Die NPD – und ihr Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung

Die NPD ist mit ihrem Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Gesetz zum Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der Parteienfinanzierung sowie die entsprechende Änderung des Grundgesetzes gescheitert, das Bundesverfassungsgericht hat den Antrag der NPD verworfen.

Die NPD – und ihr Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung

Das Organstreitverfahren betrifft die Frage, ob der Deutsche Bundestag als Bundestag die NPD in ihren Rechten aus Art. 21 Abs. 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 1 und 2, Art. 79 Abs. 3 GG verletzt hat, indem er mit Beschluss zur Änderung des Grundgesetzes vom 22.06.2017 in Art. 21 Abs. 3 und 4 GG die Möglichkeit geschaffen hat, verfassungsfeindliche Parteien durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von der staatlichen Finanzierung auszuschließen.

Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD brachten am 16.05.2017 den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 21)“1 sowie den „Entwurf eines Gesetzes zum Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der Parteienfinanzierung“2 in den Bundestag ein. Dieser nahm beide Entwürfe in seiner 240. Sitzung am 22.06.2017 entsprechend der Beschlussempfehlung des Innenausschusses3 mit der jeweils erforderlichen Mehrheit an4.

Der Bundesrat stimmte in seiner 959. Sitzung am 7.07.2017 mit der jeweils erforderlichen Mehrheit zu5. Zugleich nahm er einen Antrag aller Länder6 an, wonach er seine Auffassung bekräftige, dass die NPD verfassungsfeindliche Ziele verfolge und daher von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden müsse7.

Das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (GGÄndG) wurde am 13.07.2017 durch den Bundespräsidenten ausgefertigt und am 19.07.2017 verkündet8. Es trat am 20.07.2017 in Kraft (Art. 2 GGÄndG). Das Gesetz zum Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der Parteienfinanzierung (PartFinAusschlG) wurde am 18.07.2017 vom Bundespräsidenten ausgefertigt und am 28.07.2017 im Bundesgesetzblatt verkündet9. Es trat am 29.07.2017 in Kraft (Art. 8 PartFinÄndG).

Infolge des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 1 Nr. 2) haben Art. 21 Abs. 3 und 4 GG nunmehr folgenden Wortlaut:

(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

Das Gesetz zum Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der Parteienfinanzierung (Art. 1) hat vor allem Änderungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes zum Gegenstand.

§ 43 Abs. 1 BVerfGG bestimmt nunmehr:

(1) Der Antrag auf Entscheidung, ob eine Partei verfassungswidrig (Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes) oder von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen ist (Artikel 21 Absatz 3 des Grundgesetzes), kann von dem Bundestag, dem Bundesrat oder von der Bundesregierung gestellt werden. Der Antrag auf Entscheidung über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung kann hilfsweise zu einem Antrag auf Entscheidung, ob eine Partei verfassungswidrig ist, gestellt werden.

Der neu eingefügte § 46a BVerfGG lautet:

(1) Erweist sich der Antrag auf Entscheidung gemäß Artikel 21 Absatz 3 des Grundgesetzes als begründet, so stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Partei für sechs Jahre von der staatlichen Finanzierung nach § 18 des Parteiengesetzes ausgeschlossen ist. Die Feststellung ist auf Ersatzparteien zu erstrecken. Dass eine Partei die Bestrebungen einer nach Satz 1 von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossenen Partei als Ersatzpartei an deren Stelle weiter verfolgt oder fortführt, stellt das Bundesverfassungsgericht entsprechend Satz 1 fest. Die Feststellung erfolgt auf Antrag eines Berechtigten nach § 43 Absatz 1 Satz 1; § 45 ist auf das Verfahren nicht anzuwenden.

(2) Beantragt einer der Antragsberechtigten spätestens sechs Monate vor Ablauf der Frist nach Absatz 1 Satz 1 ihre Verlängerung, bleibt die Partei bis zur Entscheidung über diesen Antrag von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. § 45 ist auf das Verfahren nicht anzuwenden. Das Bundesverfassungsgericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Für die Entscheidung gilt Absatz 1 entsprechend. Erneute Verlängerungsanträge sind statthaft.

