Im luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren muss jeder beteiligt werden und Einwendungen erheben können, der durch Fluglärm abwägungserheblich betroffen werden kann, weil sein Grundstück innerhalb des Einwirkungsbereichs des Flughafens liegt und weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen auszuschließen ist, dass ein zu seiner Betroffenheit führendes Flugverfahren festgelegt wird.

Die Umweltverträglichkeitsprüfung muss sich räumlich auf den gesamten Einwirkungsbereich des Flughafens erstrecken, in dem abwägungserhebliche Auswirkungen des Vorhabens möglich sind.
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Abgrenzung des Auslegungsgebiets
Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LuftVG, § 73 Abs. 2 VwVfG ist der Plan – nach vorheriger ortsüblicher Bekanntmachung (§ 73 Abs. 5 VwVfG) – in den Gemeinden auszulegen, in denen sich das Vorhaben auswirkt bzw. voraussichtlich auswirkt. Jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden, kann bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist Einwendungen gegen den Plan erheben (§ 10 Abs. 4 Satz 1 VwVfG). Auch im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung ist die Öffentlichkeit auf diese Weise zu beteiligen (§ 9 Abs. 1 UVPG). Da die tatsächlichen Auswirkungen des Vorhabens im Zeitpunkt der Planfeststellung nicht feststehen, ist für die Bestimmung der Gemeinden, in denen der Plan auszulegen ist, eine Prognose erforderlich1. Anders als für die Abwägung2 kann sich diese Prognose nicht auf die Betrachtung bestimmter Flugrouten beschränken, die Art und Ausmaß der zu erwartenden Betroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abbilden. Die Flugverfahren werden nicht zusammen mit der Entscheidung über die Anlegung oder den Ausbau des Flughafens im Planfeststellungsverfahren, sondern in einem gesonderten Verfahren vom BAF auf der Grundlage von Vorarbeiten der DFS durch Rechtsverordnung festgelegt (§ 32 Abs. 4 Nr. 8, Abs. 4c LuftVG, § 27a Abs. 2 Satz 1 LuftVO). Müssen die Flugverfahren für ein neues Bahnsystem festgelegt werden, kann dies erst nach der Planfeststellung der neuen Bahnen geschehen; auch nach Inbetriebnahme des Bahnsystems können die Flugverfahren geändert werden. Die Ermittlung der Lärmbetroffenheiten und anderer Auswirkungen des Flugbetriebs im Planfeststellungsverfahren ist deshalb systemimmanent mit der Unsicherheit behaftet, dass die Flugrouten für die An- und Abflüge nicht feststehen3. In einer solchen Situation muss im Planfeststellungsverfahren jeder beteiligt werden und Einwendungen erheben können, der durch Fluglärm abwägungserheblich betroffen werden kann, weil sein Grundstück innerhalb des Einwirkungsbereichs des Flughafens liegt und weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen auszuschließen ist, dass ein zu seiner Betroffenheit führendes Flugverfahren festgelegt wird. Soweit es um das subjektive Recht auf fehlerfreie Abwägung der eigenen Belange geht, ist eine Repräsentation durch exemplarisch ermittelte andere Betroffene nicht möglich. Das subjektive Recht steht jedem Einzelnen zu, dessen schutzwürdige Belange mehr als geringfügig betroffen werden können. Insoweit gilt für die Öffentlichkeitsbeteiligung nichts anderes als für die Klagebefugnis4. Der Plan muss in allen Gemeinden ausgelegt werden, in denen abwägungserhebliche Betroffenheiten möglich sind.
