Eine Abschiebung kann wegen der bevorstehenden Vaterschaft des Ausländers in Vorwirkung des Schutzes aus Art. 6 GG rechtlich unmöglich sein.

Dies setzt voraus, dass
- der ausländische Vater gegenüber den zuständigen Behörden seine Vaterschaft (mit Zustimmung der Mutter) anerkannt hat und beide bereits in Verhältnissen leben, welche die gemeinsame Übernahme der elterlichen Verantwortung und eine gemeinsame Erziehung und Betreuung des Kindes sicher erwarten lassen, und das
- dem Ausländer eine (vorübergehende) Ausreise zur Durchführung eines Sichtvermerksverfahrens nicht mehr zumutbar ist, weil nach den im Einzelfall gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen mit seiner Rückkehr vor dem voraussichtlichen Geburtstermin nicht gerechnet werden könnte1.
Im vorliegenden Fall erscheint es als zweifelhaft, ob der Antragsteller und die Kindesmutter, Frau S., bereits in Verhältnissen leben, welche die gemeinsame Übernahme der elterlichen Verantwortung und eine gemeinsame Erziehung und Betreuung des Kindes sicher erwarten lassen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz von Ausländern aus Art. 6 GG vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, die im Bundesgebiet in schutzwürdigen familiären Gemeinschaften mit kleinen Kindern leben2 ist von den folgenden Grundsätzen auszugehen: Auch wenn Art. 6 GG unmittelbar keinen Aufenthaltsanspruch gewährt, müssen Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte gemäß der in Art. 6 GG enthaltenen Grundsatznorm bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des Ausländers an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Entscheidend für den Schutz des Art. 6 GG ist die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern, ohne dass es in diesem Zusammenhang zwingend darauf ankäme, ob eine Hausgemeinschaft vorliegt. Von einer familiären Gemeinschaft wird in der Regel im Falle eines regelmäßigen Umgangs des ausländischen Elternteils, der dem auch sonst Üblichen entspricht, auszugehen sein. Die Folgen einer vorübergehenden Trennung haben insbesondere dann hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann. Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind deutscher Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück.
Ist der betroffene Ausländer wegen einer schweren Straftat verurteilt, so setzen sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei einer Ausweisung auch gewichtige familiäre Belange gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen an einer zumindest zeitweiligen Fernhaltung des Ausländers nicht ohne weiteres durch; die familiären Belange sind allerdings, soweit noch nicht geschehen, im Befristungsverfahren des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zu würdigen3.
Angesichts dessen geht es bei der Befristung der Abschiebung nicht um einwanderungspolitische Belange, sondern um den Schutz der öffentlichen Sicherheit im Hinblick auf die Rechtsgüter Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit, dem die Fernhaltung des Antragstellers aus spezialpräventiven Gründen dienen soll.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 15. September 2014 – 3 Bs 185/14
- vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 10.12.2009, NVwZ-RR 2010, 701 f.[↩]
- vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 31.08.1999, NVwZ 2000, 59; vom 08.12.2005, InfAuslR 2006, 122; vom 23.01.2006, NVwZ 2006, 320; vom 10.05.2008, InfAuslR 2008, 347; vom 01.12.2008, 2 BvR 1830/08, juris; vom 09.01.2009, NVwZ 2009, 387; vom 05.06.2013, NVwZ 2013, 1207[↩]
- vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.01.2006, a. a. O. 23[↩]