Nach § 86 Abs. 1 VwGO ist das Gericht verpflichtet, den nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen.
Art und Umfang der Aufklärungsmaßnahmen stehen in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Danach muss es zwar nicht ohne konkrete Anhaltspunkte nachforschen, ob vielleicht irgendwelche bislang unentdeckten Umstände Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des zu beurteilenden Verwaltungshandelns haben könnten.
Ergeben sich aus dem Beteiligtenvorbringen oder dem sonstigen Prozessstoff jedoch konkrete Ansätze für die Ermittlung bislang nicht geklärter Umstände, auf die es nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidend ankommt, muss ihnen auch ohne förmlichen Beweisantrag nachgegangen werden1.
Ein solches Vorgehen erübrigt sich nicht schon wegen der zeitgleichen Verhandlung weiterer Verfahren des Klägers und anderer Familienmitglieder des Klägers. Die Verbindung von Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung führt nicht dazu, dass sämtlicher Akteninhalt der gleichzeitig verhandelten Verfahren Teil des Prozessstoffs der jeweils anderen Verfahren wird. Sollte Akteninhalt wechselseitig ohne Beiziehung berücksichtigt worden sein, verstieße dies gegen § 108 Abs. 1 VwGO, weil der richterlichen Überzeugung dann nicht mehr ausschließlich der Prozessstoff des jeweils entschiedenen Verfahrens zugrunde läge.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 9. Juni 2021 – 8 C 32.20
- vgl. BVerwG, Urteile vom 23.11.1982 – 9 C 74.81, BVerwGE 66, 237 <238> und vom 14.11.1991 – 4 C 1.91, NVwZ-RR 1992, 227 f.[↩]