Die Abgrenzung des Auslegungsgebiets hängt nicht nur von den Flugrouten und deren Belegung, sondern auch davon ab, wie die Schwelle zur Abwägungserheblichkeit von Fluglärm zu bestimmen ist. Ob die Abwägungserheblichkeit von Lärmbeeinträchtigungen, die einen Leq(3), Tag = 55 dB(A) nicht erreichen, von vornherein verneint werden kann, ist zweifelhaft. Der Beklagte hat dies im Planfeststellungsbeschluss jedoch auch nicht getan. Er hat, soweit es um Fluglärm geht, als voraussichtlich betroffen alle Bereiche definiert, die innerhalb der Leq(3), Tag = 55 dB(A)-Kontur oder innerhalb des Untersuchungsraums Mensch der Umweltverträglichkeitsprüfung liegen. Der Untersuchungsraum Mensch umschließt in einem Rechteck die 55 dB(A)-Kontur, er geht insbesondere in seiner Längsausdehnung über diese Kontur hinaus. Für 111 innerhalb des Untersuchungsraums Mensch gelegene Immissionsorte sind die Änderungen des Dauerschallpegels ermittelt worden. Für Immissionsorte am äußersten Rand des Untersuchungsraums Mensch haben sich Dauerschallpegel bis hinab zu einem Leq(3), Tag = 50 dB(A) und vereinzelt sogar darunter ergeben. Auch diese Belastungen hat der Beklagte in die Abwägung einbezogen. Ausgehend von diesen Kriterien für die Abwägungserheblichkeit des Fluglärms – das Bundesverwaltungsgericht hat die Abwägung in seinem Urteil vom 16.03.20065 insoweit nicht beanstandet – kann jedenfalls für Teltow, vermutlich auch für Kleinmachnow, möglicherweise darüber hinaus für einzelne weitere Gemeinden nicht ausgeschlossen werden, dass bei von der Grobplanung abweichenden Flugverfahren jedenfalls Teile des Gemeindegebiets von abwägungserheblichem Fluglärm betroffen werden. Die Planunterlagen hätten auch in diesen Gemeinden ausgelegt werden müssen.
Die genaue Abgrenzung des Auslegungsgebiets kann offen bleiben. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass sich die Kläger, in deren Gemeinden der Plan ausgelegt war, auf die fehlende Beteiligung der Öffentlichkeit in anderen Gemeinden berufen können. Denn gemäß § 10 Abs. 8 Satz 2 Halbs. 2 LuftVG, § 1 VwVfGBbg i.V.m. § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses nicht allein wegen einer Verletzung von Verfahrensvorschriften beansprucht werden, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Ergebnisrelevanz in diesem Sinne liegt vor, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Verfahrensfehler eine andere Entscheidung getroffen worden wäre; eine nur abstrakte Möglichkeit einer anderen Entscheidung genügt nicht6.
Ausgehend von dem Abwägungskonzept, das dem Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung (LEP FS) vom 28.10.20037 und der Zulassung des Vorhabens im Planfeststellungsbeschluss vom 13.08.2004 zugrunde liegt, und der im Planfeststellungsverfahren erfolgten Beteiligung der Öffentlichkeit – für den LEP FS 2003 war eine Umweltprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung noch nicht erforderlich8 – kann ausgeschlossen werden, dass der Ausbau des Flughafens nach einer Beteiligung der Öffentlichkeit in Teltow und den in Betracht kommenden weiteren Gemeinden nicht zugelassen worden wäre oder die Abwägung der in Betracht kommenden Bahnkonfigurationen zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Die Entscheidung über die Wahl des Flughafenstandorts ist im LEP FS 2003 getroffen worden9. Für den Vergleich mit dem bestehenden Berliner Flughafensystem waren im Rahmen der Landesplanung die Betroffenheiten innerhalb der nach dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm i.d.F. der Bekanntmachung vom 30.03.197110 berechneten 62 dB(A)-Kontur maßgebend11. Das Gebiet, in dem der Plan ausgelegt war, umschließt – mit Ausnahme der Gemeinde Teltow, in der der Plan nicht ausgelegt war – die möglichen 62 dB(A)-Konturen; es