Der Schulleiter, der nicht unterrichten will

Ein Schulleiter, der sich über mehrere Jahre in großem Umfang nicht im Stundenplan entsprechend den Vorgaben der Arbeitszeitverordnung für Lehrkräfte zum Unterricht einteilt, verletzt seine Pflicht zur Dienstleistung so schwer, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als angemessene Disziplinarmaßnahme indiziert ist.

Der Schulleiter, der nicht unterrichten will

In dem jetzt vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg entschiedenen Fall hatte der beklagte Schulleiter in den Schuljahren 2002/2003 bis 2005/2006 eine Unterrichtsverpflichtung von 15 Stunden Unterricht wöchentlich, da auf die Regelstundenzahl von 28 Wochenstunden wegen seiner Schulleitertätigkeit 13 Wochenstunden angerechnet wurden1. Tatsächlich erteilt hat der Beklagte jedoch – dies ist unstreitig – vom Schuljahr 2002/2003 bis zum April 2006 des Schuljahres 2005/2006 lediglich sechs Stunden Unterricht im Fach Werken. Er hat damit in den drei Schuljahren 2002/2003, 2003/2004 und 2004/2005 in jeweils 37 Unterrichtswochen jeweils neun Stunden, also 37 x 3 x 9 = 999 Stunden, sowie im Schuljahr 2005/2006 263 Stunden, insgesamt daher ca. 1.250 Stunden Unterricht zu wenig erteilt. Der Beklagte war in den genannten Schuljahren für die Erstellung des Stundenplans allein zuständig und unterlag keiner Kontrolle durch Dritte. Er hatte sich entgegen seiner ihm bekannten Verpflichtung in den Schuljahren 2002/2003, 2003/2004 und 2004/2005 lediglich für jeweils sechs Wochenstunden Unterricht im Fach Werken eingeteilt. Im Schuljahr 2005/2006 hatte er sich nur für zwölf Wochenstunden Unterricht eingeteilt, aber von diesen Stunden bis Ende April 2006 die vorgesehenen vier Wochenstunden „Arbeitsgemeinschaft Garten“ und zwei Wochenstunden „Parallelbesetzung Förderunterricht Mathematik“ in Klasse 4 tatsächlich nicht erteilt. Darüber hinaus teilte er sich von vornherein für drei weitere Wochenstunden nicht ein, um diese in das nächste Jahr schieben zu können, sodass er im Ergebnis ebenfalls neun Stunden Unterricht wöchentlich in diesem Schuljahr nicht erteilte.

Hierdurch hat der Beklagte seine Pflicht zur Beachtung der allgemeinen Vorschriften und Richtlinien (§ 63 Satz 3 NBG a. F., nunmehr § 35 Satz 2 BeamtStG) verletzt. Da er als Schulleiter für die Einhaltung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften (s. § 43 Abs. 2 Satz 2 NSchG) und die Erstellung des Stundenplans zuständig gewesen ist2, ist davon auszugehen, dass er sich bewusst nicht in dem nach der ArbZVO-Lehr 1999 bzw. 20043 vorgesehenen Umfang für den Unterricht eingeteilt bzw. in Bezug auf vier Wochenstunden „Arbeitsgemeinschaft Garten“ und zwei Wochenstunden „Parallelbesetzung Förderunterricht Mathematik“ Unterricht in der Klasse 4 des Schuljahres 2005/2006 nicht erteilt und damit vorsätzlich diese Dienstpflicht verletzt hat.

Darüber hinaus hat der Beklagte zugleich seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 62 Satz 3 NBG a. F., nunmehr § 34 Satz 3 BeamtStG) verletzt. Denn zu den Dienstpflichten der Lehrer und auch eines Schulleiters, soweit er nicht von seiner Unterrichtsverpflichtung befreit ist, gehören angesichts des umfassenden Bildungsauftrags der Schule (§ 2 NSchG) der Unterricht und die Erziehung der ihnen anvertrauten Schüler unter Beachtung der Elternrechte. Die Lehrer sollen die Schüler mit dem geltenden Wertesystem und den Moralvorstellungen der Gesellschaft bekannt machen und sie zu deren Einhaltung anhalten. Damit der Erziehungsauftrag erfüllt werden kann, ist von einem Lehrer besondere Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit zu verlangen4. Diesen Anforderungen ist der Beklagte mit seinem Verhalten nicht gerecht geworden, denn er hat dadurch, dass er sich im aufgezeigten Umfang bereits nicht zum Unterricht eingeteilt beziehungsweise eingeplanten Unterricht nicht erteilt hat, die besondere Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit nicht offenbart, die für die Erfüllung des Erziehungsauftrags erforderlich ist.

Ebenso hat der Beklagte seine aus § 62 Satz 1 NBG a. F. (nunmehr § 34 Satz 1 BeamtStG) resultierende Pflicht verletzt, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen. Hiernach hat er dem Dienstherrn seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und diese zu erhalten. Der Beamte hat seine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit voll einzubringen und die Dienstaufgaben engagiert zu erfüllen5. Dieser Pflicht ist der Beklagte durch die nicht vorschriftsgemäße Einteilung zum Unterricht im Stundenplan und die Nichterteilung von Unterricht nicht gerecht geworden.

