Das Wettbüro neben der Spielhalle

Eine Betriebsstätte für die Vermittlung von Sportwetten und eine Spielhalle, die innerstädtisch in einer in geschlossener Bauweise errichteten Blockbebauung in unmittelbarer Nachbarschaft mit nebeneinander liegenden Zugangsbereichen untergebracht sind, befinden sich in einem Gebäudekomplex im Sinne des § 21 Abs. 2 GlüStV.

Das Wettbüro neben der Spielhalle

Die Untersagung der Vermittlung von Sportwetten findet ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des Glücksspielstaatsvertrages vom 15.12 20111 – GlüStV, in Kraft getreten am 1.07.2012, und § 22 Abs. 4 Satz 2 NGlüSpG. Danach hat die gemäß § 23 Abs. 1 NGlüSpG zuständige Behörde die Veranstaltung und Vermittlung unerlaubter öffentlicher Glücksspiele sowie die Werbung hierfür zu untersagen.

Nach § 21 Abs. 2 GlüStV dürfen in einem Gebäude oder Gebäudekomplex, in dem sich eine Spielhalle oder eine Spielbank befinden, Sportwetten nicht vermittelt werden. Der Begriff „Gebäudekomplex“ ist gesetzlich nicht definiert. Ein Rückgriff auf das öffentliche Baurecht oder das Bauordnungsrecht hilft nicht weiter, da der Begriff in diesen Rechtsmaterien ebenfalls nicht gesetzlich definiert ist. Architektonisch wird von einem Gebäudekomplex gesprochen, wenn eine Gruppe von Gebäuden, die baulich miteinander verbunden sind, als Gesamteinheit wahrgenommen werden2. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin muss ein Gebäudekomplex nicht eine komplizierte oder ungewöhnliche Struktur haben. Ein Komplex bezeichnet nach der von dem Antragsgegner aufgezeigten Herleitung des Wortes aus dem Lateinischen lediglich eine Zusammenfassung von Teilen oder eine zusammenhängende Gruppe, also beispielsweise eine aus mehreren Gebäuden zusammengesetzte Bebauung. Der Begriff Gebäudekomplex setzt auch nicht die Möglichkeit voraus, im Innern zwischen den verschiedenen Gebäuden wechseln zu können. Denkbar sind unterschiedliche Baugestaltungen. Sie reichen von Einkaufszentren mit innenliegenden Verbindungen zwischen den einzelnen Geschäften, über Bahnhöfe und Flughafengebäude3 bis hin zu überwiegend innerstädtisch und in geschlossener Bebauung anzutreffenden Gebäudeblöcken, in denen benachbarte Gebäude, die zu einer Straßenseite ausgerichtet sind, regelmäßig auch benachbarte Zugangsbereiche haben.

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Angesichts dieser Variationsbreite wird in der Rechtsprechung4 und in der Kommentarliteratur3 zu Recht eine einschränkende Auslegung des Begriffs „Gebäudekomplex“ befürwortet, die sich daran zu orientieren hat, dass es sich bei dem Trennungsgebot in § 21 Abs. 2 GlüStV um eine Maßnahme der Spielsuchtprävention handelt, mit der die übermäßige Ausnutzung des Spieltriebs vermieden werden soll5. Aus dieser Zielsetzung folgt, dass zwischen der Spielhalle (oder Spielbank) und der Betriebsstätte zur Vermittlung von Sportwetten eine räumliche Nähebeziehung, die einen kurzläufigen Wechsel zwischen den Einrichtungen ermöglicht, oder jedenfalls ein Sichtkontakt bestehen muss. Nach übereinstimmenden wissenschaftlichen Forschungsergebnissen ist die Verfügbarkeit bzw. „Griffnähe“ der Glücksspiele ein wesentlicher Faktor der Entwicklung und des Auslebens der Spielsucht6. Das Geldautomatenspiel bringt die meisten Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten hervor7. Die räumliche – oder auch sichtbare – Verknüpfung von gewerblichem Geldautomatenspiel und einer Betriebsstätte für die Vermittlung von Sportwetten bietet daher für diese in hohem Maße suchtgefährdeten Personen einen nach der Zielsetzung des Glücksspielstaatsvertrages (vgl. § 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV) unerwünschten Anreiz, sich auch dem Wetten zuzuwenden8.

