Der NPD-Stadtrat auf dem Rheinland-Pfalz-Tag

Hat ein Oberbürgermeister alle Mitglieder eines Stadtrates entsprechend dem Gleichbehandlungsgebot unabhängig von ihrer politischen Parteizugehörigkeit nur aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Stadtrat auf die Ehrentribüne anlässlich eines Festes eingeladen, ist er an das Auswahlkriterium „Mitgliedschaft im Stadtrat“ gebunden und kann nicht ein Stadtratsmitglied wegen der Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen – aber unerwünschten – Partei wieder ausladen.

Der NPD-Stadtrat auf dem Rheinland-Pfalz-Tag

So das Verwaltungsgericht Neustadt in dem hier vorliegenden Fall eines Eilantrages des Stadtratsmitgliedes Markus Walter, der sich gegen die Ausladung, während des Festumzuges zum Rheinland-Pfalz-Tag auf der kommunalen Ehrentribüne Platz zu nehmen, gewehrt hat. Vom 21. bis zum 23. Juni 2013 findet der 30. Rheinland-Pfalz-Tag in Pirmasens statt. Am Sonntag, den 23. Juni, läuft ab 13 Uhr der große Festzug durch die Pirmasenser Innenstadt. Auf dem Parkplatz am oberen Schlossplatz wird es eine Ehrentribüne geben, die unter anderem mit Vertretern der rheinland-pfälzischen Landes- und Kommunalpolitik besetzt sein wird.

Der Antragsteller ist für die NPD seit 2009 Mitglied im Stadtrat von Pirmasens. Mit Schreiben vom 10. Juni 2013 lud der Oberbürgermeister der Stadt Pirmasens neben dem Stadtvorstand, Firmenvertretern, ausgewählten ehrenamtlich Engagierten, Sponsoren und Vertretern von Stiftungen auch alle Mitglieder des Stadtrates sowie jeweils eine Begleitperson für den 23. Juni 2013 auf die Ehrentribüne ein. Nachdem der Antragsteller die Einladung angenommen hatte, erschien am 15. Juni 2013 in der „Rheinpfalz“ ein Kommentar eines Redakteurs, der dazu aufrief, den Antragsteller von seinem Platz auf der Ehrentribüne wieder auszuladen. Am 18. Juni 2013 widerrief der Oberbürgermeister der Stadt in Abstimmung mit dem Land Rheinland-Pfalz gegenüber dem Antragsteller die zuvor ausgesprochene Einladung auf die Ehrentribüne und wies ihn darauf hin, dass er und seine Begleitung am Veranstaltungstag keinen Zutritt zur Ehrentribüne erhalten würden. Dies begründete der Oberbürgermeister damit, der Antragsteller missbrauche seine Einladung auf die kommunale Ehrentribüne anlässlich des Umzuges des Rheinland-Pfalz-Tages, um parteipolitische Agitation zu betreiben.

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Daraufhin wandte sich der Antragsteller an das Verwaltungsgericht mit einem Eilantrag gegen die Stadt Pirmasens und machte geltend, es treffe nicht zu, dass er seine Einladung auf die Ehrentribüne unzulässigerweise öffentlich publiziert und sie zur „parteipolitischen Agitation“ missbraucht habe. Vielmehr habe er seine Einladung nur beiläufig als Neben- bzw. Schlusssatz in einer facebook-Meldung erwähnt.

Seine Entscheidung hat das Verwaltungsgericht Neustadt wie folgt begründet: Entsprechend dem Gleichbehandlungsgebot habe der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin alle Mitglieder des Stadtrates Pirmasens unabhängig von ihrer politischen Parteizugehörigkeit nur aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Stadtrat auf die Ehrentribüne anlässlich des Rheinland-Pfalz-Tages eingeladen. Die Ehre, auf dieser Tribüne sitzen zu dürfen, knüpfe für diesen Personenkreis allein an die Zugehörigkeit jedes Einzelnen zum Stadtrat an, ohne dass weitere Voraussetzungen für das Zuteilwerden dieser Ehre vorliegen müssten. Eine Prüfung, ob das eingeladene Ratsmitglied diese Ehre auch aufgrund anderer Umstände verdienen würde oder nicht, habe in keinem Fall stattgefunden. Demzufolge sei der Antragsteller, der für die NPD – einer nicht verbotenen Partei – im Stadtrat Pirmasens ein kommunales Mandat ausübe, ebenso wie alle anderen Stadtratsmitglieder allein wegen dieser Funktion zu dem Festumzug auf die Ehrentribüne eingeladen worden. Mit dem Auswahlkriterium „Mitgliedschaft im Stadtrat“ habe sich die Antragsgegnerin gebunden.

Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller auf der Ehrentribüne während des Festzuges sich parteipolitisch betätigen werde, seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Die bloße Anwesenheit des Antragstellers auf der Ehrentribüne stelle keine unerwünschte Parteiwerbung und Parteipräsenz dar. Denn sonst dürfte auch kein anderes Stadtratsmitglied während des Festumzugs auf der Ehrentribüne Platz nehmen, da diese ebenfalls in ihrer Funktion als Ratsmitglieder dort zugegen seien und deren jeweilige Parteizugehörigkeit zumindest den aus Pirmasens stammenden Festbesuchern bekannt sein dürfte. Wie im Übrigen auch die Parteizugehörigkeit der anwesenden Landespolitiker allgemein bekannt sei.

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Die nach der Annahme der Einladung durch den Antragsteller von der Antragsgegnerin ausgesprochene Ausladung am 18. Juni 2013 lasse sich nicht mit politischen Äußerungen des Antragstellers in der Zeit vor und nach der Einladung auf die Ehrentribüne der Stadt Pirmasens rechtfertigen. Mit der Mitteilung in dem facebook-Eintrag, der Antragsteller sei auf die Ehrentribüne am Schlossplatz eingeladen worden, und dem Aufruf, sich noch als Helfer für den Rheinland-Pfalz-Tag zu melden, liege keine „parteipolitische Agitation“, wie es in der Ausladung vom 18. Juni 2013 heiße. Denn mit Agitation werde eine aggressive Tätigkeit zur Beeinflussung anderer, vor allem in politischer Hinsicht, oder Hetze beschrieben. In der reinen Information über die Einladung und in dem Aufruf, sich als Helfer zur Verfügung zu stellen, liege aber kein Missbrauch der ausgesprochenen Einladung im Sinne einer parteipolitischen Agitation.

Verwaltungsgericht Neustadt, Beschluss vom 19. Juni 2013 – 3 L 520/13.NW –