Zweifel bestehen, ob der Beklagte auch die Pflicht zur uneigennützigen Verwaltung seines Amtes (§ 62 Satz 2 NBG a. F., nunmehr § 34 Satz 2 BeamtStG) missachtet hat. Hierfür könnte zwar sprechen, dass er seine Pflicht zur Unterrichtserteilung nach seinen eigenen Angaben in seiner persönlichen Erklärung vom 2. Juli 2006 aus Gründen des eigenen Ansehens und zum Erreichen seiner Vision, die Schule in ganz besonderer Weise als „Zauberschule“ zu profilieren, hinten angestellt hat. Jedoch hat der Beklagte nach seiner nicht widerlegten Einlassung an Stelle des Unterrichts andere schulische Belange wahrgenommen, so dass sich die dem Beklagten insoweit vorgeworfene Pflichtverletzung letztlich nicht feststellen lässt.

Indem der Beklagte Anfang April 2006 durch nachträgliches Abzeichnen der von ihm im Schuljahr 2005/2006 nicht erteilten zwei Wochenstunden „Parallelbesetzung Förderunterricht Mathematik“ im Klassenbuch versucht hat, die Erteilung des Unterrichts gegenüber seinen Vorgesetzten vorzutäuschen, hat der Beklagte vorsätzlich zum einen gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 62 Satz 3 NBG a. F., nunmehr § 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen, die dem Beamten im Rahmen seiner Amtsführung gebietet, unwahre Angaben zu unterlassen, und die Pflicht zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 63 Satz 1 NBG a. F., nunmehr § 35 Satz 1 BeamtStG) verletzt, da er mit der Vorlage des manipulierten Klassenbuches die Nichterteilung des Unterrichts gegenüber seinen Vorgesetzten zu verheimlichen versucht hat.

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Entgegen der nicht näher begründeten Auffassung des Dienstherren sieht das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht den Straftatbestand des § 267 StGB „Urkundenfälschung“ durch die Manipulation des Klassenbuches als nicht erfüllt an. Zu berücksichtigen ist, dass regelmäßig – wie auch hier – das Ausfüllen des Klassenbuches den einzelnen Lehrkräften für die von ihnen zu erteilenden Unterrichtsstunden obliegt6. Bis zu den jeweiligen inhaltlich unrichtigen Eintragungen des Beklagten hat daher noch keine Urkunde im Sinne des § 267 StGB vorgelegen. Der Beklagte hat mit den inhaltlich unrichtigen Eintragungen weder eine unechte Urkunde hergestellt noch eine echte Urkunde verfälscht, sondern lediglich eine schriftliche Lüge gefertigt. Ein schriftliche Lüge erfüllt den Straftatbestand des § 267 StGB nicht, weil der unwahre Inhalt einer Urkunde deren Echtheit nicht berührt7. Ebenso wenig liegen aus diesem Grund die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Annahme des Gebrauchens einer unechten oder verfälschten Urkunde vor.

Soweit dem Beklagten vorgeworfen wird, in den Jahren 2000 bis 2005 Zaubermaterialien mit Gesamtkosten von 19.731,41 € zu Lasten des Schuletats beschafft und nicht für schulische Zwecke eingesetzt zu haben, ist festzustellen, dass allein die Anschaffung der Zaubermaterialien nicht den Tatbestand der Dienstpflichtverletzung erfüllt. Auf Veranlassung des Beklagten hat seine Sekretärin Frau M. die angeschafften Materialien ordnungsgemäß inventarisiert. Der Beklagte hat die Rechnungen zur Zahlung gegenüber dem Schulamt der Stadt J. angeordnet, ohne dass von dort, insbesondere dem dortigen Rechnungsprüfungsamt, Nachfragen gekommen sind. Ob wegen der hohen Anschaffungskosten andere, wichtigere Gegenstände für die Schule nicht angeschafft werden konnten, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Allerdings ist dem Beklagten eine Verletzung seiner Pflichten zur uneigennützigen Verwaltung seines Amtes (§ 62 Satz 2 NBG a. F., nunmehr § 34 Satz 2 BeamtStG) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 62 Satz 3 NBG a. F., nunmehr § 34 Satz 3 BeamtStG) vorzuwerfen, weil er die in großem Umfang angeschafften Zaubermaterialien nicht in ausreichender Weise – abgesehen von zwei Zaubervorführungen an den Rosenmontagen in den Jahren 2004 und 2005 sowie im Rahmen einer kurzen Vorführung während einer Einschulungsfeier – für schulische Zwecke eingesetzt hat. Der Beklagte als Schulleiter trägt nach § 43 Abs. 1 NSchG die Gesamtverantwortung für die Schule und für deren Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung. Die Ausübung der Gesamtverantwortung umfasst hierbei nicht nur die Mittelbewirtschaftung, also die Verwaltung der Budgets nach § 43 Abs. 4 Nr. 3 NSchG, sondern auch den Einsatz der der Schule zur Verfügung stehenden sachlichen Mittel. Im Rahmen seiner Gesamtverantwortung hat der Schulleiter die sachlichen Mittel der Schule so einzusetzen, dass ihr Einsatz der Erfüllung des Bildungsauftrags der Schule im Sinne von § 2 NSchG dient. Dabei hat der Schulleiter nach § 62 Satz 2 NBG a. F. uneigennützig und nach bestem Gewissen zu handeln und nach § 62 Satz 3 NBG a. F. das Vertrauen, das ihm hinsichtlich der Ausübung seiner Gesamtverantwortung von seinem Dienstherrn und der Allgemeinheit entgegen gebracht wird, nicht zu enttäuschen. Beide Pflichten sieht der Senat als verletzt an, denn der Beklagte hat die aus finanziellen Mitteln der Schule angeschafften Zaubermaterialien zu keinem Zeitpunkt über einen Zeitraum von fünf Jahren den Schülern oder anderen Lehrern zur Erfüllung des Bildungsauftrags zur Verfügung gestellt. Es ist weder aus dem Vortrag des Beklagten noch aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlich, weshalb es nur dem Beklagten vorbehalten gewesen ist, die Zaubermaterialien zu benutzen. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Beklagte in dem gesamten Zeitraum seit dem Jahr 2000 auch nur ansatzweise Anstrengungen unternommen hat, andere Lehrkräfte zum pädagogischen Einsatz von Zaubermaterialien zu bewegen. Das Verhalten des Beklagten lässt vielmehr den Schluss zu, dass er mit der Anschaffung der Materialien seine privaten Interessen vorrangig befriedigt hat. Seine Einlassung, die Materialien seien für eine Zauberei-Arbeitsgemeinschaft angeschafft worden, die er aber noch nicht eingerichtet habe, da er sich erst mit den Materialien habe vertraut machen müssen, steht der Annahme einer Dienstpflichtverletzung daher nicht entgegen. Zudem war der Beklagte bereits im Jahre 2004 zu einer ca. 35-minütigen Zaubervorführung in der Lage. Er hat keine Gesichtspunkte vorgetragen, weshalb eine Zauberei-Arbeitsgemeinschaft nicht bereits im Schuljahr 2003/2004 hätte eingerichtet werden können.

