Der Streit um das Visumerfordernis

Bestreitet ein Ausländer das Visumerfordernis, muss dies im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht werden; die Berufung auf eine visumfreie Einreise kann nicht zum Erfolg einer Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Visums nach dessen Ablehnung führen.

Der Streit um das Visumerfordernis

In dem hier vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall wenden sich die Klägerinnen gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, das von ihnen begehrte Besuchsvisum könne ihnen nicht erteilt werden, weil begründete Zweifel an ihrer Rückkehrbereitschaft bestünden (Art. 32 Abs. 1 Buchst. b des Visakodex1.

Diese Zweifel hat das Verwaltungsgericht daraus abgeleitet, dass die Klägerinnen bereits Visa für eine Einreise im Wege des Familiennachzuges beantragt und dieses Begehren – wie inzwischen feststeht, erfolglos2 – im Klagewege weiterverfolgt und damit ihre Absicht einer dauerhaften Niederlassung im Bundesgebiet kundgetan hätten. Diese Absicht trete auch nicht zurück, da die Klägerin zu 1. in der Türkei weder familiär noch wirtschaftlich so verwurzelt sei, dass ihr ein Besuchsaufenthalt geglaubt werden könne. Mit ihrer Einreise sei die Kernfamilie in Deutschland bei dem Ehemann und Vater; wirtschaftlich werde die nicht berufstätige Klägerin zu 1. in der Türkei von ihrem sich hier aufhaltenden Ehemann unterhalten.

Diese Würdigung, so das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, wird durch das Zulassungsvorbringen, sie sei lebensfremd, weil für Betroffene, die kein Visum erhielten, der Weg einer illegalen Einreise offenstehe und die Klägerinnen gerade mit der Visumsbeantragung gezeigt hätten, dass sie sich rechtstreu verhalten wollten, nicht schlüssig in Frage gestellt. Zum einen macht es einen Unterschied, ob man nach legaler oder illegaler Einreise einen Titel zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet anstrebt, so dass es für die Klägerinnen gute Gründe geben mag, sich bisher insoweit rechtstreu zu verhalten. Zum anderen ist die Folgerung des Verwaltungsgerichts, dass die Klägerinnen die Einreise für einen vorübergehenden Aufenthalt zum Zwecke dauernder Niederlassung nutzen, bei weitem näherliegend als die Annahme, sie wollten sich tatsächlich nur besuchsweise hier aufhalten.

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Das gilt zumal dann, wenn ihr ordnungsgemäß angebrachtes Nachzugsbegehren bereits über einen längeren Zeitraum erfolglos geblieben und auch nicht besonders erfolgversprechend war. Dass die etwaigen familiären Bindungen zur Mutter und zu ihren Geschwistern nicht ausreichen, um diese Zweifel in den Hintergrund treten zu lassen, ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen selbst, weil damit diese Bindungen und ihre Bedeutung für eine Rückkehrbereitschaft nicht näher erläutert werden und damit keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein erhebliches Gewicht gegenüber der Beziehung der Klägerinnen zum Ehemann und Vater, von dem sie – wonach auch nach dem Zulassungsvorbringen auszugehen ist – zudem wirtschaftlich abhängig sind, dargestellt werden.

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Januar 2013 – OVG 7 N 42.13

  1. Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009[]
  2. vgl. VG Berlin, Urteil vom 26.11.2010 – VG 9 K 21.10 V; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.06.2012 – OVG 11 N 10.11[]