Die Berichterstatterin als Einzelrichterin – und das fehlende Einverständnis

Ein Beteiligter kann die Rüge, das Gericht sei mangels seines (wirksamen) Einverständnisses in eine Entscheidung durch die Berichterstatterin (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 87a Abs. 2 und 3 VwGO) nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, jedenfalls dann nicht mehr erheben, wenn er auch in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertreten war und sich rügelos auf die mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin eingelassen hat (§ 173 VwGO i.V.m. § 295 Abs. 1 ZPO), die objektiv rechtsirrig, aber für den Beteiligten erkennbar von einer vorliegenden Einwilligung ausgegangen ist.

Die Berichterstatterin als Einzelrichterin – und das fehlende Einverständnis

So griff auch in dem hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall die Rüge, das Berufungsgericht habe den Anspruch des Klägers auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 GG) verletzt, weil das Berufungsgericht ohne seine erforderliche Zustimmung statt durch den gesamten Bundesverwaltungsgericht durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin entschieden habe, im Ergebnis nicht durch:

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz1 hat bei seiner Entscheidung objektiv allerdings die nach seinem Geschäftsverteilungsplan in Verbindung mit den gesetzlichen Vorgaben vorgesehene Besetzung nicht gewahrt, weil es statt durch das Bundesverwaltungsgericht durch die Einzelrichterin entschieden hat, ohne dass vor der Entscheidung das nach § 125 Abs. 1 i.V.m. § 87a Abs. 2 und 3 VwGO erforderliche Einverständnis des Klägers ausdrücklich erteilt worden ist. Das Berufungsgericht, das irrtümlich von einem Einverständnis auch des Klägers ausgegangen ist, war mithin objektiv nicht vorschriftsgemäß besetzt.

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Dies führt indes deswegen nicht zur Zulassung der Revision, weil sich der auch in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertretene Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift rügelos auf die mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin eingelassen hat. Damit ist nach § 173 VwGO i.V.m. § 295 Abs. 1 ZPO ein Rügeverlust eingetreten, der den Kläger hindert, nachträglich einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 GG, § 125 Abs. 1 i.V.m. § 87a Abs. 2 und 3 VwGO geltend zu machen2.

Die Befolgung der genannten Vorschrift ist nach § 295 Abs. 2 ZPO verzichtbar; denn nach § 125 Abs. 1 i.V.m. § 87a Abs. 2 und 3 VwGO kann durch Zustimmung zu einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin auch auf die Entscheidung durch den gesamten Bundesverwaltungsgericht verzichtet werden3, so dass dieser Fehler nicht mehr gerügt werden kann.

Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – das Gericht rechtsirrig, aber für die Beteiligten ersichtlich von deren Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter ausgeht4. Dass nach § 138 Nr. 1 VwGO ein Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen ist, wenn das Gericht nicht vorschriftsgemäß besetzt war, setzt eine Rügemöglichkeit voraus, ohne sie zu begründen.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 6. September 2021 – 1 B 39.21

  1. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.05.2021 – OVG 13 A 11560/20[]
  2. a.A. für den Fall eines anwaltlich nicht vertretenen Klägers: BFH, Urteil vom 15.12.1998 – VIII R 74/97; offengelassen in BVerwG, Beschluss vom 05.02.1996 – 9 B 32.96[]
  3. vgl. – zum Verzicht auf mündliche Verhandlung – BVerwG, Beschlüsse vom 04.11.1977 – 4 C 71.77, Buchholz 303 § 295 ZPO Nr. 1; und vom 30.11.2004 – 10 B 64.04[]
  4. s.a. Neumann/Korbmacher, in: NK-VwGO, 5. Aufl.2018, § 138 Rn. 51[]
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