Die Bestellung eines Bezirksschornsteinfegermeisters kann wegen fehlender persönlicher Zuverlässigkeit widerrufen werden, wenn dieser sich außerberuflich über mehrere Jahre hinweg an der öffentlichen Ehrung der Mörder des früheren deutschen Außenministers Walther Rathenau aktiv beteiligt hat und dazu weiterhin steht.

In dem jetzt vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall ist der 1958 geborene Kläger seit 1987 als Bezirksschornsteinfegermeister bestellt und war zuletzt für einen Kehrbezirk im Burgenlandkreis zuständig. Er betätigt sich aktiv für die Nationaldemokratische Partei (NPD), ohne Mitglied dieser Partei zu sein. Er ist seit dem Jahr 2004 Vorsitzender der NPD-Fraktion im Stadtrat von Laucha, seit 2007 Mitglied der NPD-Fraktion im Kreistag des Burgenlandkreises und hatte im Jahr 2005 als unabhängiger Kandidat auf der Landesliste Sachsen-Anhalt der NPD für die Wahlen zum Deutschen Bundestag kandidiert. In den Jahren 2001 bis 2004 sowie 2006 und 2007 nahm er an Veranstaltungen zum Gedenken an die Mörder des Außenministers der Weimarer Republik Walther Rathenau in Bad Kösen, Ortsteil Saaleck, teil, wo er 2004 an einer Kranzniederlegung mitwirkte und 2007 zudem eine Rede hielt. Weitere außerberufliche Aktivitäten des Klägers sind zwischen den Beteiligten umstritten.
Nachdem die zuständige Behörde, das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, im Jahre 2007 Kenntnis hiervon erhalten hatte, widerrief sie die Bestellung des Klägers als Bezirksschornsteinfegermeister für den Kehrbezirk Burgenlandkreis Nr. 16 mit der Begründung, dass der Kläger nicht die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Berufs besitze. Im Hinblick auf die von einem Bezirksschornsteinfegermeister wahrzunehmenden besonderen öffentlichen Aufgaben bestehe eine Loyalitätspflicht des Bezirksschornsteinfegermeisters zum Staat und zum Gefüge seiner Ordnung. Der Kläger habe eine Nähe zur menschen- und rechtsverachtenden Willkürherrschaft des Nationalsozialismus dokumentiert, die ihn für das Amt des Bezirksschornsteinfegermeisters untragbar mache.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte erstinstanzlich vor dem Verwaltungsgericht Hallo1 wie auch in der Berufungsinstanz vor dem Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt in Magdeburg2 Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht in Magdeburg begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die dem Kläger zur Last gelegten außerberuflichen politischen Betätigungen keinen zureichenden Grund dafür darstellten, seine Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister wegen fehlender persönlicher Zuverlässigkeit zu widerrufen; es fehle insoweit an dem erforderlichen Zusammenhang zwischen dem außerberuflichen Verhalten des Klägers mit seiner Tätigkeit als Bezirksschornsteinfegermeister. Auf die Revision des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt hat jetzt das Bundesverwaltungsgericht diese Urteile geändert und die Klage abgewiesen:
Das außerberufliche Verhalten dürfe, so das Bundesverwaltungsgericht, bei der Beurteilung, ob der Kläger verlässlich die Gewähr dafür biete, dass er bei der Ausübung seines Berufes die geltende Rechtsordnung und namentlich die Grundrechte seiner Kunden beachten werde, nicht ausgeblendet werden. Zwar unterlägen Bezirksschornsteinfegermeister nicht einer Pflicht zur Verfassungstreue, wie sie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Beamten vorausgesetzt werde. Anders als sonstige Gewerbetreibende seien sie aber bei der Feuerstättenschau, der Bauabnahme sowie der Überprüfung auf eine rationelle Energieverwendung mit öffentlichen Aufgaben betraut (beliehen) und als solche Glied der öffentlichen Verwaltung. Insofern unterlägen sie der allgemeinen Rechtsgebundenheit der Verwaltung und müssten insbesondere die Grundrechte ihrer Kunden beachten.
Durch seine jahrelange aktive Beteiligung an den „Totenehrungen“ für die Mörder Walther Rathenaus in Saaleck habe der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass für ihn selbst schwerste und zudem antisemitische Straftaten billigenswert und die Täter gar verehrungswürdig seien, sofern sie den von ihm für richtig gehaltenen Zielen dienten. Walther Rathenau sei in der Weimarer Republik wegen seines jüdischen Glaubens Ziel hasserfüllter antisemitischer Hetzkampagnen gewesen („Knallt ab den Walther Rathenau, die gottverdammte Judensau!“), was dem Kläger bekannt sei. Zudem habe der Kläger mit der Kranzniederlegung die nationalsozialistische Wertung des Rathenau-Mordes übernommen, was auch in dem Kranzschleifenaufdruck zum Ausdruck gekommen sei, den die NS-Machthaber 1933 als Inschrift auf dem Grabstein verwendet hätten.
Die Billigung der Ermordung eines Menschen u.a. wegen seines jüdischen Glaubens und die Ehrung der Mörder offenbare eine antisemitische und rassistische Grundhaltung, die elementare Grundrechte von Mitbürgern gering achte. Das sei für die Wahrnehmung der Berufsaufgaben eines Bezirksschornsteinfegermeisters von unmittelbarer Relevanz, wenn er etwa in Privathaushalten von Mitbürgern tätig werden solle. Dem komme erhöhte Bedeutung zu, weil die Eigentümer und Besitzer von Wohnungen verpflichtet seien, dem Bezirksschornsteinfegermeister den Zutritt zu ihren Wohnungen zu gestatten, und dem für ihren Bezirk zuständigen Bezirksschornsteinfegermeister nicht ausweichen könnten.
Das Vertrauen der Bürger in eine unparteiische und rechtsstaatliche Aufgabenwahrnehmung des Bezirksschornsteinfegermeisters werde erschüttert, wenn dieser durch außerberufliches Verhalten zu erkennen gebe, dass er die geltenden Gesetze und die Grundrechte von Mitbürgern – auch von ethnischen oder religiösen Minderheiten – nicht uneingeschränkt und verlässlich achte. Grundrechte des Klägers stünden dem Widerruf seiner Bestellung nicht entgegen.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 7. November 2012 – 8 C 28.11