Eine bauplanerische Festsetzung tritt wegen nachträglicher Funktionslosigkeit außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, zum einen in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt1. Dies ist dann der Fall, wenn der Plan in seiner Gesamtheit oder bezüglich einzelner Festsetzungen durch die tatsächliche Entwicklung überholt wird, z.B. durch eine großzügige – gegebenenfalls rechtswidrige – Befreiungspraxis2. Zum anderen muss diese Tatsache in einem Grad erkennbar sein, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt; dann liegt die erforderliche Offenkundigkeit der Funktionslosigkeit vor3.

Bei der Prüfung, ob eine Festsetzung nachträglich funktionslos geworden ist, muss diese in der Regel in ihrer gesamten – auch räumlichen – Reichweite betrachtet werden, denn dies sind die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht4. Eine Festsetzung wird nicht bereits deshalb ganz oder teilweise hinfällig, weil auf einer Teilfläche eine singuläre planwidrige Nutzung entstanden ist5.
Ausnahmsweise kann eine Festsetzung in Anlehnung an die Teilnichtigkeit von Bebauungsplänen (Rechtsgedanke des § 139 BGB) auch bezogen auf ein Teilgebiet funktionslos geworden sein6. Dies kommt insbesondere bei großflächigen Baugebietsausweisungen in Betracht und setzt voraus, dass das Teilgebiet topografisch abgrenzbar ist7, dass es nicht nur aus wenigen Grundstücken besteht8 und dass die bauliche Entwicklung sich – jedenfalls dort – erkennbar anders entwickelt hat als es der Festsetzung und der Entwicklung in anderen Teilen des Gebiets entspricht. Dagegen kann ein Teilgebiet zur Beurteilung der nachträglichen Funktionslosigkeit einer bauplanerischen Festsetzung nicht abhängig davon zugeschnitten werden, ob die Bebauung einzelner Grundstücke tatsächlich auf das Vorhabengrundstück ausstrahlt. Dieser Maßstab kommt allein im Rahmen der Beurteilung des „Einfügens“ eines Bauvorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB zum Tragen.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 28. Februar 2013 – 2 Bf 17/11
- grundlegend: BVerwG, Urteil vom 29.04.1977, BVerwGE 54, 5; ebenso Beschluss vom09.10.2003, BauR 2004, 1128; Beschluss vom 22.07.2010, BauR 2010, 2060[↩]
- vgl. auch Schrödter, BauGB, 7. Aufl.2006, § 10 Rn. 7[↩]
- BVerwG, Urteil vom 29.04.1977, a.a.O.; Beschluss vom 22.07.2010, a.a.O.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 29.04.1977, a.a.O.; Urteil vom 30.06.2004, BVerwGE 121, 205; Beschluss vom 23.01.2003, ZfBR 2003, 385; ebenso OVG Hamburg, Urteil vom02.02.2011, NordÖR 2011, 399; Beschluss vom 15.10.2008, BauR 2009, 203; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.11.2011, BauR 2012, 903; OVG Bautzen, Beschluss vom 28.09.2012, 1 B 313/12[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 21.12.1999, BauR 2000, 854[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom06.06.1997, BauR 1997, 803; OVG Hamburg, Urteil vom08.10.1992, Bf II 34/91; Urteil vom 30.07.2003, HmbJVBl 2005, 9; Urteil vom 14.12.2005, 2 Bf 124/03; Urteil vom 25.01.1996, Bf II 33/94 und Urteil vom 23.05.1996, Bf II 42/94; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB, 6. Aufl.2010, § 30 Rn. 44; Kalb/Külpmann in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Sept.2010, § 10 Rn. 409; Reidt in: Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, 7. Aufl.2004, Rn. 866[↩]
- OVG NRW, Beschluss vom 22.06.2010 – 7 B 479/10; OVG Berlin, Urteil vom 31.07.1992 – 2 B 3.91[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 09.10.2003, BauR 2004, 1128; OVG Hamburg, Beschluss vom 27.06.2008 – 2 Bf 209/06.Z[↩]
Bildnachweis:
- Gartenzaun,Nachbarn,Grundstück,: Pixabay | CC0 1.0 Universal
- Haus,Dorf,: Pixabay