Die NPD hat beantragt, festzustellen, dass der Bundestag durch den Beschluss von Art. 1 GGÄndG ihre Rechte aus Art. 21 Abs. 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 1, 2 und Art. 79 Abs. 3 GG verletzt hat.

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Am 17.07.2019 stellten der Deutsche Bundestag, der Bundesrat sowie die Bundesregierung einen Antrag auf Ausschluss der NPD von staatlicher Finanzierung10.

Der Antrag im Organstreitverfahren ist unzulässig, entschied nun das Bundesverfassungsgericht. Der Beschluss des Bundestags zur Änderung des Grundgesetzes dürfte bereits kein tauglicher Gegenstand des Organstreitverfahrens sein. Jedenfalls fehlt der NPD die Antragsbefugnis:

Bei dem Organstreit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG handelt es sich um eine kontradiktorische Parteistreitigkeit; er dient maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht hingegen der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns11. Kern des Organstreitverfahrens ist auf Seiten des Antragstellers die Durchsetzung eigener Rechte12. Der Organstreit eröffnet daher nicht die Möglichkeit einer objektiven Beanstandungsklage13. Für eine allgemeine, von eigenen Rechten des Antragstellers losgelöste abstrakte Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit einer angegriffenen Maßnahme ist im Organstreitverfahren kein Raum14.

Gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG ist der Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Bundestags in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Der Begriff der Maßnahme ist weit auszulegen15. Als Maßnahme kommt jedes rechtserhebliche Verhalten des Bundestags in Betracht, das geeignet ist, die Rechtsstellung des Antrag- stellers zu beeinträchtigen16.

Maßnahme im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG kann auch der Erlass eines Gesetzes sein17, wenn er im Widerspruch zu Verfassungsnormen steht und Rechte eines Verfahrensbeteiligten verletzt18. Auch die Mitwirkung an einem Normsetzungsakt kommt in Betracht19. Maßnahme im Sinne eines zulässigen Angriffsgegenstands im Organstreit ist jedoch nicht das Gesetz als solches, sondern allein dessen Erlass durch die gesetzgebende Körperschaft20. Der Organstreit dient nicht der abstrakten Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit einer Norm21.

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Nach diesen Maßstäben dürfte es bereits an einem tauglichen Antragsgegenstand fehlen, da der Erlass des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes sich nicht als eine rechtserhebliche Maßnahme darstellt, durch die das Recht der NPD auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb verletzt oder unmittelbar gefährdet wird.

Der durch den Bundestag gefasste Beschluss über Art. 1 GGÄndG eröffnet zwar die Möglichkeit des Ausschlusses politischer Parteien von der staatlichen Finanzierung. Durch die gesetzliche Regelung dürfte der verfassungsrechtliche Status der NPD aber noch nicht unmittelbar betroffen sein. Allein der Erlass des Gesetzes führt nicht zu deren Ausschluss von staatlicher Finanzierung. Hierzu bedarf es vielmehr der Einleitung eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht, das nach Art. 21 Abs. 4 Variante 2 GG allein über den Ausschluss einer Partei von staatlicher Finanzierung entscheidet. Ein entsprechender Antrag kann nur durch Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung gestellt werden (§ 43 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Liegt ein solcher vor, gibt das Bundesverfassungsgericht gemäß § 45 BVerfGG dem Vertretungsberechtigten der betroffenen Partei Gelegenheit zur Äußerung und beschließt dann, ob der Antrag als unzulässig oder als nicht hinreichend begründet zurückzuweisen oder ob die Verhandlung durchzuführen ist. Eine Beeinträchtigung der Rechtsstellung der NPD ist daher mit dem bloßen Erlass des Gesetzes noch nicht verbunden.

Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 17.01.2017, wonach die NPD nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstrebt22. Diese führt nicht zur Entbehrlichkeit eines eigenständigen Verfahrens zum Finanzierungsausschluss. Dieser setzt einen ausdrücklich darauf gerichteten Antrag der in § 43 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG genannten Verfassungsorgane und die Durchführung des Vorverfahrens gemäß § 45 BVerfGG voraus. Dem genügen die Durchführung und das Ergebnis des Verbotsverfahrens nicht. Zudem beruht die genannte Feststellung des Bundesverfassungsgerichts auf Erkenntnissen aus der Zeit vor Erlass des Urteils vom 17.01.2017. Schon vor diesem Hintergrund vermag sie einen Ausschluss der NPD von staatlicher Finanzierung zum jetzigen Zeitpunkt alleine nicht zu tragen.

Eine andere Bewertung folgt schließlich nicht daraus, dass zwischenzeitlich ein Antrag auf Ausschluss der NPD von staatlicher Finanzierung gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG gestellt worden ist. Dabei handelt es sich um einen eigenständigen, im Rahmen des Parteifinanzierungsausschlussverfahrens nach Art. 21 Abs. 3 und 4 GG, § 13 Nr. 2a, §§ 43 ff. BVerfGG zu beurteilenden Antrag, der den Charakter des antragsgegenständlichen Gesetzesbeschlusses selbst nicht verändert.

Die NPD ist jedenfalls nicht antragsbefugt.

Die Antragsbefugnis setzt voraus, dass nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass der Bundestag Rechte des Antragstellers, die aus einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten erwachsen, durch die beanstandete rechtserhebliche Maßnahme oder Unterlassung verletzt oder unmittelbar gefährdet hat23. Für die Zulässigkeit eines Organstreitverfahrens erforderlich, aber auch ausreichend ist es, dass die von dem Antragsteller behauptete Verletzung oder unmittelbare Gefährdung seiner verfassungsmäßigen Rechte unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäbe nach dem vorgetragenen Sachverhalt möglich erscheint24.

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Diesen Anforderungen wird der Antrag nicht gerecht. Die NPD hat die Möglichkeit einer Verletzung oder unmittelbaren Gefährdung ihres Rechts auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb aus Art. 21 Abs. 1 GG nicht dargelegt.

Das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit folgt aus der Bedeutung, die der Freiheit der Parteigründung und -betätigung sowie dem Mehrparteienprinzip für die freiheitliche Demokratie zukommt25. Es steht allen politischen Parteien zu, die nicht im Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG vom Bundesverfassungsgericht verboten worden sind26. Der Grundsatz der Chancengleichheit hängt eng mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zusammen. Daher ist der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien in einem strikten und formalen Sinn zu verstehen27. Greift die öffentliche Gewalt in den Parteienwettbewerb in einer Weise ein, die geeignet ist, die Chancen der politischen Parteien zu verändern, sind ihrem Ermessen daher besonders enge Grenzen gezogen28.

Verboten ist deshalb jede unterschiedliche Behandlung, die nicht durch einen besonderen, in der Vergangenheit als zwingend bezeichneten Grund gerechtfertigt ist29. Der Gesetzgeber darf insbesondere die vorgefundene Wettbewerbslage nicht verändern oder verfälschen30. Der Grundsatz der Chancengleichheit verlangt nicht, vorgegebene Unterschiede auszugleichen, um dadurch Wettbewerbsgleichheit herzustellen. Er verwehrt es dem Gesetzgeber jedoch, durch finanzielle Zuwendungen bestehende faktische Ungleichheiten der Wettbewerbschancen zu verschärfen31.

