Die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft und die „Waffengleichheit“

Der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen Staatsanwaltschaft und Beschuldigten, der sich aus dem Recht auf ein faires Verfahren ergibt, ist auch im Rahmen der Pressearbeit der Staatsanwaltschaft zu berücksichtigen. Liegt zwischen der Information der Verteidiger und der Information der Presse nur ein Zeitraum von zwei Stunden, kann das nicht ausreichend sein.  Will die Staatsanwaltschaft die Presse kurz nach Anklageerhebung unterrichten, muss sie dem Beschuldigten zuvor die vollständige Anklageschrift übermitteln und ihm zeitlich die Möglichkeit einräumen, angemessen auf das behördliche Informationshandeln reagieren zu können.

Die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft und die „Waffengleichheit“

Mit dieser Begründung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in dem hier vorliegenden Fall den Antrag des Freistaates Bayern auf Zulassung der Berufung abgelehnt und damit gleichzeitig das vorherige Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg1 bestätigt. Nachdem die Staatsanwaltschaft Regensburg am Morgen des 27. Juli 2017 gegen den Kläger Anklage u.a. wegen Bestechung, Vorteilsgewährung und Verstößen gegen das Parteiengesetz erhoben hatte, wurde mittags eine Pressemitteilung veröffentlicht und zur Durchführung einer mündlichen Presseinformation am selben Tag geladen. Die Verteidiger des Klägers wurden erst zwei Stunden zuvor über die Anklageerhebung informiert und diesen den 25-seitigen Anklagesatz der Anklageschrift zugefaxt. Laut Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg war die Staatsanwaltschaft hierzu nicht berechtigt. Auch wenn die Pressearbeit inhaltlich nicht zu beanstanden sei, habe die Anklagebehörde das Recht des Klägers auf ein faires Verfahren verletzt. Dagegen ist vom Freistaat Bayern Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg gestellt worden.

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Nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs habe das Verwaltungsgericht Regensburg zu Recht angenommen, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung habe, dass die beanstandete Pressearbeit rechtswidrig gewesen sei. Zwar sei das Ermittlungsverfahren gegen einen Mitbeschuldigten zwischenzeitlich eingestellt worden, aber die Staatsanwaltschaft ermittle wegen weitgehend desselben Sachverhalts immer noch gegen den Kläger. So sei im Fall einer Anklage erneut von einem erheblichen medialen Interesse auszugehen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist der Meinung, es bestehe die konkrete Gefahr, dass die Staatsanwaltschaft ihre Pressearbeit in Bezug auf den Kläger auch künftig nicht anders gestalten werde.

Desweiteren hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ausführlich erklärt, dass mit der beanstandeten Pressearbeit gleich zweifach gegen das Recht des Klägers auf ein faires Verfahren verstoßen worden sei. Ein Zeitraum von nur zwei Stunden zwischen der Information der Verteidiger und der Information der Presse sei in diesem Fall nicht ausreichend gewesen. Die Verteidiger hätten zudem das wesentliche Ermittlungsergebnis erhalten müssen.  Darüber hinaus sei der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen Staatsanwaltschaft und Beschuldigten, der sich aus dem Recht auf ein faires Verfahren ergebe, auch im Rahmen der Pressearbeit der Staatsanwaltschaft zu berücksichtigen. Wolle sie die Presse kurz nach Anklageerhebung unterrichten, müsse sie dem Beschuldigten zuvor die vollständige Anklageschrift übermitteln und ihm zeitlich die Möglichkeit einräumen, angemessen auf das behördliche Informationshandeln reagieren zu können. Diese Grundsätze habe die Staatsanwaltschaft nicht beachtet.

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 20. August 2020 – 7 ZB 19.1999

  1. VG Regensburg, Urteil vom 23.07.2019 – RO 4 K 17.1570[]

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