunikationsbereich“, eine unvorhergesehene Netzstörung, die rechtzeitige Übermittlung per Fax von der Rechtsanwaltskanzlei an das Oberverwaltungsgericht verhindert habe. Der 37-seitige Schriftsatz habe erst am letzten Tag der Frist diktiert und geschrieben werden können. Um 23.40 Uhr habe die Bürovorsteherin den Schriftsatz ausgedruckt und ausgefertigt. Er habe ihn dann unterschrieben und sich zum Faxgerät der Kanzlei begeben, sich dort von der Richtigkeit der Faxnummer des Oberverwaltungsgerichts überzeugt und nach der Sichtkontrolle, dass alle 37 Blatt vom Faxgerät ordnungsgemäß eingezogen wurden, um 23.42 Uhr den Sendebefehl durch Drücken der Starttaste erteilt. Allerdings sei dann – ebenso wie nach zwei Wiederholungen des Sendeversuchs – ein Übertragungsfehler angezeigt worden. So habe er um 23.56 Uhr versucht, wenigstens die erste und die letzte Seite des Schriftsatzes zu versenden, was aber ebenfalls misslungen sei. Einen gesonderten Ausdruck oder Sendebericht zur Dokumentation der Übertragungsstörung habe das Telefaxgerät nicht geliefert. Nach Mitternacht habe er dann keine weiteren Sendeversuche mehr unternommen. Dass der Schriftsatz auf den 6.08.2013 datiert sei, habe seine Ursache darin, dass die Uhr auf dem Computer seiner Bürovorsteherin unbemerkt um 28 Minuten vorgegangen sei, sodass der um 23.20 Uhr fertig gestellte Schriftsatz bereits das Datum des Folgetages trage. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat alle Angaben anwaltlich versichert und eine eidesstattliche Versicherung seiner Bürovorsteherin angeboten.

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Mit diesem Vortrag ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht dargetan, dass die Fristversäumnis unverschuldet war.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt ein „Verschulden“ im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO vor, wenn diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen wird, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war1.

Danach gehört es zu den Sorgfaltspflichten jedes Rechtsanwalts in Fristensachen, den Betrieb seiner Anwaltskanzlei so zu organisieren, dass fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hergestellt werden und vor Fristablauf beim zuständigen Gericht eingehen. Bei Fristen für die Begründung eines Rechtsmittels muss der Rechtsanwalt dafür Sorge tragen, dass er sich rechtzeitig auf die Fertigung der Rechtsmittelbegründung einstellen sowie Unregelmäßigkeiten und Zwischenfällen vor Fristablauf Rechnung tragen kann2.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Nutzer mit der Wahl des Telefaxes als eines anerkannten und für die Zusendung fristwahrender Schriftsätze an das Gericht eröffneten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis 24 Uhr zu rechnen ist3. Dabei ist zu berücksichtigen, dass häufig gerade die Abend- und Nachtstunden wegen günstigerer Tarife oder wegen drohenden Fristablaufs genutzt werden, um Schriftstücke noch fristwahrend per Telefax zu übermitteln. Dem ist vom Rechtsuchenden gegebenenfalls durch einen zeitlichen „Sicherheitszuschlag“ Rechnung zu tragen4. Bei einer Fristausnutzung bis zuletzt ist somit besondere Vorsicht geboten. Scheitert etwa die Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes wenige Minuten vor Ablauf der Frist daran, dass das Empfangsgerät des Gerichts zu dieser Zeit durch eine andere Sendung belegt war, stellt dies ein gewöhnliches und wegen des drohenden Fristablaufs vorhersehbares Ereignis dar, auf das sich der Nutzer einstellen muss und das keine Wiedereinsetzung rechtfertigt5.

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In der Rechtsprechung ist eine Erfüllung dieser Anforderungen angenommen worden bei einer Faxübermittlung 9 Minuten vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, wenn die ordnungsgemäße Übermittlung am Folgetag lediglich 1:33 Minuten gedauert hat und die Übermittlung nach den Angaben in der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht daran gescheitert ist, dass die Telefonleitung besetzt war6, bzw. bei einer Faxübermittlung 15 Minuten vor Ablauf der Frist bei einem 18-seitigen Schriftsatz, wenn zuvor ein 22-seitiger Schriftsatz in rund 11 Minuten übersandt werden konnte und bei Nichtzustandekommen der Verbindung noch die Übermittlung des Schriftsatzes auf anderem Wege möglich gewesen wäre7. Auch ein Empfangsbeginn acht Minuten vor Fristablauf durch das Faxgerät des Gerichts bei einem 13-seitigen Schriftsatz wurde noch als ausreichend angesehen, wenn der Absender über Erfahrungswerte verfügte, dass frühere Sendungen an das Gericht in einer Zeitspanne erfolgten, die bei einem 13-seitigen Schriftsatz unter 8 Minuten gelegen hätte8. Anders wurde dies gesehen beim Absenden eines 11-seitigen Schriftsatzes allenfalls zwei Minuten vor Mitternacht, dessen Übertragung vier Minuten gedauert hat, sodass eine schuldhafte Verspätung angenommen worden ist9.

Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann dem Beklagten die beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gewährt werden. Trotz der anwaltlichen Versicherung kann nicht von der Glaubhaftmachung des vorgetragenen Sachverhaltes ausgegangen werden. Dagegen spricht, dass weder die Fehlermeldungen des Faxgerätes des Oberverwaltungsgerichts noch das u.a. den 5. und 6.08.2013 erfassende Faxjournal des Faxgerätes des Prozessbevollmächtigten des Beklagten den – gescheiterten – Versuch der Übermittlung eines 37-seitigen Faxes aufweisen. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass das Faxgerät in der Anwaltskanzlei einen solchen gescheiterten Übermittlungsversuch nicht durch den Ausdruck einer Fehlermeldung dokumentiert haben soll; auch im vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten vorgelegten Journal vom 06.08.2013 findet sich hierauf kein Hinweis. Die Vermutung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten, Ursache für die gescheiterte Übermittlung sei ein Hindernis in der Verbindung zwischen den beiden Faxgeräten, also eine technische Störung im Übertragungsnetz, ist vor diesem Hintergrund nicht plausibel. Sie ist auch nicht – etwa durch eine Auskunft der Telekom zu dem fraglichen Zeitraum – plausibel gemacht worden. Eine solche Netzstörung ist auch deshalb unplausibel, weil in diesem Zeitraum die beiden Seiten 1 und 37 des anwaltlichen Schriftsatzes ihren Weg vom Senderfaxgerät zum Empfängerfaxgerät gefunden haben, wenn auch erst kurz nach Mitternacht (vgl. das Journal des Faxgerätes des Oberverwaltungsgericht). Wieso es dann im fraglichen Zeitraum eine Netzstörung gegeben haben soll und wieso nur diese beiden Seiten, nicht aber der gesamte Schriftsatz von 37 Seiten übermittelt werden konnte, erschließt sich nicht. Abgesehen davon war es auch fahrlässig, erst – die Richtigkeit der Angaben des Prozessbevollmächtigten des Beklagten angenommen – 18 Minuten vor Mitternacht mit der Faxübertragung eines 37-seitigen Schriftsatzes zu beginnen. Im Falle eines Übermittlungsproblems – wie hier – gibt es bei einer so relativ kurzen Zeitspanne keine zeitliche Reserve mehr für weitere Übermittlungsversuche.

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Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 1. September 2014 – 2 B 93.2013 –

  1. stRspr; Beschlüsse vom 06.06.1995 – 6 C 13.93, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr.198 S. 14; und vom 09.09.2005 – 2 B 44.05, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 257 Rn. 2[]
  2. BVerwG, Beschluss vom 21.02.2008 – 2 B 6.08 7 ff. m.w.N.[]
  3. BVerfG, Beschluss vom 01.08.1996 – 1 BvR 121/95 – NJW 1996, 2857, 2858[]
  4. BVerfG, Beschluss vom 21.06.2001 – 1 BvR 436/01 – NJW 2001, 3473, 3474[]
  5. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.11.1999 – 2 BvR 565/98 – NJW 2000, 574; BVerwG, Beschluss vom 14.08.2013 – 8 B 14.13 – LKV 2013, 468 Rn. 3[]
  6. BGH, Beschluss vom 20.12 2007 – III ZB 73/07 – JurBüro 2009, 168[]
  7. BGH, Urteil vom 25.11.2004 – VII ZR 320/03 – NJW 2005, 678, 679[]
  8. BGH, Beschluss vom 10.07.2012 – VIII ZB 15/12 – NJW-RR 2012, 1341, 1342[]
  9. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.11.1999 a.a.O.; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 01.08.2013 – 5 U 368/12 – NJW 2013, 3797, 3797 f.[]