Davon ausgehend hat die NPD die Möglichkeit nicht dargetan, bereits durch den antragsgegenständlichen Gesetzesbeschluss in eigenen Rechten verletzt oder unmittelbar gefährdet zu sein. Sie verfolgt mit ihrem Antrag erkennbar nicht das Ziel einer Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis, sondern stellt die Verfassungsmäßigkeit der vom Bundestag beschlossenen Änderung des Grundgesetzes abstrakt zur Prüfung. Es handelt sich um eine objektive Beanstandungsklage, die die NPD in das Gewand eines Organstreits zu kleiden sucht.

Soweit die NPD vorgetragen hat, dass die Stellung eines Antrags nach Art. 21 Abs. 3 und 4 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 2a BVerfGG kurz bevorstehe und sie daher in ihren organschaftlichen Rechten unmittelbar gefährdet sei, verkennt sie, dass nicht der Erlass des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, sondern erst der antragsgemäße tatsächliche Ausschluss von der staatlichen Finanzierung sie in ihrem Recht auf politische Chancengleichheit verletzen kann. Vor diesem Hintergrund kommt es für die Möglichkeit einer Verletzung oder unmittelbaren Gefährdung durch den Gesetzeserlass auch nicht darauf an, dass zwischenzeitlich ein Antrag auf Ausschluss der NPD von staatlicher Finanzierung gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG gestellt worden ist.

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Die NPD legt zudem nicht schlüssig dar, dass zwischen ihr und dem Bundestag ein im Organstreit rügefähiges eigenes Verfassungsrechtsverhältnis besteht. Sie stützt ihren Antrag darauf, dass der Ausschluss von Parteien mit verfassungswidrigen Zielen von der staatlichen Finanzierung deren Fähigkeit zur Mitwirkung an der Willensbildung des Volkes schwäche. Damit behauptet sie einen alle Parteien gleichermaßen betreffenden Eingriff in das Recht auf Chancengleichheit, nicht aber den Bestand eines Verfassungsrechtsverhältnisses zwischen ihr und dem Bundestag. Dies gilt auch, soweit sie insbesondere auf kleine außerparlamentarische Parteien verweist, die wie sie selbst mangels Potentialität keine Aussicht auf Durchsetzung ihrer Ziele hätten. Auch insofern verharrt ihre Argumentation auf einer abstrakten Ebene.

Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die NPD behauptet, bei dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz handele es sich um eine „Lex NPD“.

Soweit sie pauschal vorträgt, dies gehe bereits aus der Begründung des Gesetzentwurfs hervor, ist diese Ansicht nicht nachvollziehbar. Der Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und SPD nimmt einleitend zwar Bezug auf das die NPD betreffende Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.01.201732. Bereits die Passage des Urteils, die den Anstoß für den Gesetzentwurf gegeben haben dürfte, gibt dieser aber dahingehend wieder, dass es dem Gesetzgeber freistehe, neben dem Parteiverbot weitere, abgestufte Sanktionsmöglichkeiten „gegenüber Parteien“ mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung zu schaffen33. Auch die weitere Begründung des Gesetzentwurfs stellt allgemein auf „Parteien“ ab; diese sollten mit dem Gesetzentwurf von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen werden, wenn sie nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Mitglieder darauf ausgerichtet seien, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden34.

Daran ändern auch die von der NPD zitierten Äußerungen von zwei Mitgliedern des Deutschen Bundestages im Rahmen der Gesetzesberatung, der Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz im Bundesrat sowie eines Sachverständigen vor dem Innenausschuss des Bundestags nichts.

Soweit der damalige Bundestagsabgeordnete Dr. Harbarth geäußert hat, dass das Gesetz die Grundlage dafür lege, der NPD die staatliche Finanzierung zu entziehen35, kommt darin lediglich zum Ausdruck, dass eine Anwendung des Gesetzes auf die NPD angestrebt wird, nicht hingegen, dass das Gesetz in seinem Anwendungsbereich allein auf die NPD beschränkt sein soll.

