Beschlüsse zur Befangenheit eines Sachverständigen sind beschwerdefähig. Der Grundsatz der Beteiligtenöffentlichkeit/Parteiöffentlichkeit bei der Sachverhaltsermittlung verpflichtet einen psychiatrischen Sachverständigen nicht, seine Mitschrift über den Inhalt des mit dem untersuchten Beamten geführten Explorationsgesprächs vorzulegen.

Nach § 98 VwGO i.V.m. § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Ein Sachverständiger ist wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Es kommt nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist. Genügend, aber auch notwendig ist es, dass vom Standpunkt des Beteiligten aus gesehen hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unparteilichkeit, Unvoreingenommenheit und Unbefangenheit zu zweifeln. Ein Fehlverhalten eines Sachverständigen begründet nur dann die Besorgnis der Befangenheit, wenn es den Eindruck der Voreingenommenheit erweckt. Dies ist dann der Fall, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger und objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, der Gutachter werde sein Gutachten nicht unvoreingenommen erstatten1.
Im Übrigen sieht auch § 407 a Abs. 4 Satz 1 ZPO vor, dass der Sachverständige auf Verlangen des Gerichts die Akten und sonstige für die Begutachtung beigezogenen Unterlagen sowie Untersuchungsergebnisse unverzüglich herauszugeben oder mitzuteilen hat. Insoweit ist der Sachverständige verpflichtet, auf Verlangen neben dem Gutachten auch Bearbeitungsunterlagen wie z.B. Krankengeschichten, Röntgenaufnahmen, Lichtbilder oder Laborberichte herauszugeben, nicht jedoch die kompletten Handakten2. Dass solche Untersuchungsergebnisse auch bei einer psychiatrischen Untersuchung vorhanden sind, ist nicht ausgeschlossen.
Allerdings besteht keine Verpflichtung, auch möglicherweise vom Gutachter erstellte Mitschriften über das mit der Klägerin geführte Gespräch, Entwürfe seines Gutachtens oder Notizen – mangels anderer Beweismittel oder Unterlagen – aus Gründen der Waffengleichheit vorzulegen. Eine solche Vermittlung des Ablaufs und Inhalts eines ärztlichen Explorationsgesprächs verlangen aber weder der Grundsatz des rechtlichen Gehörs noch der des fairen Verfahrens. Dahinstehen kann, ob dieses Verlangen nicht bereits den Gutachter in seiner Entscheidung, auf welche Art und Weise er seine Begutachtung vornimmt und welche Sachverhalte er zum Gegenstand einer konkreten Darstellung und Bewertung im Gutachten macht, einschränkt. Nicht auszuschließen ist es aber, dass die Tatsache, dass Aufzeichnungen aus dem zwischen dem Gutachter und der Probandin bzw. Klägerin geführten Gespräch in den Prozess eingeführt und damit ergänzend zu dem zu erstattenden Gutachten zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung werden können, zu einer Beeinträchtigung des dem Gutachten zugrunde zu legenden Gesprächsverlaufes und dessen Ergebnissen führen kann. Fehlt es an einer für ein psychiatrisches gutachterliches Gespräch erforderlichen vertraulichen Gesprächsatmosphäre, ist zu befürchten, dass keine authentische Kommunikation zwischen dem Sachverständigen und dem Probanden in einer psychiatrischen Exploration stattfindet. Denn eine verlässliche ärztliche Einschätzung und Begutachtung erfordert neben sorgfältiger körperlicher Untersuchung auch ein unmittelbares und unbeeinflusstes ärztliches Gespräch entsprechend dem Untersuchungsgegenstand und den Ablauf, den der Gutachter auch in Ansehung seiner Rolle als forensischer Sachverständiger für richtig erachten darf. Das Wissen darum, dass möglicherweise ein Wortprotokoll über das im Explorationsgespräch Gesagte geführt werden wird, dass dieses den Beteiligten zur Verfügung gestellt und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht werden kann, ist geeignet, das Frage- und Aussageverhalten der am Gespräch Beteiligten zu beeinträchtigen und somit das Ergebnis einer Begutachtung zu verfälschen. Demgegenüber besteht sowohl ein rechtliches als auch ein tatsächliches Interesse aller Prozessparteien, dass eine durch einen gerichtlich bestellten Gutachter vorgenommene medizinisch-psychiatrische Begutachtung – hier zur Beurteilung der Dienstfähigkeit einer Beamtin – auf unbeeinflussten Sachverhaltsermittlungen und Spontanreaktionen des Probanden beruht. Es liegt im wohlverstandenen Interesse beider Beteiligter, dass dem medizinischen Gutachten nur unverfälschte und zutreffende Umstände zugrunde gelegt werden3.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 27. April 2011 – 1 So 15/11
- vgl. BayVGH, Beschluss vom 04.08.2003, NJW 2004, 90; Lang, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 98 Rn. 179 m.w.N.; Kopp, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 98 Rn. 17; Rudisile in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 98 Rn. 139[↩]
- Greger in: Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 107 a Rn. 4; Prütting/Gehrlein, ZPO, 1. Aufl. 2010, § 407a Rn. 12[↩]
- vgl. zu einer Begutachtung durch den Personalärztlichen Dienst ohne Anwesenheit eines Familienangehörigen: OVG Hamburg, Beschluss vom 03.04.2006 – 1 Bs 102/06, NordÖR 2006, 420[↩]