Mit dem in tatsächlicher Hinsicht unstreitigen Vorwurf, der Beklagte habe die angeschafften Zaubermaterialien für Zaubervorführungen in den J. Kindergärten K. am 6. Juni 2004 und L. am 19. Juni 2004 genutzt, jeweils ein Entgelt in Höhe von 200 € pro Vorführung erhalten und nicht dem Schulhaushalt zugeführt, hat sich das Verwaltungsgericht in seinem Urteil nicht in der erforderlichen Weise auseinander gesetzt. Nach Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat der Beklagte durch die private Verwendung der ihm als Schulleiter anvertrauten und in den Inventarlisten der Schule aufgeführten Zaubermaterialien seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 62 Satz 3 NBG a. F., nunmehr § 34 Satz 3 BeamtStG) auch außerhalb des Dienstes verletzt. Nach den getroffenen Feststellungen aufgrund der Zeugenaussagen und den Einlassungen des Beklagten handelte es sich bei den Zaubervorführungen um private Veranstaltungen. Der Beklagte meint zwar, als Werbeträger für die Grundschule aufgetreten zu sein. Hiernach wären die Zaubervorführungen als dienstliche Veranstaltungen zu qualifizieren. Hiergegen spricht aber, dass nach der Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung die Initiative für die Zaubervorführungen nicht von dem Beklagten selbst, sondern von den Kindergartenleitungen ausgegangen ist. Zudem spricht gegen die Annahme einer dienstlichen Veranstaltung, dass der Beklagte die Durchführung dieser Veranstaltungen nicht auf dem Dienstweg mit dem Schulträger abgestimmt und darüber hinaus für diese Vorführungen Entgelte von jeweils 200,- € vereinbart und erhalten hat. Der Zahlung solcher Entgelte hätte es nicht bedurft, wenn die Vorführungen im schulischen Interesse gelegen hätten. In diesem Falle hätte es nahe gelegen, dass der Schulträger sämtliche Kosten trägt und der Beklagte diese nicht von den Kindergärten ersetzt verlangt. Hinzu kommt, dass der Kindergarten L. ohnehin im Zuständigkeitsbereich der Grundschule liegt und die diesen Kindergarten besuchenden Kinder auch ohne die Durchführung einer Werbeveranstaltung anschließend auf die Grundschule wechseln.

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Entgegen der Auffassung des Beklagten steht den Dienstpflichtverletzungen nicht entgegen, dass er als Schulleiter über den Einsatz der ihm zur Verfügung stehenden Mittel im Rahmen seiner Gesamtverantwortung verfügen konnte. Die Zaubermaterialien standen im Eigentum der Stadt J. in ihrer Eigenschaft als Schulträger. Denn die Stadt J. hat als Schulträger die Zaubermaterialien zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgabe erworben (s. § 96 Abs. 1 NGO). Die Aufgabe des Schulträgers erfüllt sie nach § 101 Abs. 2 NSchG im eigenen Wirkungskreis. Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 NSchG hat sie die sächlichen Kosten der öffentlichen Schulen zu tragen und dementsprechend die von dem Beklagten bestellten Zaubermaterialien bezahlt. Weder der Beklagte noch das Land Niedersachsen als Dienstherr des Beklagten haben Eigentum an den Zaubermaterialien erlangt. Aufgrund seiner Gesamtverantwortung war der Beklagte als Schulleiter gehalten, die Zaubermaterialien allein für schulische Zwecke zu nutzen. Deren Verwendung für die Vorführungen in den Kindergärten ist hiervon nicht gedeckt. Dem Schulträger ist hierdurch zunächst ein Schaden jedenfalls in Höhe der verbrauchten Zaubermaterialien entstanden. Zwar hat der Beklagte nach seinen unwidersprochenen Angaben die verwendeten Materialien wieder ersetzt. Dies berührt die Feststellung einer Dienstpflichtverletzung jedoch nicht, sondern ist allein bei der Maßnahmebemessung zu berücksichtigen.

Aus strafrechtlicher Sicht handelt es sich bei der Verwendung der Zaubermaterialien, soweit der Beklagte diese nach den Vorführungen wieder der Schule zur Verfügung gestellt hat, um eine nicht strafbewehrte Gebrauchsanmaßung8.