Die Äußerung der Bundestagsabgeordneten Künast, wonach es sich bei dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz um eine „Lex NPD“ handele, führt zu keinem anderen Ergebnis. Für die Frage nach Regelungskonzeption und Zweck eines Gesetzes kommt den Gesetzesmaterialien, in denen sich regelmäßig die im Verfahren als wesentlich erachteten Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe und Personen finden, zwar eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu36. Nicht entscheidend sind aber die subjektiven Vorstellungen einzelner Mitglieder der beteiligten Organe37. Bei der Äußerung der damaligen Oppositionspolitikerin Künast handelt es sich um eine solche subjektive Bewertung einer einzelnen Abgeordneten.

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Soweit die NPD auf die Ausführungen der Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz in der Sitzung des Bundesrates vom 07.07.2017 verweist, wonach der Bundesrat „mit der heutigen Entschließung“ seine Auffassung bekräftige, dass die NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden müsse, betrifft diese Äußerung allein den Entschließungsantrag der Länder6, über den der Bundesrat gesondert Beschluss gefasst hat38, und den die NPD nicht angegriffen hat. Zu dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz hat die Ministerpräsidentin lediglich ausgeführt, damit werde es möglich, „verfassungsfeindliche Parteien in der Zukunft von der Parteienfinanzierung“ auszuschließen39.

Dass es sich vorliegend um ein nur die NPD betreffendes Gesetz handelt, folgt auch nicht aus der schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen Professor  Möllers. Soweit dieser ausgeführt hat, dass die Schaffung eines gesonderten, von einem Verbotsantrag losgelösten Verfahrens zum Finanzierungsausschluss allein dazu dienen dürfte, die NPD von der staatlichen Finanzierung auszuschließen, handelt es sich erkennbar um eine rechtspolitische Meinungsäußerung unter dem Gliederungspunkt „4. Rechtspolitisches Bedenken II: Wozu ein eigenes Verfahren?“40. Selbst wenn darin die Einschätzung des Sachverständigen zum Ausdruck kommen mag, dass ein Ausschluss der NPD von staatlicher Finanzierung angestrebt werde, ändert dies nichts daran, dass das Gesetz in seiner Geltung nicht auf diese beschränkt ist.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20. Juni 2023 – 2 BvE 1/17

