Die erfolgreiche Landesverfassungsbeschwerde – und die dadurch erledigte Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht

Der Umstand, dass durch die parallele Erhebung zweier Verfassungsbeschwerden zweimal Kosten entstanden sind, führt nicht dazu, dass die Auslagenerstattung in den Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht als unbillig anzusehen ist.

Die erfolgreiche Landesverfassungsbeschwerde – und die dadurch erledigte Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht

Nach Erledigung der Verfassungsbeschwerde ist über die Auslagenerstattung gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Die Erstattung der Auslagen nach dieser Vorschrift stellt im Hinblick auf die Kostenfreiheit des Verfahrens (§ 34 Abs. 1 BVerfGG), den fehlenden Anwaltszwang und das Fehlen eines bei Unterliegen des Beschwerdeführers erstattungsberechtigten Gegners die Ausnahme von dem Grundsatz des Selbstbehalts der eigenen Auslagen1 dar2.

Im Hinblick auf die Funktion und die Tragweite der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts findet eine überschlägige Beurteilung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde im Rahmen der Entscheidung über die Auslagenerstattung nicht statt3. Bei der Entscheidung über die Auslagenerstattung kann jedoch insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zukommen. So ist es billig, einer beschwerdeführenden Person die Erstattung ihrer Auslagen zuzuerkennen, wenn die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt oder der Beschwer auf andere Weise abhilft, weil in diesem Fall – falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind – davon ausgegangen werden kann, dass sie deren Begehren selbst für berechtigt erachtet hat4.

Nach diesen Maßstäben entsprach es im hier entschiedenen FAll der Billigkeit, die Auslagenerstattung anzuordnen:

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Mit Entscheidung vom 09.11.2021 hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof der dortigen Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers wegen eines Verstoßes gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV) stattgegeben und den auch hier angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts München aufgehoben. Für die Entscheidung, ob dieses sowohl durch das Grundgesetz (Art. 103 Abs. 1 GG) wie durch die Verfassung des Freistaats Bayern (Art. 91 Abs. 1 BV) gewährleistete Grundrecht verletzt ist, gelten die gleichen verfassungsrechtlichen Maßstäbe5. Durch seine Entscheidung hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof als Teil der öffentlichen Gewalt des Freistaates hinsichtlich des Beschlusses des Oberlandesgerichts München zu verstehen gegeben, dass er das verfassungsrechtliche Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet hat6.

Nachdem der Bayerische Verfassungsgerichtshof den Antrag des Beschwerdeführers aufgrund der auch hier beantragten Zurückverweisung an das Oberlandesgericht München dahingehend ausgelegt hat, dass eine Aufhebung des Urteils des Landgerichts München I nicht begehrt wird, ist unter Billigkeitsgesichtspunkten trotz Nichtaufhebung des hier ebenfalls angegriffenen Urteils des Landgerichts eine hundertprozentige Kostenerstattung auszusprechen, ohne dass es auf die Zulässigkeit der gegen das Urteil des Landgerichts gerichteten Verfassungsbeschwerde ankommt.

Besondere Anhaltspunkte, die trotz der stattgebenden Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs gegen die Billigkeit der Auslagenerstattung sprechen7, sind nicht ersichtlich. Soweit der Beschwerdeführer vorliegend über die Verfassungsbeschwerde vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof hinausgehend auch den Beschluss des Oberlandesgerichts München über die Anhörungsrüge angreift, ändert dies nichts an dem vollständigen Erstattungsanspruch, da dieser Beschluss lediglich das Ergebnis der erforderlichen Rechtswegerschöpfung darstellt.

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Der Umstand, dass durch die parallele Erhebung zweier Verfassungsbeschwerden zweimal Kosten entstanden sind, führt nicht dazu, dass die Auslagenerstattung in den Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht als unbillig anzusehen ist7.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24. August 2022 – 2 BvR 257/21

  1. vgl. BVerfGE 49, 70 <89>[]
  2. vgl. BVerfGE 66, 152 <154>[]
  3. vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.> BVerfG, Beschluss vom 29.05.2018 – 2 BvR 2767/17, Rn. 13[]
  4. vgl. BVerfGE 85, 109 <114 ff.> 87, 394 <397 f.>[]
  5. BVerfG, Beschluss vom 24.02.1992 – 2 BvR 1122/90, Rn. 9[]
  6. vgl. BVerfGE 85, 109 <114 ff.> 87, 394 <397 f.>[]
  7. BVerfG, Beschluss vom 17.12.2008 – 1 BvR 2554/06[][]

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