Demgegenüber hat sich der Beklagte nach Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hinsichtlich der während der Vorführungen verbrauchten Zaubermaterialien der veruntreuenden Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 2 StGB strafbar gemacht. Die in seinem Besitz befindlichen Zaubermaterialien sind ihm im Rahmen seiner Stellung als Schulleiter anvertraut gewesen. Er hat sich die Materialien mangels Einwilligung rechtswidrig zugeeignet, wobei die Zueignungsabsicht sich in deren Verbrauch manifestiert hat9. Da dem Beklagten bewusst gewesen ist, dass ihm die verbrauchten Zaubermaterialien nicht gehörten und bestimmungsgemäß nur für den schulischen Einsatz vorgesehen waren, ist von einem vorsätzlichen Handeln auszugehen. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Stadt J. einer solchen Verwendung zugestimmt hat oder – rechtfertigend – von ihrer mutmaßlichen Einwilligung auszugehen wäre. Die Einlassung des Beklagten, es sei von einer mutmaßlichen Einwilligung auszugehen, weil er mit den Vorführungen in den Kindergärten Werbung für die Grundschule habe machen wollen, steht der Annahme der strafrechtlichen Relevanz seines Verhaltens nicht entgegen. Bei der mutmaßlichen Einwilligung handelt es sich um einen notstandsähnlichen Rechtfertigungsgrund, der gegeben ist, wenn die Handlung im Interesse des Betroffenen vorgenommen wird und dieser vermutliche einwilligen würde, aber nicht rechtzeitig einwilligen kann10. Diese Voraussetzungen liegen hier ersichtlich nicht vor, da der Beklagte vor den Zaubervorführungen die rechtzeitige Zustimmung des Schulträgers hätte einholen können. Von einer hypothetischen Einwilligung der Stadt J. in den Verbrauch der Materialien ist ebenfalls nicht auszugehen11, da aus den dargestellten Gründen nicht von einer schulischen Veranstaltung auszugehen ist.

Demgegenüber ist eine Dienstpflichtverletzung nicht festzustellen, soweit der Beklagten die vereinnahmten Entgelte von jeweils 200,- € nicht dem Schuletat zugeführt hat. Da es sich um private Zaubervorführungen und nicht um dienstliche Veranstaltungen gehandelt hat, ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage der Beklagte gehalten gewesen sein soll, die vereinnahmten Beträge an den Dienstherrn abzuliefern bzw. dem Schuletat zuzuführen.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht den Vorwurf, der Beklagte habe seine Dienstpflichten verletzt, indem er die Zaubervorführungen ohne die erforderlichen Nebentätigkeitsgenehmigungen ausgeübt habe, als unbegründet angesehen. Die Darbietungen des Beklagten im Rahmen der Zaubervorführungen können als künstlerische Betätigungen angesehen werden, da sie mit eigenem Gestaltungswillen erfolgt sind12. Sie unterfallen daher grundsätzlich ungeachtet der Entgeltlichkeit dem Anwendungsbereich des § 74 Nr. 3 NBG a. F.13. Zwar ist anerkannt, dass diese Vorschrift nicht zur Anwendung kommt, wenn der Beamte mit der künstlerischen Darbietung in erster Linie Geld verdienen will und es sich nur um eine besondere Form des Erwerbs handelt14. Dies ist aber nicht ohne weiteres aufgrund des vereinnahmten Entgelts anzunehmen. Es ist davon auszugehen, dass der Beklagte das Entgelt im Wesentlichen zur Deckung der Fahrkosten und zum Ersatz der verbrauchten Zaubermaterialien verwendet hat. Die Gewinnerzielungsabsicht steht demgegenüber nicht zweifelsfrei fest. Der Umstand, dass der Beklagte für sich Visitenkarten hat anfertigen lassen, auf denen er für Feierlichkeiten seine Dienste als Zauberkünstler anbietet, rechtfertigt nicht die Annahme, dass bereits die hier in Frage stehenden zwei Veranstaltungen als in erster Linie auf Gewinnerzielung angelegte, gewerbsmäßige Betätigungen anzusehen sind. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zu Recht auf die Vorschrift des § 74a Abs. 3 Sätze 2 und 3 NBG a. F. hingewiesen, wonach die jeweiligen Zaubervorführungen auch nicht anzeigepflichtig waren, da das jeweils gezahlte Entgelt die Grenze von 250,- € nicht überschritten hat.

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Der Beklagte hat durch das festgestellte Verhalten ein Dienstvergehen im Sinne von § 85 Abs. 1 NBG a. F. (nunmehr § 47 Abs. 1 BeamtStG) begangen, indem er seine Dienstpflichten innerdienstlich durch die Nichteinteilung zum Unterricht im Stundenplan sowie die Nichterteilung von Unterricht, die Manipulation des Klassenbuches und die nicht angemessene Verwendung der angeschafften Zaubermaterialien für Schulzwecke sowie außerdienstlich durch den Einsatz der Zaubermaterialien für zwei private Vorführungen in Kindergärten schuldhaft und ohne Vorliegen von Rechtfertigungsgründen verletzt hat. Das außerdienstliche Fehlverhalten des Beklagten weist den für die Annahme eines Dienstvergehens erforderlichen Bezug zur dienstlichen Sphäre aus, weil er es mittels ihm dienstlich anvertrauter Gegenstände begangen hat, sodass es geeignet ist, das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung des Beklagten nachhaltig zu beeinträchtigen.

Das einheitlich zu bewertende Dienstvergehen erfordert aufgrund einer Würdigung aller Umstände im Berufungsverfahren eine Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis (§§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, 11 NDiszG).

Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 NDiszG). Sie ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 NDiszG), wobei nach § 14 Abs. 1 Satz 3 NDiszG das Persönlichkeitsbild des Beamten einschließlich seines bisherigen dienstlichen Verhaltens angemessen zu berücksichtigen ist und ferner berücksichtigt werden soll, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit beeinträchtigt hat (§ 14 Abs. 1 Satz 4 NDiszG). Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach den objektiven und subjektiven Handlungsmerkmalen der Verfehlung, den besonderen Umständen der Tatbegehung und den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte15. Bei der Bemessung von Art und Maß der Disziplinarmaßnahme ist eine disziplinarische Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände vorzunehmen16.

Ergibt die Gesamtwürdigung, dass das für die Aufrechterhaltung des Beamtenverhältnisses unerlässliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn endgültig zerstört ist, ist ein aktiver Beamter aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (§ 14 Abs. 2 Satz 1 NDiszG). So verhält es sich hier.

Das Dienstvergehen wiegt außerordentlich schwer und rechtfertigt die Annahme der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses. Es wird maßgebend durch die nahezu über fast vier Jahre dauernde Nichterteilung von Schulunterricht im Umfang von neun Unterrichtsstunden wöchentlich, insgesamt von ca. 1.250 Stunden, geprägt.

Die Schwere der damit verbundenen Dienstpflichtverletzungen ist nach Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vergleichbar mit der Schwere von Dienstvergehen, die den Vorwurf des unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst zum Gegenstand haben. Zwar erfüllt die Nichteinteilung zum Unterricht im Stundenplan nicht den Tatbestand des unentschuldigten Fernbleibens des Beklagten vom Dienst, da es insoweit allein auf die nach Maßgabe des Stundenplans festgelegte konkrete Unterrichtsverpflichtung ankommt, der Beklagte jeden Tag seinen Dienst angetreten und während der Zeiten, in denen er sich zum Unterricht hätte einteilen und Unterricht hätte halten müssen, andere schulische Aufgaben erledigt hat. Doch ist zu berücksichtigen, dass die Arbeitszeit des Beklagten auch in seiner Funktion als Schulleiter sich wie bei anderen Lehrern über die Pflichtstundenzahl definiert, die ein Lehrer an einer Grundschule nach den einschlägigen Vorschriften der Arbeitszeitverordnung für Lehrkräfte zu unterrichten hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts17 ist die Pflichtstundenregelung für Lehrer und für einzelne Lehrergruppen in die allgemeine beamtenrechtliche Arbeitszeitregelung eingebettet. Sie trägt dem besonderen Umstand Rechnung, dass die Arbeitszeit der von ihr erfassten Lehrer nur zu einem Teil, nämlich hinsichtlich der eigentlichen Unterrichtsstunden, exakt messbar ist, während die Arbeitszeit dieser Lehrer im Übrigen entsprechend deren pädagogischer Aufgabe wegen der erforderlichen Unterrichtsvorbereitung, der Korrekturen, Elternbesprechungen und dergleichen nicht im Einzelnen in messbarer und überprüfbarer Form bestimmt, sondern – grob pauschalierend – nur geschätzt werden kann. Dieser Aufgabenbereich neben dem Unterricht ist umso weniger zeitlich exakt messbar, als die insoweit aufzuwendende Zeit auch nach Schülerzahl, Schulfächern und schließlich individuell auch nach Fähigkeiten und Erfahrungen des einzelnen Lehrers differiert. Bei dieser grob pauschalierenden Betrachtung muss sich die vom Dienstherrn abverlangte Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der jährlichen Gesamtarbeitszeit im Rahmen der 40-Stunden-Woche halten. Für die Frage, ob dies der Fall ist, kommt es nicht auf die Ansicht der Lehrer selbst darüber an, welcher Zeitaufwand zur Bewältigung ihrer Aufgaben notwendig und zweckmäßig ist, sondern auf die durch den Dienstherrn geforderte Arbeitsleistung.

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Angesichts dessen führt die Nichterteilung von wöchentlich neun Stunden Unterricht dazu, dass der Beklagte während eines erheblichen Anteils seiner ihm obliegenden Arbeitszeit seine Dienstleistungspflicht nicht erfüllt hat. Er kann sich insoweit nicht darauf berufen, in dieser Zeit andere, ihm als Schulleiter obliegende Aufgaben erfüllt zu haben. Denn insoweit ist seine Unterrichtsverpflichtung bereits um 13 Wochenstunden ermäßigt. Durch diese Ermäßigung hat der Dienstherr pauschalierend das dem Beklagten zur Erfüllung seiner Aufgaben als Schulleiter zustehende zeitliche Maß an Arbeitszeit bestimmt, ohne dass der Beklagte hiervon zu Lasten seiner Unterrichtsverpflichtung abweichen durfte. Da es sich sowohl bei dem Gebot, überhaupt zum Dienst zu erscheinen, als auch bei der Erfüllung der Dienstleistungspflicht im vorgesehenen arbeitszeitrechtlichen Umfang um Grundpflichten eines jeden Beamten handelt, ist es gerechtfertigt, die Nichteinteilung zum Unterricht im Stundenplan und die Nichterteilung von Unterricht aus disziplinarrechtlicher Sicht wie ein unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst zu behandeln. Es gilt in beiden Fällen, dass ohne die regelmäßige Pflichterfüllung in Gestalt der Dienstleistung ihrer Mitarbeiter die Verwaltung nicht in der Lage wäre, die ihr gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Deshalb kann einem Beamten, der ohne triftigen Grund nicht zum vorgeschriebenen Dienst erscheint, ebenso nicht mehr das Vertrauen entgegen gebracht werden, das für eine gedeihliche Zusammenarbeit unerlässlich ist, wie einem Beamten, der ohne triftigen Grund einen erheblichen Teil seiner Dienstleistungspflicht nicht erfüllt18. Dementsprechend kann sich in den Fällen der vorliegenden Art – wie im Rahmen der disziplinaren Ahndung eines unerlaubten Fernbleibens vom Dienst – die Notwendigkeit, das Beamtenverhältnis einseitig zu lösen, regelmäßig aus dem Umfang des Verstoßes gegen die Dienstleistungspflicht sowie dem Umstand ergeben, dass das Erfordernis der Dienstleistung und damit die Bedeutung ihrer Unterlassung für jedermann leicht zu erkennen ist. Setzt sich ein Beamter gleichwohl über diese Erkenntnis hinweg, offenbart er ein so hohes Maß an Pflichtvergessenheit und an fehlender Einsicht in die Notwendigkeit einer geordneten Verwaltung, dass in aller Regel die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die Folge sein muss19.