  1. BT-Drs. 18/12357[]
  2. BT-Drs. 18/12358[]
  3. BT-Drs. 18/12846[]
  4. vgl. Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18/240 vom 22.06.2017, S. 24559 ff.[]
  5. vgl. Bundesrat, Plenarprotokoll 959 vom 07.07.2017, S. 325 f.; BR-Drs. 509/17 , I.[]
  6. BR-Drs. 509/1/17[][]
  7. vgl. Bundesrat, Plenarprotokoll 959 vom 07.07.2017, S. 327; BR-Drs. 509/17 , II.[]
  8. BGBl I S. 2346[]
  9. BGBl I S. 2730[]
  10. BVerfG – 2 BvB 1/19[]
  11. vgl. BVerfGE 126, 55 <67 f.> 138, 256 <258 f. Rn. 4> 140, 1 <21 f. Rn. 58> 143, 1 <8 Rn. 29> 147, 50 <122 Rn. 178> 150, 194 <200 Rn. 18> 151, 58 <64 Rn. 14> – Änderung Parteienfinanzierung – Eilantrag; 151, 191 <198 Rn.20> – Bundesverfassungsrichterwahl II; BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvE 5/18, Rn. 40 – PartGuaÄndG 2018 – Organstreit; stRspr[]
  12. vgl. BVerfGE 150, 194 <200 Rn. 18> 151, 191 <198 Rn.20> BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvE 5/18, Rn. 40[]
  13. vgl. BVerfGE 118, 277 <319> 126, 55 <68> 138, 256 <259 Rn. 5> 140, 1 <21 f. Rn. 58> 150, 194 <200 Rn. 18> 151, 191 <198 Rn.20> BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvE 5/18, Rn. 40[]
  14. vgl. BVerfGE 118, 277 <318 f.> 150, 194 <200 Rn. 18> 151, 191 <198 Rn.20> BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvE 5/18, Rn. 40; stRspr[]
  15. vgl. BVerfGE 140, 115 <139 Rn. 59> BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvE 5/18, Rn. 41[]
  16. vgl. BVerfGE 118, 277 <317> 138, 45 <59 f. Rn. 27> 140, 115 <139 f. Rn. 59> BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvE 5/18, Rn. 41[]
  17. vgl. BVerfGE 2, 143 <177> 20, 119 <129> 20, 134 <141> 24, 300 <329> 73, 40 <65> 80, 188 <209> 92, 80 <87> 118, 277 <317>[]
  18. vgl. BVerfGE 1, 208 <220> 4, 144 <148> 82, 322 <335> 99, 332 <336 f.> BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvE 5/18, Rn. 42[]
  19. vgl. BVerfGE 118, 277 <317> BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvE 5/18, Rn. 42[]
  20. vgl. BVerfGE 99, 332 <337> 102, 224 <234> BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvE 5/18, Rn. 42[]
  21. vgl. BVerfGE 20, 119 <129>[]
  22. vgl. BVerfGE 144, 20 <246 ff. Rn. 633 ff.>[]
  23. vgl. BVerfGE 94, 351 <362 f.> 99, 19 <28> 104, 14 <19> 104, 310 <325> 108, 251 <271 f.> 118, 277 <317> 134, 141 <194 Rn. 160> 140, 115 <144 Rn. 74> BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvE 5/18, Rn. 53[]
  24. vgl. BVerfGE 138, 256 <259 Rn. 6> 140, 1 <22 Rn. 58> 150, 194 <201 Rn.20> 151, 191 <199 Rn. 22> BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvE 5/18, Rn. 53; stRspr[]
  25. vgl. BVerfGE 47, 198 <225> 73, 40 <88> 85, 264 <297> 111, 54 <104> stRspr[]
  26. vgl. BVerfGE 7, 99 <107> 111, 54 <104>[]
  27. vgl. BVerfGE 8, 51 <64 f.> 85, 264 <297> 111, 54 <105> BVerfG, Urteil vom 15.06.2022 – 2 BvE 4/20, 2 BvE 5/20, Rn. 72 – Äußerungen der Bundeskanzlerin Merkel in Südafrika[]
  28. vgl. BVerfGE 8, 51 <64 f.> 14, 121 <133> 24, 300 <341> 44, 125 <146> 73, 40 <88 f.> 85, 264 <297> 111, 54 <105>[]
  29. vgl. BVerfGE 8, 51 <65> 14, 121 <133> 34, 160 <163> 44, 125 <146> 47, 198 <227> 111, 54 <105>[]
  30. vgl. BVerfGE 41, 399 <413> 42, 53 <58 f.> 73, 40 <89> 85, 264 <297> 111, 54 <105>[]
  31. vgl. BVerfGE 20, 56 <118> 41, 399 <413 f.> 42, 53 <59> 73, 40 <89> 78, 350 <358> 85, 264 <297> 111, 54 <105> stRspr[]
  32. BVerfGE 144, 20[]
  33. vgl. BT-Drs. 18/12357, S. 4 mit Verweis auf BVerfGE 144, 20 <242 Rn. 625>[]
  34. vgl. BT-Drs. 18/12357, S. 4 ff.[]
  35. vgl. Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18/240 vom 22.06.2017, S. 24551[]
  36. vgl. BVerfGE 149, 126 <154 f. Rn. 74> m.w.N.[]
  37. vgl. BVerfGE 157, 223 <263 f. Rn. 106> m.w.N. – Berliner Mietendeckel[]
  38. vgl. Bundesrat, Plenarprotokoll 959 vom 07.07.2017, S. 327[]
  39. vgl. Bundesrat, Plenarprotokoll 959 vom 07.07.2017, S. 325[]
  40. vgl. Möllers, Ausschussdrucksache 18<4>899 B, S. 3 f.[]
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