Die Glaubhaftmachung einer Abgeordnetentätigkeit bei einer Kontrolle aufgrund der SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung umfasst nicht die Offenbarung von Informationen, die vom Zeugnisverweigerungsrecht erfasst sind. Durch die Verordnung ist der Abgeordnete weder in seinen Rechten als Abgeordneter, noch in seinen Grundrechten als Bürger betroffen.

Mit dieser Begründung hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin in dem hier vorliegenden Fall einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Berliner Verordnung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV‑2 (SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung) abgelehnt. Ein Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin hat den Antrag gestellt, da er sich in seinem Recht auf das freie Mandat aus Art. 38 Abs. 4 VvB verletzt sah. Außerdem rügte er einen Verstoß gegen Art. 64 Abs. 1 VvB, wonach der Senat Rechtsverordnungen wie die SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung nur erlassen kann, wenn er hierzu durch ein Gesetz ermächtigt worden ist.
Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin sind die in der Hauptsache im Organstreit und mit einer Verfassungsbeschwerde verfolgten Anträge teils unzulässig, teils offensichtlich unbegründet. Wenn das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens in dieser Weise auf der Hand liegt, muss nach ständiger verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung auch ein darauf bezogenes Eilrechtsschutzersuchen abgelehnt werden.
Der Abgeordnete wandte sich mit der Geltendmachung des freien Mandats gegen § 14
Abs. 2 in Verbindung mit Absatz 3 Buchstabe a der SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung. Danach müssen Abgeordnete, wenn Sie wegen Ihrer Abgeordnetentätigkeit Ihre Wohnung verlassen, diesen Grund bei einer Kontrolle durch die Polizei oder die zuständigen Ordnungsbehörden glaubhaft machen. Der Abgeordnete argumentierte, dass die Regelung so unbestimmt sei, dass er in der Ausübung seines Mandats beschränkt werde, insbesondere dass er durch sein mandatsbezogenes Zeugnisverweigerungsrecht geschützte Informationen preisgeben müsse. Der Verfassungsgerichtshof hält dieses Vorbringen für offensichtlich unbegründet. Für die Glaubhaftmachung könne von ihm nicht mehr verlangt werden, als dass er sich als Abgeordneter ausweise und versichere, dass er mandatsbezogen seine Wohnung verlassen habe. Eine weitergehende Kontrolle auch nur der Plausibilität seiner Erklärung habe zu unterbleiben. Das gebiete die Bedeutung des freien Mandats und der Funktionsfähigkeit der Legislative – wie sie auch in § 1 Abs. 2 der SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung zum Ausdruck komme, wonach sich die Parlamentarier versammeln dürfen. Die Glaubhaftmachung umfasse damit auch nicht die Offenbarung von Informationen, die vom Zeugnisverweigerungsrecht erfasst sind.
Soweit der Antragsteller das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage rügte, hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass er weder in seinen Rechten als Abgeordneter, noch in seinen Grundrechten als Bürger betroffen ist.
Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom17. April 2020 – VerfGH 51 A/20
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