Anhand dieses Maßstabes erweist sich die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis als geboten. Der Beklagte hat sich dadurch, dass er sich nicht in dem erforderlichen Umfang zum Unterricht eingeteilt und teilweise geplanten Unterricht nicht erteilt hat, eigenständig von seiner Dienstleistungspflicht freigestellt und damit seiner Pflicht zur Dienstleistung in äußerst schwerwiegendem Maße zuwider gehandelt. Die Anzahl von insgesamt ca. 1.250 Stunden nicht geleistetem Unterricht in den Schuljahren 2002/2003 bis April 2005/2006 kommt bei einer Unterrichtsverpflichtung von 15 Wochenstunden der Nichterfüllung der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung über einen Zeitraum von 83 Wochen gleich, was bei 37 Schulwochen pro Schuljahr eine unterlassene Unterrichtserteilung über eine Dauer von etwa 2,25 Schuljahren bedeutet. Als Schulleiter war ihm seine Dienstleistungspflicht hinreichend bekannt. Aufgrund seines vorsätzlichen und beharrlichen Verhaltens über mehrere Jahre hinweg hat er ein erhebliches Maß an Pflichtvergessenheit und Ignoranz gegenüber seiner Dienstleistungspflicht gezeigt. Erschwerend wirkt zudem, dass er als Schulleiter allein zuständig für die Erstellung des Stundenplans gewesen ist und die Erfüllung seiner Unterrichtsverpflichtung keiner Kontrolle unterlag. Insoweit hat der Dienstherr ihm uneingeschränktes Vertrauen entgegen gebracht, das der Beklagte unter Ausnutzung seiner Vorgesetztenfunktion enttäuscht hat.

Hinzu kommt, dass die Nichterteilung des Unterrichts beachtliche Auswirkungen auf die Erfüllung des Bildungsauftrags der Schule und damit auf die Schülerinnen und Schüler hatte. Der Beklagte kann nicht mit Erfolg zu seinen Gunsten darauf verweisen, dass seiner Auffassung nach die Unterrichtsversorgung über 100 % betragen habe, weil der I. als VHTS und wegen der Dreizügigkeit in bestimmten Jahrgängen zusätzliche Lehrerstunden zur Verfügung gestanden hätten. Denn nach den Berechnungen der Klägerin ist ungeachtet dessen die tatsächliche Unterrichtsversorgung in den Schuljahren 2002/2003 bis 2005/2006 durch die Nichterteilung von neun Unterrichtsstunden wöchentlich seitens des Beklagten jedenfalls reduziert gewesen, so dass festzustellen ist, dass den Schülerinnen und Schülern Unterrichtsleistungen vorenthalten wurden. Nach den Feststellungen des Zeugen N. in dessen Schreiben vom 25. Februar 2009 wurden in den Schuljahren 2004/2005 und 2005/2006 bis April 2006 in allen Klassen nur fünf statt sechs Stunden Deutsch und in allen zweiten Klassen fünf statt sechs Stunden Mathematik – das von dem Beklagten zu unterrichtende Fach – unterrichtet. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang auf den von ihm vor und nach dem regulären Unterricht eingerichteten Förderunterricht verweist, ist nicht ersichtlich, dass dieser geeignet gewesen ist, die fehlenden Pflichtstunden zu ersetzen. Dies gilt auch für die eingerichtete „Fr“-Stunde. Neben diesen Pflichtstunden hat die Nichterteilung des Unterrichts trotz des bestehenden guten Lehrerangebots zur Folge gehabt, dass weitere Förderunterrichtsstunden nicht erbracht und weniger Doppelbesetzungen, bei denen zwei Fachlehrer in einer Klasse eingesetzt sind, damit sich einer von beiden um schwächere Schüler kümmern kann, eingerichtet werden konnten. Daher ist vorliegend die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Ausgangspunkt der Überlegungen zur Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme.

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Erschwerend ist bei der Maßnahmebemessung des Weiteren zu berücksichtigen, dass der Beklagte im Rahmen des Dienstvergehens weitere Dienstpflichtverletzungen begangen hat, so dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als gerechtfertigt anzusehen ist.

So kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Beklagte das Klassenbuch der 4. Klasse im Schuljahr 2005/2006 manipuliert hat. Die Beachtlichkeit dieser Dienstpflichtverletzung wird nicht dadurch relativiert, dass sich die Manipulation als – sinnlose – Kurzschlussreaktion erweist. Selbst wenn der Senat zu Gunsten des Beklagten davon ausgeht, dass er unüberlegt die Eintragungen nachträglich in das Klassenbuch vorgenommen hat, muss er sich zu seinem Nachteil entgegenhalten lassen, dass er die Eintragungen zum Zwecke der Verheimlichung bereits begangener Dienstpflichtverletzungen und der Täuschung seiner Dienstvorgesetzten vorgenommen hat.