Nach diesem im Glücksspielrecht anzulegenden Maßstab befinden sich das Wettbüro der Antragstellerin in der B. -Str. 31 und die Spielhalle in der B. -Str. 32 in einem Gebäudekomplex im Sinne des § 21 Abs. 2 GlüStV. Die Gebäude, in denen die genannten Betriebsstätten untergebracht sind, grenzen unmittelbar aneinander. Unmaßgeblich ist, dass beide Gebäude mit einem unterschiedlichen Außenanstrich versehen sind, eigene Hausnummern haben und nach Angaben der Antragstellerin unterschiedliche Flurstücknummern besitzen. Hierauf kommt es nach dem Vorgesagten nicht an. Die beiden Gebäude mit den Hausnummern 31 und 32 sind Teil einer Blockbebauung, die wegen ihrer geschlossenen Bauweise als Gesamteinheit wahrgenommen wird. Der Zutritt zu dem Wettbüro der Antragstellerin und zu der Spielhalle erfolgt jeweils über den Bürgersteig an der B. -Straße. Die Zugangsbereiche beider Betriebsstätten liegen räumlich dicht beieinander. Die Entfernung beträgt nur wenige Meter. Besucher, die die Spielhalle verlassen, haben sofort Blickkontakt zu der benachbarten Betriebsstätte der Antragstellerin. Es besteht somit die erforderliche räumliche Nähe zwischen beiden Betrieben und zusätzlich auch eine Sichtbeziehung.

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Hiergegen erhobene Verfassungsrechtliche Bedenken teilt das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht nicht. Bei der zur Anwendung gelangten engen Auslegung stellt der durch das Trennungsgebot in § 21 Abs. 2 GlüStV bewirkte Eingriff in die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit eine dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechende Berufsausübungsregelung dar9. Dem mit der Regelung verfolgten Zweck der Suchtprävention kommt angesichts der erheblichen Folgen pathologischen Spiel- und Wettverhaltens für den Einzelnen und die Allgemeinheit hohes Gewicht zu. Demgegenüber wiegt die der Antragstellerin als Vermittlerin von Sportwetten durch § 21 Abs. 2 GlüStV auferlegte Beschränkung ihrer Tätigkeit nicht besonders schwer. Ihr wird diese Tätigkeit nicht vollständig verboten. Die Antragstellerin darf sie lediglich nicht in einem Gebäudekomplex ausüben, in dem sich bereits eine Spielhalle befindet. Außerdem zieht das Verwaltungsgericht in einem anderen rechtlichen Zusammenhang zutreffend in Zweifel, dass bei der Antragstellerin ein schützenswerter Vertrauenstatbestand in Bezug auf die Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit entstehen konnte, da sie die Vermittlungstätigkeit erst am 21.10.2013 aufgenommen hat, zu einem Zeitpunkt, zu dem die Änderung des Glücksspielstaatsvertrages mit der Regelung des § 21 Abs. 2 GlüStV bereits in Kraft getreten war.

Selbst wenn das Betriebseigentum dem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG zugerechnet werden könnte, läge im gesetzlichen Trennungsgebot lediglich eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung für die Nutzung eines Gewerbebetriebes10. Das von ihr vorgetragene Investitionsvolumen hat die Antragstellerin im Übrigen nicht belegt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die möglicherweise dem Betriebseigentum zuzuordnenden Ausstattungsgegenstände und die Technik nicht in einem anderen Wettbüro verwendet werden könnten.

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  1. Nds. GVBl.2012, 190, 196[]
  2. OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 20.12.2013 – 4 B 574/13 25; BayVGH, Beschluss vom 27.05.2014 – 10 CS 14.503 18; Hecker/Ruthig, in: Dietlein/Hecker/Ruthig, Glücksspielrecht, 2. Aufl., § 21 GlüStV, Rn. 39[]
  3. Hecker/Ruthig, a.a.O., § 21 GlüStV, Rn. 39[][]
  4. OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 20.12.2013 – 4 B 574/13 25; BayVGH, Beschluss vom 27.05.2014 – 10 CS 14.503 18[]
  5. vgl. die Begründung zu § 21 Abs. 2 GlüStV, abgedruckt in der Drs. 16/4795, 90, des Niedersächsischen Landtages[]
  6. BayVGH, Beschluss vom 27.05.2014 – 10 CS 14.503 18 und 23; Hecker/Ruthig, a.a.O., § 21 GlüStV, Rn. 38[]
  7. LT-Drs. 16/4795, 90, zu §§ 24 bis 26[]
  8. BayVGH, Beschluss vom 27.05.2014 – 10 CS 14.503 23; OVG Saarland, Beschluss vom 6.12.2012 – 3 B 268/12 12[]
  9. BayVGH, Beschluss vom 25.06.2013 – 10 CS 13.14519[]
  10. BayVGH, Beschluss vom 27.05.2014 – 10 CS 14.503 22[]