Die religiöse Äußerungsfreiheit genießt, auch soweit es um eine Predigt geht, keinen absoluten Vorrang vor den Belangen des Persönlichkeits- und Ehrenschutzes. Bei der gebotenen Abwägung des religiösen Äußerungsrechts mit den widerstreitenden Belangen sind die insbesondere in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Ausgleich von Meinungsfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht entwickelten Gesichtspunkte heranzuziehen, die Kriterien und Vorzugsregeln für die konkrete Abwägung vorgeben.

Das in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt die im Grundgesetz normierten Freiheitsrechte und gewährleistet die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen. Zu den anerkannten Inhalten dieses Rechts gehören das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person, die soziale Anerkennung sowie die persönliche Ehre. Eine wesentliche Gewährleistung ist der Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen der Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die Person insbesondere vor verfälschenden oder entstellenden Darstellungen, die von nicht ganz unerheblicher Bedeutung für die Persönlichkeitsentfaltung sind. Der grundrechtliche Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts legt dem Staat die Pflicht auf, den Einzelnen vor Gefährdungen dieses Rechts durch Dritte zu schützen [1].
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist jedoch nicht vorbehaltlos gewährleistet. Nach Art. 2 Abs. 1 GG wird es durch die verfassungsmäßige Ordnung einschließlich der Rechte anderer beschränkt. Zu diesen Rechten gehört neben der Freiheit der Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auch das einheitliche Grundrecht der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG [2], das die Bekenntnis- und die Religionsausübungsfreiheit und insoweit – als gegenüber Art. 5 Abs. 1 GG speziellere Gewährleistung – die Äußerungen in einer Predigt umfasst [3]. Auch die Religionsfreiheit ist indessen nicht schrankenlos garantiert. Sie steht zwar nicht unter einem Gesetzesvorbehalt, findet aber nach dem Prinzip der Einheit der Verfassung ihre (verfassungsimmanenten) Schranken in kollidierendem Verfassungsrecht, insbesondere in Grundrechten Dritter [4]. Dabei versteht sich von selbst, dass die Grundrechte in der Ausgestaltung anzuwenden sind, die sie insbesondere in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfahren haben. Im Wege der praktischen Konkordanz sind beide betroffenen Verfassungsgüter zu einem schonenden Ausgleich zu bringen. Das erfordert eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, als deren Ergebnis das (Vorrang-)Verhältnis der von der Verfassung als Schutzgüter anerkannten Belange zutage tritt [5]. Die Annahme, die religiöse Äußerungsfreiheit, insbesondere im Rahmen einer Predigt, genieße absoluten Vorrang vor den Belangen des Persönlichkeits- und Ehrenschutzes, ist demnach verfehlt.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 8. August 2011 – 7 B 41.11
- siehe BVerfG, Beschlüsse vom 03.06.1980 – 1 BvR 185/77, BVerfGE 54, 148, 153 f. und vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, BVerfGE 114, 339, 346 f., m.w.N.[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 16.10.1968 – 1 BvR 241/66, BVerfGE 24, 236, 245[↩]
- siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 26.03.2001 – 2 BvR 943/99 – NVwZ 2001, 908[↩]
- BVerfG, Urteil vom 24.09.2003 – 2 BvR 1436/02, BVerfGE 108, 282, 297[↩]
- BVerfG, Beschlüsse vom 27.11.1990 – 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130, 143, 146; und vom 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, 1, 21; BVerwG, Urteile vom 21.12.2000 – 3 C 20.00, BVerwGE 112, 314, 318 = Buchholz 418.35 § 3 BtMG Nr. 4 und vom 24.06.2004 – 2 C 45.03, BVerwGE 121, 140, 148 = Buchholz 237.0 § 9 BaWüLBG Nr. 1[↩]