geht in weiten Teilen sogar deutlich darüber hinaus. Die für die Grobplanung der Flugrouten berechnete 62 dB(A)-Kontur hat eine Längsausdehnung von etwa 27 km; sie ist im Westen länger als im Osten. Die Planunterlagen waren im Nordwesten des Flughafens u.a. im Amt Ludwigsfelde Land, dem u.a. die Gemeinden Ahrensdorf, Großbeeren und Osdorf angehörten, im Amt Stahnsdorf und im Berliner Bezirk Tempelhof-Neukölln, im Nordosten im großflächigen Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, im Amt Rüdersdorf und in der Gemeinde Woltersdorf, im Südosten in den Ämtern Grünheide, Spreenhagen, Unteres Dahmeland und Mittenwalde, in der Stadt Königs Wusterhausen und der Gemeinde Wildau und im Südwesten in den Ämtern Zossen, Rangsdorf, Trebbin und Ludwigsfelde-Land mit den Gemeinden Genshagen, Gröben, Kerzendorf, Löwenbruch, Siethen und Wietstock ausgelegt. Beteiligt wurde die Öffentlichkeit mithin nicht nur in einem langgezogenen Gebiet, das die für die Grobplanung der Flugrouten ermittelten Betroffenheiten abdeckt; das Auslegungsgebiet erstreckte sich vielmehr im Norden bis an die nördliche Grenze der Berliner Bezirke Tempelhof-Neukölln und Treptow-Köpenick, im Süden bis nach Mittenwalde und Zossen. Lediglich Teile des westlichen Siedlungsgebiets von Teltow könnten bei von der Grobplanung abweichenden Flugrouten innerhalb einer 62 dB(A)-Kontur liegen. Angesichts der erheblichen Toleranzen, mit denen der Träger der Landesplanung bei dem Vergleich der Lärmbetroffenheiten mit dem bestehenden Berliner Flughafensystem gearbeitet hat12, hätten diese Betroffenheiten weder das Abwägungsergebnis des Trägers der Landesplanung noch die Durchsetzung des zielförmig festgelegten Standorts in der fachplanerischen Abwägung des Beklagten in Frage stellen können. Die übrigen Gemeinden, in denen der Plan möglicherweise zusätzlich hätte ausgelegt werden müssen, liegen unabhängig von den Flugrouten weit außerhalb der möglichen 62 dB(A)-Konturen am äußersten Rand des möglichen Einwirkungsbereichs.
Für den Vergleich mit den Alternativstandorten Sperenberg und Jüterbog hat der Träger der Landesplanung es bei der Feststellung belassen, dass aufgrund der geringen Besiedlungsdichte des äußeren Entwicklungsraums ein Neubaustandort zu einer deutlich geringeren Anzahl von Betroffenen würde führen können als ein Standort im dichter besiedelten engeren Verflechtungsraum (Nr. 5.2 zu Z 1 LEP FS 2003). Dem hat er entgegengehalten, dass ein stadtfernerer Standort die hoch zu gewichtenden Kriterien der Nähe zum Hauptaufkommensgebiet, der Verkehrsanbindung und der Schaffung wirtschaftlicher Entwicklungspotentiale in deutlich geringerem Maße erfüllen könnte als ein stadtnaher Standort wie Schönefeld (Nr. 6 zu Z 1 LEP FS 2003)13. Dass das Ergebnis der Abwägung des Trägers der Landesplanung oder die Durchsetzung des zielförmig festgelegten Standorts in der fachplanerischen Abwägung des Beklagten hätte in Frage gestellt werden können, wenn auch die Öffentlichkeit in Teltow, Kleinmachnow und gegebenenfalls weiteren möglicherweise betroffenen Gemeinden beteiligt worden wäre, kann ausgeschlossen werden. Die raumplanerische Einordnung des Standorts als Standort im dichter besiedelten engeren Verflechtungsbereich, aber außerhalb des Verdichtungsbereichs hätte sich durch die Beteiligung der Öffentlichkeit in weiter entfernten Gemeinden nicht verändert. Für die fachplanerische Abwägung hat der Beklagte in erster Linie auf die Betroffenheiten innerhalb des Tag- und des Nachtschutzgebiets abgestellt14. Die Anzahl der nur abwägungserheblich Betroffenen und die Fläche des insoweit betroffenen Gebiets hat er nicht ermitteln lassen. Angesichts der hohen Gewichtung der schweren Betroffenheiten hätte eine zusätzliche Beteiligung weiterer möglicherweise