Zudem hat der Beklagte eine weitere bei der Würdigung des Dienstvergehens zu beachtende innerdienstliche Dienstpflichtverletzung begangen, indem er von ihm angeschaffte Zaubermaterialien nicht zweckentsprechend in der Schule eingesetzt hat. Der unterlassene pädagogische und didaktische Einsatz der Zaubermaterialien zeigt, dass er insoweit auch als Lehrer versagt hat.

Zu Lasten des Beklagten wirkt schließlich, dass er einige der angeschafften Zaubermaterialien für eigene private Zwecke aus Anlass von zwei Zaubervorführungen verwendet und diese teilweise in strafrechtlich relevanter Weise verbraucht hat. Allerdings ist die letztgenannte Dienstpflichtverletzung für die Schwere des Dienstvergehens nicht prägend, da der Beklagte vor Entdeckung der Tat die verbrauchten Zaubermaterialien ersetzt hat und damit der Schule kein Schaden entstanden ist.

Die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung entfällt nur dann, wenn im Einzelfall gewichtige Entlastungsgründe zu Gunsten des Beamten zu berücksichtigen sind20. Solche Entlastungsgründe, die das Verhalten des Beklagten auch unter Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbildes in einem milderen Licht erscheinen lassen, sind jedoch nicht ersichtlich.

Soweit der Beklagte zu seiner Entlastung darauf verweist, er habe zum Ausgleich seiner reduzierten Unterrichtsverpflichtung für Vertretungsunterricht zur Verfügung gestanden, vermag dieser Gesichtspunkt nicht durchzugreifen. Nach den übereinstimmenden Zeugenaussagen hatte er tatsächlich Vertretungsunterricht nicht in entsprechendem Maße geleistet. Vielmehr mussten die anderen Lehrkräfte vorrangig Vertretungsunterricht erbringen. Im Übrigen stellt die Bereitschaft des Beklagten zum Vertretungsunterricht nicht ein entsprechendes Korrelat zur vorgeschriebenen Unterrichtserteilung dar.

Den Beklagten entlastet ebenfalls nicht nachhaltig, dass er sein Fehlverhalten eingeräumt und zwischenzeitlich seine Verfehlungen bereut hat. Denn er hat erst nach der Entdeckung der Dienstpflichtverletzungen sein Verhalten eingeräumt. Auch hat er es etwa unterlassen, im ersten Gespräch am 28. März 2006, in dem er auf seine mangelnde Erfüllung der Unterrichtsverpflichtung im Jahre 2005/2006 angesprochen worden ist, offen zu legen, dass er auch in den Vorjahren seiner Unterrichtsverpflichtung nicht nachgekommen ist. Erst nachdem die Klägerin aufgrund ergänzender Vorwürfe seitens des Lehrerkollegiums den genauen Umfang der jeweiligen Dienstpflichtverletzungen festgestellt hatte, räumte der Beklagte die Vorwürfe ein.

Die bis zum Jahre 2002 festzustellende ordnungsgemäße und gute Erfüllung seiner Dienstpflichten reicht für die Annahme eines Restvertrauens nicht aus. Denn es entspricht dem Selbstverständnis, dass der Beamte seine Dienstpflichten ordnungsgemäß und nach bestem Gewissen erfüllt. Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass der Beklagte als Ausbilder für andere Schulleiter aufgrund der bis zum Jahre 2002 gezeigten Leistungen vorgeschlagen und von der Klägerin für geeignet angesehen worden war. Denn letztlich hat sich der Beklagte nicht gegenüber den zahlreichen anderen Bewerbern durchsetzen können. Die damalige positive Einschätzung der beruflichen Leistungen des Beklagten seitens der Klägerin entfaltet daher nicht die Wirkung, dass die Prognose eines noch bestehenden Restvertrauens gerechtfertigt ist.

Die Angemessenheit der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass er – wie der Beklagte und das Verwaltungsgericht meinen – nur in seiner Eigenschaft als Schulleiter versagt habe. Zwar waren ihm die Nichteinteilung zum Unterricht im Rahmen der Erstellung des Stundenplans und die Bestimmung des Einsatzes der Zaubermaterialien nur in seiner Eigenschaft als Schulleiter möglich. Doch zeigt sich in diesem Verhalten eine zum Ausdruck kommende grobe Missachtung des Bildungsauftrags der Schule und die damit einhergehende Ungeeignetheit als Vorbild für die ihm anvertrauten Schülerinnen und Schüler. Aus diesem Grunde ist er auch als Lehrer ungeeignet. Der Beklagte hat die festgestellten Dienstpflichtverletzungen nicht nur unter Ausnutzung seiner Stellung als Schulleiter begangen, sondern damit zugleich in dem Kernbereich der Pflichten eines Lehrers versagt. Eine zukünftige Tätigkeit des Beklagten als Lehrer würde ein Vertrauen des Dienstherrn in die ordnungsgemäße Erfüllung der Unterrichtsverpflichtung voraussetzen, das der Beklagte durch sein Verhalten, nicht zuletzt durch die auch als Lehrer mögliche Manipulation des Klassenbuches, ohne Verbleib eines Restvertrauens enttäuscht hat. Aus diesem Grunde kann der Beklagte nicht mit Erfolg zu seinen Gunsten darauf verweisen, dass seiner Auffassung nach bei einem Einsatz als Lehrer nicht die Gefahr erneuter Dienstpflichtverletzungen bestehe.

