Die Dauer der Abschiebungshaft – und die Angaben im Haftantrag

Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht.

Die Dauer der Abschiebungshaft – und die Angaben im Haftantrag

Erforderlich sind Darlegungen

  1. zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht,
  2. zu den Abschiebungsvoraussetzungen,
  3. zu der Erforderlichkeit der Haft,
  4. zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und
  5. zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG).

Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen.

Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden1.

Eine nähere Erläuterung des für die Buchung eines Fluges mit Sicherheitsbegleitung erforderlichen Zeitaufwandes ist in aller Regel dann nicht geboten, wenn sich die Behörde auf eine Auskunft der zuständigen Stelle oder entsprechende eigene Erfahrungswerte beruft, wonach dieser Zeitraum bis zu sechs Wochen beträgt. Ist aber ein längerer Zeitraum für die Organisation der Rückführung des Betroffenen erforderlich, bedarf es einer auf den konkreten Fall bezogenen Begründung, die dies nachvollziehbar erklärt (etwa Art des Fluges, Buchungslage der in Betracht kommenden Luftverkehrsunternehmen, Anzahl der Begleitpersonen, Personalsituation)2.

Diesen Maßstäben genügt der Haftantrag der beteiligten Behörde im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall in zweierlei Hinsicht nicht:

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Zum einen enthält der Antrag keine hinreichenden Angaben zur notwendigen Haftdauer. Zu der vom 14.12.2018 bis zum 31.03.2019, also für einen Zeitraum von über dreieinhalb Monaten, beantragten Haft heißt es lediglich, die Haftdauer sei erforderlich, um die weiteren innerdienstlichen Voraussetzungen zur Durchführung der Abschiebung vorzubereiten. Über die Bundespolizei müsse eine erneute sehr anspruchsvolle sicherheitsbegleitete Maßnahme geplant werden. Es fehlt an einer nachvollziehbaren Begründung, welcher Zeitraum für welchen Verfahrensschritt angesetzt wird und weshalb eine Haftdauer von über dreieinhalb Monaten für erforderlich gehalten wird. Mit derselben, allgemein gehaltenen Begründung hätte gleichermaßen eine Haftdauer von acht Wochen wie von drei Monaten beantragt werden können.

Zum anderen ergibt sich aus den dem Antrag beigefügten Unterlagen ein laufendes und nicht offensichtlich zustimmungsfreies Ermittlungsverfahren. Der Haftantrag wäre im Hinblick auf die von § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG geforderten Darlegungen zu den Voraussetzungen und zur Durchführbarkeit der Abschiebung daher nur zulässig, wenn die Behörde das sich aus § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ergebende mögliche Abschiebungshindernis ausräumte, indem sie darlegte, das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft liege vor, sei entbehrlich oder werde bis zum vorgesehenen Abschiebungstermin voraussichtlich vorliegen oder entbehrlich geworden sein3. Solche Darlegungen enthält der Haftantrag jedoch nicht. Er war daher auch insoweit unzulässig.

Allerdings sind diese Mängel im hier entschiedenen Fall ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts vom 13.02.2019 geheilt worden:

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Mängel des Haftantrags können behoben werden, indem die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt oder indem der Haftrichter selbst die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Abschiebung des Ausländers und zu der dafür erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt. Zwingende weitere Voraussetzung für eine Heilung ist in einem solchen Fall, dass der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird4.

Die Behörde hat im vorliegenden Fall ihre Ausführungen zu der notwendigen Haftdauer mit Schreiben vom 04.02.2019 ergänzt und dargelegt, eine Abschiebung am 31.01.2019 habe nicht erfolgen können, weil der gebuchte Flug durch die Fluggesellschaft annulliert worden sei. Der nächstmögliche Termin sei der 21.03.2019. Ein früherer Termin sei nicht verfügbar, da keine Sammelabschiebungen nach Marokko durchgeführt würden, weswegen herkömmliche Linienflüge gebucht werden müssten. Die Anzahl an Plätzen für Personen, die wie der Betroffene – mit Sicherheitsbegleitung abzuschieben seien, sei auf diesen Flügen jedoch begrenzt und alle verfügbaren Plätze bis zum 21.03.2019 seien bereits anderweitig vergeben. Diese Ergänzungen genügen für die Darlegung der notwendigen Haftdauer.

An der Zulässigkeit des Haftantrags ändert es nichts, dass sich den Ausführungen nichts dafür entnehmen lässt, weshalb statt der nachvollziehbar dargelegten Dauer bis zum 21.03.weiterhin Haft bis zum 31.03.2019 beantragt wird. Ob und inwieweit sie eine tragfähige Grundlage für die bis zum 31.03.2019 beantragte Haft bieten, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Antrags5.

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Zudem hat das Beschwerdegericht im vorliegenden Fall festgestellt, dass das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main erteilt worden ist. Der Betroffene wurde hierzu von dem Beschwerdegericht jeweils persönlich angehört.

Daher ist die Heilung mit der Entscheidung des Beschwerdegerichts über die Fortdauer der Haft vom 13.02.2019 eingetreten6.

Das Beschwerdegericht hätte die Haft allerdings nicht über den 27.03.2019 hinaus aufrechterhalten dürfen. Nach § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist die Inhaftnahme auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Die Abschiebung war im Fall des Betroffenen für den 21.03.2019 vorgesehen. Unter Berücksichtigung eines zeitlichen Puffers für allfällige Verzögerungen7 hätte die Haft daher höchstens bis zum 27.03.2019 aufrechterhalten werden dürfen.

Da der Betroffene am 21.03.2019 abgeschoben wurde, fehlt für die Feststellung, dass ihn die über den 27.03.2019 hinaus angeordnete Haft in seinen Rechten verletzt hat, das Rechtsschutzbedürfnis. In Freiheitsentziehungssachen besteht nach einer Erledigung der Hauptsache zwar grundsätzlich ein Rehabilitierungsinteresse für einen Antrag, mit dem die Rechtswidrigkeit der Inhaftierung festgestellt werden soll (§ 62 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FamFG). An einem solchen Interesse fehlt es aber, soweit sich der Betroffene in dem von der Anordnung der Haft nach § 421 FamFG erfassten Zeitraum nicht mehr in Abschiebungshaft befunden hat8.

Ob das Amtsgericht durch seine Verfahrensgestaltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten des Betroffenen an der Anhörung vereitelt und dadurch das Recht des Betroffenen auf ein faires Verfahren verletzt hat, kann dahinstehen. Denn jedenfalls wäre ein solcher Fehler durch die Nachholung der Anhörung des Betroffenen in der Beschwerdeinstanz, von welcher der Bevollmächtigte des Betroffenen Kenntnis hatte und an der er hätte teilnehmen können, geheilt worden9.

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Klassenarbeiten und Zeugnisnoten

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. Juli 2020 – XIII ZB 74/19

  1. st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 12.02.2020 – XIII ZB 16/19 7 mwN[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 12.02.2020 – XIII ZB 26/19 9 mwN[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 12.02.2020 – XIII ZB 15/19[]
  4. st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 12.02.2020 – XIII ZB 38/19 13 mwN[]
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 12.02.2020 XIII ZB 15/19 8 mwN[]
  6. vgl. BGH, Beschluss vom 07.03.2019 – V ZB 16/18 4 mwN[]
  7. vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20.10.2016 – V ZB 167/14[]
  8. BGH, Beschluss vom 11.10.2012 – V ZB 154/11, InfAuslR 2013, 78 Rn. 16 mwN[]
  9. vgl. BGH, Beschluss vom 12.11.2019 – XIII ZB 34/19 9 mwN[]

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