am unteren Rande der Abwägungserheblichkeit Betroffener das Abwägungsergebnis nicht verändern können. Die Öffentlichkeit in den genannten Gemeinden musste im Übrigen nicht beteiligt werden, weil sich ihre Betroffenheit mit den ausgehend von der Grobplanung der Flugrouten ermittelten Betroffenheiten kumuliert hätte, sondern weil bei der Öffentlichkeitsbeteiligung alternativen Flugroutengestaltungen und damit alternativen Betroffenheiten Rechnung getragen werden musste. Die neuen Einwender hätten keine anderen Betroffenheiten als die im Planfeststellungsverfahren beteiligten Einwender geltend machen können. Zusätzlich hätten sie lediglich geltend machen können, die Planfeststellungsbehörde müsse Vorgaben für die Festlegung der Flugverfahren prüfen, um die Abgewogenheit der Vorhabenzulassung am Standort Schönefeld auch für den Fall sicherzustellen, dass von der prognostischen Grobplanung abweichende Flugverfahren festgelegt werden15. Das Fehlen einer solchen Vorgabe hätte aber nicht zu einer Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, sondern allenfalls zu seiner Ergänzung führen können.
Dass die Abwägung der möglichen Bahnkonfigurationen zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, kann ebenfalls ausgeschlossen werden. Die Gemeinden, die möglicherweise zusätzlich hätten beteiligt werden müssen, liegen nördlich der bereits vorhandenen Nordbahn. Eine Parallelverschiebung dieser Bahn war nicht Gegenstand der Konfigurationsanalyse. Unabhängig hiervon wurden in dieser Analyse nur Betroffenheiten bis hinab zu einem Dauerschallpegel von Leq(3), Tag = 62 dB(A) als abwägungserheblich angesehen. Diese Kontur ist wegen des anderen Berechnungsverfahrens mit einer Längsausdehnung von weniger als 20 km deutlich kürzer als die nach dem Fluglärmschutzgesetz a.F. berechnete 62 dB(A)-Kontur16. Weder die Gemeinde Teltow noch die anderen Gemeinden, deren Öffentlichkeit möglicherweise zusätzlich hätte beteiligt werden müssen, liegen innerhalb des für die Konfigurationsanalyse relevanten Gebiets.
Die Berücksichtigung der fehlenden Kausalität des Verfahrensfehlers für das Entscheidungsergebnis ist auch mit Unionsrecht vereinbar; daran besteht im vorliegenden Fall kein vernünftiger Zweifel. Die Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit in den genannten Gemeinden dürfte allerdings gemäß Art. 6 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27.06.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten17 in der durch die Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 03.03.199718 geänderten Fassung auch gemeinschaftsrechtlich geboten gewesen sein. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen es bei Anfechtungsklagen mit Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten19 – vormals Art. 10a UVP-RL in der durch die Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie geänderten Fassung20 – vereinbar ist, der Klage den Erfolg zu versagen, wenn ein Verfahrensfehler nicht in dem dargelegten Sinne für das Entscheidungsergebnis kausal geworden ist, kann offen bleiben21. Gleiches gilt für die Frage, ob die Anwendbarkeit des Art. 11, vormals 10a UVP-RL in zeitlicher Hinsicht auch dann zu bejahen ist, wenn vor Ablauf der Umsetzungsfrist (25.06.2005) das Planfeststellungsverfahren eingeleitet wurde und auch der Planfeststellungsbeschluss ergangen ist, das Gericht aber erst nach Ablauf der Umsetzungsfrist über die Anfechtungsklage entscheidet. Art. 11 Abs. 1, vormals 10a Abs. 1 UVP-RL regelt den Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren nur für die Anfechtung von Entscheidungen, Handlungen und Unterlassungen, für die die Bestimmungen der UVP-Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten. Im vorliegenden Verfahren geht es nicht um die Anfechtung