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Der Schlaf eines Streifenpolizisten

Die Schwere des Dienstvergehens, die aufgezeigten belastenden Gesichtspunkte und das Fehlen erheblicher mildernder Umstände lassen auch unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beklagten den Schluss zu, dass das Vertrauen des Dienstherrn in den Beamten zerstört und der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist. Der Beklagte hat sich zwar ab Mai 2006 zur Wiedergutmachung überobligationsmäßig zu 18 Wochenstunden Unterricht eingeteilt. Jedoch hat er drei Stunden davon wieder gestrichen, sodass ein wirklicher Wille zur Wiedergutmachung nicht zu erkennen ist. Darüber hinaus war sein gesamtes Handeln davon geprägt, dass er seine eigenen Interessen der Erfüllung seiner Dienstpflichten vorgezogen hat. Ziel seines Handelns war die Vision einer Zauberschule, deren Verwirklichung er auf Kosten der Unterrichtserteilung zu erreichen versucht hat. Er hat hierbei die Steigerung auch seines Ansehens im Blick gehabt, ohne die Folgen für den Bildungsauftrag der Schule angemessen zu reflektieren. Ein solch offenbartes Persönlichkeitsbild bietet keine hinreichende Grundlage für ein Restvertrauen des Dienstherrn in den Beklagten.

Schließlich kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass er kurz vor seiner Pensionierung stehe und ihn daher die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erheblich härter als einen jüngeren Kollegen treffe. Das Absehen von der disziplinaren Höchstmaßnahme allein aufgrund des Dienst- und Lebensalters des Beamten ist nicht gerechtfertigt. Im Gegenteil ist zu beachten, dass in den Fällen, in denen ein Beamter durch ein ihm vorwerfbares Verhalten die Vertrauensgrundlage zwischen ihm und dem Dienstherrn zerstört, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die einzige Möglichkeit ist, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Betroffenen ist weder unverhältnismäßig noch nach Auffassung des Senats aus sonstigen Gründen verfassungsrechtlich bedenklich, sie beruht vielmehr auf ihm zurechenbarem Verhalten21.

Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 7. Dezember 2010 – 20 LD 3/09

  1. vgl. §§ 3 Abs. 2 Nr. 1, 11 Abs. 1 ArbZVO-Lehr i. d. F. v. 24.2.1999 – Nds. GVBl. S. 62 – i. V. m. Anlage 1 zu § 11 sowie §§ 3 Abs. 2 Nr. 1, 12 ArbZVO-Lehr i. d. F. vom 2.8.2004 – Nds. GVBl. S. 303 – i. V. m. Anlage 1 zu § 12[]
  2. vgl. Brockmann, in: ders./Littmann/Schippmann, Nds. Schulgesetz, Stand: August 2010, § 43 Ziffer 7.4.10[]
  3. a.a.O.[]
  4. vgl. dazu Nds. OVG, Urteil vom 22.06.2010 – 20 LD 3/08, m. w. N.[]
  5. vgl. zum Vorstehenden Nds. OVG, Urteil vom 18.05.2010 – 20 LD 13/08, DVBl. 2010, 927 = DÖV 2010, 698 f. ; Sommer/Konert/Sommer, Nds. Beamtengesetz, 2001, § 62, Rn. 1[]
  6. vgl. Brockmann, in: Ders./Littmann/Schippmann, a. a. O., § 43 Ziff. 7.5.6[]
  7. vgl. dazu BGH, Urteil vom 22.10.1974 – 1 StR 205/74, BGHSt 26, 9, 10; Fischer, StGB, 57. Aufl. 2010, § 267, Rn. 18a[]
  8. vgl. dazu Fischer, a. a. O., § 242 Rn. 38[]
  9. vgl. dazu Fischer, a. a. O., § 246 Rn. 8[]
  10. vgl. Fischer, a. a. O., Vor § 32, Rn. 4 m. w. N.[]
  11. vgl. zum Begriff der hypothetischen Einwilligung Fischer, a. a. O., § 223, Rn. 16a[]
  12. vgl. dazu Kümmel, Beamtenrecht, NBG, § 74, Rn. 20[]
  13. siehe nunmehr § 40 BeamtStG, §§ 70 ff. NBG[]
  14. Kümmel, a. a. O.[]
  15. vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 – 2 C 12.04, BVerwGE 124, 252, 259; Urteil vom 30.11.2006 – 1 D 6.05; Nds. OVG, Urteil vom 17.07.2007 – 19 LD 13/06[]
  16. vgl. Nds. OVG, Urteil vom 06.03.2008 – 20 LD 10/06, m. w. N.; Urteil vom 23.04.2009 – 20 LD 8/07[]
  17. vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.12.1989 – 2 NB 2/89, m. zahlreichen w. N.; nachfolgend Nds. OVG, Urteil vom 09.11.2010 – 5 LC 164/09[]
  18. vgl. zum Fernbleiben vom Dienst: BVerwG, Urteil vom 07.03.2001 – 1 D 14.00[]
  19. vgl. BVerwG, Urteil vom 07.03.2001 – 1 D 14.00[]
  20. vgl. BVerwG, Urteil vom 12.10.2006 – 1 D 2.05, m. w. N.[]
  21. vgl. zur Verhältnismäßigkeit einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis: BVerwG, Urteil vom 11.04.2000 – 1 D 99, Buchholz 235 § 121 BDO Nr. 12 m. w. N.[]