Das Umwelt-Rechtsbehelfegesetz und die Aussetzung des Sofortvollzugs

Die Mo­di­fi­zie­rung des Maß­stabs zur Prü­fung von An­trä­gen nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gemäß § 4a Abs. 3 UmwRG be­trifft nur den Ge­sichts­punkt der Er­folgs­aus­sich­ten der Klage („ernst­li­che Zwei­fel an der Recht­mä­ßig­keit des Ver­wal­tungs­akts“), lässt je­doch die Ein­be­zie­hung wei­te­rer Ge­sichts­punk­te in die Ab­wä­gung un­be­rührt.

Das Umwelt-Rechtsbehelfegesetz und die Aussetzung des Sofortvollzugs

Einen sol­chen wei­te­ren Ge­sichts­punkt stellt die bei feh­len­der Dring­lich­keit eines plan­fest­ge­stell­ten Vor­ha­bens zur Ver­mei­dung un­nö­ti­ger (frist­ge­bun­de­ner) An­trä­ge nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ge­bo­te­ne Aus­set­zung einer ge­setz­lich an­ge­ord­ne­ten so­for­ti­gen Voll­zie­hung durch die Be­hör­de dar1.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fehlt es an einem das Suspensivinteresse überwiegenden Vollzugsinteresse, wenn und soweit während eines längeren Zeitraums keine Vollzugsmaßnahmen anstehen und es deshalb von Anfang an nahegelegen hätte, die gesetzlich angeordnete sofortige Vollziehung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 17e Abs. 2 Satz 1 FStrG) gemäß § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise auszusetzen, um unnötigen Rechtsschutzverfahren vorzubeugen, die ansonsten wegen der Fristbindung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (§ 17e Abs. 2 Satz 2 FStrG) eingeleitet werden2. Ein solcher Fall fehlender Dringlichkeit liegt vor, wenn der angefochtene Planfeststellungsbeschluss mit der aufschiebenden Bedingung versehen ist, dass die vorgesehenen Maßnahmen erst nach Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses zu einem anderen Abschnitt des Gesamtvorhabens realisiert werden dürfen. Anlass für eine Aussetzung der sofortigen Vollziehung bestand auch nicht erst aufgrund der gerichtlichen Mitteilung, dass die den anderen Autobahnabschnitt betreffenden Rechtsstreitigkeiten3 erst nach Verhandlung des vorliegenden Rechtsstreits terminiert werden sollen, so dass der angefochtene Planfeststellungsbeschluss ohnehin nicht vor Unanfechtbarkeit wird umgesetzt werden können. Denn für den Fall, dass die aufschiebende Bedingung vor Unanfechtbarkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses eingetreten wäre, hätte die Planfeststellungsbehörde die Entscheidung über die Aussetzung der sofortigen Vollziehung aufheben können mit der Folge, dass die gesetzliche Anordnung der sofortigen Vollziehung wieder aufgelebt wäre4.

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Die durch das Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21.01.20135 in § 4a Abs. 3 UmwRG eingefügte Maßgabe zur Anwendung des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung der Erfolgsaussichten des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Danach kann die aufschiebende Wirkung in umweltrechtlichen Verfahren ganz oder teilweise angeordnet werden, „wenn im Rahmen einer Gesamtabwägung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen“. Durch den Hinweis im Gesetzestext auf die vorzunehmende Gesamtabwägung wird ausdrücklich klargestellt, dass die Modifizierung des Prüfungsmaßstabs nur den Gesichtspunkt der Erfolgsaussichten der Klage betrifft, die Einbeziehung weiterer Gesichtspunkte in die Abwägung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO jedoch unberührt lässt6. Einen solchen „weiteren Gesichtspunkt“ stellt die Notwendigkeit einer Aussetzung der sofortigen Vollziehung bei fehlender Dringlichkeit des Vorhabens zur Vermeidung unnötiger Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dar.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13. Juni 2013 – 9 VR 3.13

  1. vgl. BVerwG, Be­schlüs­se vom 17.09.2001 – 4 VR 19.01, Buch­holz 310 § 80 VwGO Nr. 66 S. 2; und vom 01.03.2012 – 9 VR 7.11, Buch­holz 406.403 § 63 BNatSchG 2010 Nr. 2 Rn. 6; stRspr[]
  2. vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17.09.2001 – 4 VR 19.01, Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 66 S. 2; vom 22.09.2010 – 9 VR 2.10, Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 82 Rn. 3; vom 31.03.2011 – 9 VR 2.11, Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 84 Rn. 2; und vom 01.03.2012 – 9 VR 7.11, Buchholz 406.403 § 63 BNatSchG 2010 Nr. 2 Rn. 6[]
  3. BVerwG – 9 A 19.12, 9 A 20.12 und 9 A 22.12[]
  4. vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.03.2012 a.a.O. Rn. 8 m.w.N.[]
  5. BGBl I S. 95[]
  6. vgl. BT-Drs. 17/10957 S. 18[]
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