des Planfeststellungsbeschlusses vom 13.08.2004. Der Planfeststellungsbeschluss ist den Klägern gegenüber unanfechtbar geworden und zwar bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie. Die Kläger haben von der Möglichkeit, den Planfeststellungsbeschluss anzufechten, keinen Gebrauch gemacht. Die Prüfung der materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses erfolgt hier in einem nach nationalem Recht zusätzlich zur Anfechtung eröffneten Rücknahmeverfahren, in dem ein rechtswidriger Planfeststellungsbeschluss nach pflichtgemäßem Ermessen zurückgenommen werden kann, abgesehen vom Ausnahmefall einer Ermessensreduzierung auf Null aber nicht zurückgenommen werden muss. Anforderungen an ein solches, zusätzlich zur Anfechtung eröffnetes, auf Rücknahme der Planungsentscheidung gerichtetes Verfahren sind Art. 11, vormals 10a UVP-RL, soweit es um die Relevanz von Verfahrensfehlern für den Erfolg der Klage geht, nicht zu entnehmen. Das gilt jedenfalls, wenn es – wie hier – um eine bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie unanfechtbar gewordene Entscheidung geht und die gerichtliche Entscheidung im Anfechtungsprozess nicht auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruht22. Letzteres war hier schon deshalb nicht der Fall, weil die Kläger im Anfechtungsprozess die Frage, ob die Öffentlichkeit in räumlicher Hinsicht ausreichend beteiligt wurde, weder nach nationalem Recht noch nach Gemeinschaftsrecht aufgeworfen hatten.
Untersuchungsraum Mensch
Die Umweltverträglichkeitsprüfung leidet an einem weiteren Fehler, der für die materielle Rechtsposition der Kläger hätte relevant sein können. Der Untersuchungsraum Mensch hätte für die betriebsbedingten Auswirkungen des Vorhabens nicht auf der Grundlage der Grobplanung der Flugrouten abgegrenzt werden dürfen; er hätte den gesamten räumlichen Bereich umfassen müssen, in dem abwägungserhebliche Beeinträchtigungen möglich sind, jedenfalls aber den 15°-Toleranzbereich.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG umfasst die Umweltverträglichkeitsprüfung die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens auf die im Gesetz genannten Schutzgüter. Sie erfordert u.a. eine Beschreibung der Umwelt und ihrer Bestandteile im Einwirkungsbereich des Vorhabens (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 UVPG). Um den Einwirkungsbereich des Vorhabens zu bestimmen, ist eine Prognose der voraussichtlichen Auswirkungen erforderlich23. Diese Prognose darf sich nicht auf die Betrachtung bestimmter, für die Lärmbetroffenheiten repräsentativer Flugrouten beschränken; die Umweltverträglichkeitsprüfung muss sich vielmehr räumlich auf den gesamten Einwirkungsbereich des Flughafens erstrecken, in dem abwägungserhebliche Auswirkungen des Vorhabens möglich sind. Eine Beschränkung ihres Prüfungsumfangs kommt in Betracht, wenn bereits bei der Auswahl des Flughafenstandorts auf der Ebene der Landesplanung eine Umweltprüfung stattgefunden hat (vgl. § 14f Abs. 3 Satz 3, § 16 Abs. 2 und 4 UVPG). Das war hier jedoch nicht der Fall24. Allerdings muss nicht der gesamte Einwirkungsbereich des Flughafens in derselben Intensität untersucht werden. Eine detaillierte Ermittlung und Beschreibung der betriebsbedingten Auswirkungen des Vorhabens ist in der Regel nur für die der Planfeststellung zugrunde gelegte, mit dem BAF oder der DFS abgestimmte Grobplanung der Flugrouten erforderlich. Darüber hinaus ist es erforderlich, in der Regel aber auch ausreichend, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung die im Rahmen der Abwägung zu treffende Entscheidung vorbereitet, ob sich die Zulassung des Vorhabens nur rechtfertigen lässt, wenn bestimmte Gebiete von erheblichen Beeinträchtigungen durch Fluglärm verschont bleiben25.
