Hat die Widerspruchsbehörde den Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen, weil der Bevollmächtigte die von ihm geforderte schriftliche Vollmacht trotz Fristsetzung bis zur Entscheidung über den Widerspruch nicht vorgelegt hat, kann die Vorlage einer Prozessvollmacht im gerichtlichen Verfahren den fehlenden Nachweis der Bevollmächtigung im Widerspruchsverfahren nicht mehr heilen1.

Mit der Befugnis der Behörde, von einem Bevollmächtigten einen schriftlichen Nachweis der Vollmacht zu verlangen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 VwVfG, § 79 Abs. 1 Satz 3 LVwG SH), verfolgt das Gesetz die Absicht, eine durch den fehlenden Nachweis der Vollmacht und das Fehlen der Genehmigung des Vertretenen eingetretene Unklarheit zu einem bestimmten Zeitpunkt enden zu lassen2. Dieses Ziel würde nicht erreicht, könnte der Bevollmächtigte den mangelnden Nachweis seiner Vollmacht im Widerspruchsverfahren auch noch nach Zurückweisung seines Widerspruchs als unzulässig durch Vorlage einer Prozessvollmacht rückwirkend heilen.
Unabhängig hiervon ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass die Vorlage der schriftlichen Vollmacht nach § 14 Abs. 1 Satz 3 VwVfG – und damit auch § 79 Abs. 1 Satz 3 LVwG SH – nicht Voraussetzung der Vertretungsbefugnis ist. Mit der Bestimmung ist vielmehr nur eine Nachweisregelung getroffen3. Da damit auch Vertreter ohne Bevollmächtigung im Verwaltungsverfahren vorläufig zugelassen werden können, ist die Behörde aus Gründen der Rechtssicherheit berechtigt; vom Bevollmächtigten einen schriftlichen Nachweis seiner Vollmacht zu verlangen4. Eine Einschränkung dieser Befugnis auf bestimmte Situationen oder einen Ausschluss für den Fall, dass es sich bei dem Bevollmächtigten um einen Rechtsanwalt handelt, sieht die Regelung nicht vor. Die Sonderregelung in § 67 Abs. 6 Satz 4 VwGO für Rechtsanwälte findet in § 14 Abs. 1 Satz 3 VwVfG des Bundes/§ 79 Abs. 1 Satz 3 LVwG SH keine Entsprechung.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. Juli 2022 – 3 B 37.21
- vgl. BVerwG, Urteil vom 03.05.2011 – 7 A 9.09, Buchholz 445.5 § 14 WaStrG Nr. 12 Rn. 22 für das Klageverfahren[↩]
- vgl. Gemeinsamer Bundesverwaltungsgericht der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 17.04.1984 – GmS-OGB 2/83, BVerwGE 69, 380 <382> 15[↩]
- BVerwG, Urteil vom 24.07.2014 – 3 C 23.13, Buchholz 451.505 Einzelne Stützungsregelungen Nr. 7 26[↩]
- vgl. Geis, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: August 2021, § 14 Rn. 18; Hönig, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 6. Aufl.2021, § 14 Rn. 35; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl.2021, § 14 Rn. 17; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl.2018, § 14 Rn. 14[↩]
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