Bindet sich die Gemeinde in einem gerichtlichen Vergleich gegenüber dem Kläger an die Festsetzungen eines Bebauungsplans und verzichtet insoweit auf ihr Planungsrecht, verstößt dies gegen § 1 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 und Abs. 8 BauGB1.

Unzulässig ist auch eine Vergleichsregelung, die den Bauantragsteller und die Gemeinde an die Festsetzungen eines unwirksamen Bebauungsplans bindet und damit bebauungsplanersetzende Wirkung hat. Bebauungsplanersetzende Verträge verstoßen gegen den Grundsatz der Planmäßigkeit nach § 1 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 BauGB2.
Eine zwingende Grenze folgt ferner aus dem über § 10 BauGB geltenden gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtssatz, dass die spätere Norm die frühere verdrängt3. Der Vergleichsbestimmung darf daher jedenfalls dann keine Wirkung mehr beigemessen werden, wenn der von ihr in Bezug genommene Bebauungsplan Nr.206 N durch eine wirksame Neuplanung ersetzt wird. Dagegen ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur zeitlichen Beschränkung eines Anerkenntnisses nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB auf den Zeitraum bis zur Bekanntmachung4 auf die Vergleichsbestimmung nicht übertragbar. Anders als das Anerkenntnis zielt eine vergleichsweise Regelung nicht stets auf die Überbrückung eines – eher kurzen – Zeitraums bis zur Bekanntmachung eines neuen Bebauungsplans. Es ist daher eine Frage der Auslegung, ob die Wirkung eines Vergleichs mit der Bekanntmachung eines neuen Bebauungsplans auch dann enden soll, wenn sich dieser als unwirksam erweist.
Zu prüfen ist, ob die Vergleichsbestimmung als vertraglich vereinbarte Nutzungsbeschränkung bzw. als Verzicht auf die Geltendmachung eines bei Unwirksamkeit des Bebauungsplans möglicherweise bestehenden Baurechts verstanden werden kann5. Für diesen Fall wird sich das Gericht mit der Zulässigkeit und Angemessenheit einer solchen Vereinbarung im gesamten Regelungskontext des Vergleichs befassen müssen (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB und § 59 Abs. 1 VwVfG NW i. V. m. § 138 Abs. 2 BGB). Das gilt insbesondere auch für die Geltungsdauer der Vergleichsbestimmung.
Maßgeblich ist der festzustellende Vergleichszweck: Ging es beim Abschluss des Vergleichs vorrangig darum, die Unsicherheit über die Wirkung des bestehenden Planungsrechts zu bewältigen oder sollte vorrangig der Prozess einer zukünftigen Planung gesichert werden? Im ersten Fall wäre zu prüfen, ob ein dauerhafter Verzicht die Klägerin unangemessen benachteiligt oder die Unsicherheit über das Bestehen eines Baurechts im Vergleich an anderer Stelle zu ihren Gunsten aufgelöst worden ist. Zu erwägen ist auch, ob der Vergleichsbestimmung insoweit nach dem Willen der Vergleichsparteien von vornherein eine zeitliche Begrenzung innewohnt, etwa im Sinne des vorliegend im Vergleich geregelten fünfjährigen Moratoriums, und was aus dem Begriff „mittelfristig“ in der Präambel des Vergleichs folgt. Im zweiten Fall wäre zu überlegen, ob die Aufgabe der Planungsabsichten oder das endgültige Scheitern einer Neuplanung nicht zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage führen.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 6. Dezember 2022 – 4 C 7.21
- vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.12.2005 – 4 BN 40.05, Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 123 Rn. 5; und vom 02.01.2012 – 4 BN 32.11 – ZfBR 2012, 259 Rn. 7 m. w. N.[↩]
- vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 08.03.2012 – 12 LB 244/10 – ZfBR 2012, 371 <371 f.> VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.07.2017 – 5 S 1867/15, NVwZ-RR 2017, 793 <795> Bank, in: Brügelmann, BauGB, Stand Oktober 2022, § 11 Rn. 50a; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2022, § 11 Rn. 43; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl.2022 § 1 Rn. 18; Kukk, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl.2019, § 11 Rn. 38[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 10.08.1990 – 4 C 3.90, BVerwGE 85, 289 Ls. 1 und Beschluss vom 16.05.2017 – 4 B 24.16 – ZfBR 2017, 682 Rn. 4 m. w. N.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 12.12.2018 – 4 C 6.17, BVerwGE 164, 40 Rn. 22 ff.[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 02.12.2009 – 4 B 74.09 – ZfBR 2010, 138 Rn. 2[↩]