Im vorliegenden Fall hätte die Umweltverträglichkeitsprüfung jedenfalls den von der DFS für die Abflugrouten geforderten 15°-Toleranzbereich in den Untersuchungsraum Mensch einbeziehen müssen. Für das Schutzgut Mensch sind nicht nur die Lärmbeeinträchtigungen der Wohn- und Wohnumfeldnutzungen in den Siedlungsgebieten relevant; zu ermitteln sind auch die Auswirkungen des Flugbetriebs auf die Erholungs- und Freizeitnutzungen. Insoweit lässt sich die Wertigkeit von Flächen erst nach deren Erfassung in der Umweltverträglichkeitsprüfung beurteilen; eine Grobanalyse der Siedlungsstrukturen innerhalb des 15°-Toleranzbereichs ist hierfür – anders als für die Wohn- und Wohnumfeldnutzungen in den Siedlungsgebieten – nicht ausreichend.
Auch dieser Fehler ist für die Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld jedoch nicht kausal geworden. Dass eine Einbeziehung des 15°-Toleranzbereichs das Gewicht des Schutzguts Mensch abwägungserheblich verändert hätte, kann ausgeschlossen werden. Für die Siedlungsflächen ist das bereits dargelegt worden26; im Übrigen kann auf die Ausführungen zur materiellen Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses Bezug genommen werden. Die schutzbedürftigen Einrichtungen befinden sich in aller Regel innerhalb der Siedlungsflächen. Auch für die Flächen für Erholung und Freizeit gilt im Ergebnis nichts anderes. Die Umweltverträglichkeitsstudie – Schutzgut Mensch – hat die Flächen für Erholungsnutzung und Freizeitinfrastruktur nach vier Bedeutungs- bzw. Empfindlichkeitsstufen bewertet und kartiert. Im Nahbereich des Flughafens, d.h. östlich der Siedlungsachse Berlin-Lichtenrade, Blankenfelde-Mahlow und westlich der Siedlungsachse Bohnsdorf, Schulzendorf, Eichwalde, Zeuthen liegen nach den Plänen 5.4-1 und 5.4-2 weder unter den geradlinigen noch unter um bis zu 15° abknickenden Abflugrouten größere oder zusammenhängende Erholungsgebiete. In Betriebsrichtung Osten überqueren die geradlinigen Abflugrouten östlich der genannten Siedlungsachse abgesehen von weiteren Siedlungsflächen nahezu ausschließlich Erholungsgebiete der höchsten Wertigkeitsstufe. Für die Erholungsnutzungen können um bis zu 15° abknickende Abflugrouten nicht ungünstiger sein. In Betriebsrichtung Westen überqueren die geradlinigen Abflugrouten westlich der Siedlungsachse Lichtenrade, Blankenfelde-Mahlow Erholungsflächen der zweithöchsten, aber kaum der höchsten Kategorie. Dass dies bei nach Süden abknickenden Abflugrouten, insbesondere im Nordosten des Rangsdorfer Sees ungünstiger wäre, ist möglich. Schon im untersuchten Raum ist erkennbar, dass um 15° abknickende Routen in das der höchsten Wertigkeitsstufe zugerechnete Erholungsgebiet der Dahlewitzer Heide führen würden. Diese zusätzliche Belastung würde jedoch dadurch kompensiert, dass die abknickende Route Siedlungsgebiete der höchsten Wertigkeitsstufe in Blankenfelde entlasten würde27. Eine nach Norden abknickende Abflugroute würde ein festgesetztes Landschaftsschutzgebiet überqueren; das gilt jedoch auch für die geradlinigen Abflugrouten. Anhaltspunkte dafür, dass die abknickende Route für die Erholungs- und Freizeitnutzungen erheblich ungünstiger sein könnte, sind nicht ersichtlich.
Die fehlende Untersuchung des Einwirkungsbereichs des Flughafens außerhalb des 15°-Toleranzbereichs ist für die Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld ebenfalls nicht kausal geworden. Da um bis zu 15° abknickende Abflugrouten das Gewicht des Schutzguts Mensch auch unter Berücksichtigung der Erholungsnutzungen nicht abwägungserheblich verändern würden, hätten Erholungsflächen außerhalb des Toleranzbereichs – nicht anders als Siedlungsflächen – allenfalls zu Vorgaben für die Festlegung der Flugverfahren, nicht aber zur Planaufhebung führen können15.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31. Juli 2012 – 4 A 7001.11
- Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl.2012, § 73 Rn. 41 f.; Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl.2008, § 73 Rn. 30[↩]
- BVerwG, Urteil vom 13.10.2011 – 4 A 4001.10, BVerwGE 141, 1 Rn. 147[↩]
- BVerwG, Urteil vom 13.10.2011 a.a.O. Rn. 147[↩]
- vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 31.07.2012 – 4 A 5000.10 u.a., Rn. 45 ff., B.II.1[↩]
- BVerwG, URteil vom 16.03.2006 – 4 A 1075.04, BVerwGE 125, 116[↩]
- BVerwG, Urteile vom 08.06.1995 – 4 C 4.94, BVerwGE 98, 339, 361 f.; vom 25.01.1996 – 4 C 5.95, BVerwGE 100, 238, 250; vom 13.12.2007 – 4 C 9.06, BVerwGE 130, 83 Rn. 38; und vom 24.11.2011 – 9 A 23.10, m.w.N.[↩]
- GVBl Bbg II S. 593[↩]
- BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 a.a.O. Rn. 151[↩]
- BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 a.a.O. Rn. 54[↩]
- BGBl I S. 282 mit späteren Änderungen – im Folgenden: FluglärmG a.F.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteile vom 16.03.2006 a.a.O. Rn. 109 f.; und vom 31.07.2012 – 4 A 5000.10 u.a., Rn. 66, B.IV.1.1[↩]
- BVerwG, Urteil vom 31.07.2012 – 4 A 5000.10 u.a., Rn. 67, B.IV.1.1[↩]
- BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 a.a.O. Rn. 156[↩]
- BVerwG, Urteil vom 31.07.2012 – 4 A 5000.10 u.a., Rn. 81 ff., B.IV.01.02.1[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 31.07.2012 – 4 A 5000.10 u.a., Rn. 51, B.II.1[↩][↩]
- vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.07.2012 – 4 A 5000.10 u.a., Rn. 66, B.IV.1.1[↩]
- ABl.EG Nr. L 175 S. 40[↩]
- ABl.EG Nr. L 73 S. 5[↩]
- ABI EG 2012 Nr. L 26 S. 1[↩]
- Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.05.2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten, ABl.EG Nr. L 156 S. 17[↩]
- vgl. hierzu BVerwG, Vorlagebeschluss vom 10.01.2012 – 7 C 20.11, ZUR 2012, 248[↩]
- vgl. EuGH, Urteile vom 13.01.2004 – C-453/00 [Kühne & Heitz], Slg. 2004, I-837; und vom 12.02.2008 – C-2/06 [Kempter], Slg. 2008, I-411[↩]
- Bunge, in: Handbuch der Umweltverträglichkeitsprüfung, Stand Juni 2012, § 1 Rn. 18, § 2 Rn. 78; Appold, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl.2012, § 2 Rn. 55[↩]
- BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 – 4 A 1075.04, BVerwGE 125, 116 Rn. 74, 151[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 31.07.2012 – 4 A 5000.10 u.a., Rn. 51, B.II.01.[↩]
- BVerwG, Urteile vom 13.10.2011 a.a.O. Rn. 150 und vom 31.07.2012 – 4 A 5000.10 u.a., Rn. 68 ff., 78 ff., B.IV.01.1 und 1.2[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 13.10.2011 a.a.O. Rn. 159[↩]