Die Schulpflicht und das religiöse Erziehungsrecht der Eltern

Die El­tern kön­nen ge­stützt auf re­li­giö­se Er­zie­hungs­vor­stel­lun­gen nur in Aus­nah­me­fäl­len die Be­frei­ung ihrer Kin­der von einer Un­ter­richts­ver­an­stal­tung ver­lan­gen. An­ge­hö­ri­gen der Glau­bens­ge­mein­schaft der Zeu­gen Je­ho­vas ist es zu­mut­bar, dass ihre Kin­der in der Schu­le an der Vor­füh­rung eines Spiel­films teil­neh­men, in dem das Prak­ti­zie­ren schwar­zer Magie dar­ge­stellt wird.

Die Schulpflicht und das religiöse Erziehungsrecht der Eltern

Die Schule ist daher nicht aufgrund des religiösen Erziehungsrechts der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 GG verpflichtet, deren Sohn von der Teilnahme an der Vorführung des Filmes „Krabat“ zu befreien. Das Grundrecht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 GG gebietet im vorliegenden Fall keine Unterrichtsbefreiung.

Allerdings hat die Schule mit der Ablehnung des Befreiungsantrags in den Schutzbereich dieses Grundrechts eingegriffen.

Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG erkennt Pflege und Erziehung der Kinder als natürliches Recht der Eltern an. In Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 GG schützt die Norm auch das Recht der Eltern zur Erziehung ihrer Kinder in religiöser Hinsicht. Es ist Sache der Eltern, ihren Kindern diejenigen Überzeugungen in Glaubensfragen zu vermitteln, die sie für richtig halten1. Die durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit umfasst nicht nur die (innere) Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch die Freiheit, den Glauben in der Öffentlichkeit zu manifestieren und zu verbreiten. Umfasst ist auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren des Glaubens auszurichten und im Alltag seiner Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln2. Korrespondierend hiermit schließt das religiöse Erziehungsrecht der Eltern ein, darauf hinzuwirken, dass auch ihre Kinder in ihrem alltäglichen Verhalten die Vorgaben des Glaubens beachten, den die Eltern für richtig halten und ihren Kindern zu vermitteln trachten.

Das Befreiungsverlangen der Eltern war tatbestandlich von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 GG erfasst. Die Aussagen der Lehren der Zeugen Jehovas erfüllen die Merkmale des Begriffs des Glaubens im Sinne von Art. 4 Abs. 1 GG3. Die Eltern haben nach der Wertung des Oberverwaltungsgerichts in objektiv nachvollziehbarer Weise dargetan4, dass sie jegliche Befassung mit Spiritismus und schwarzer Magie aus Glaubensgründen ablehnen und vor diesem Hintergrund die Teilnahme ihres Sohnes an der Vorführung des Filmes, der das Praktizieren schwarzer Magie in einigen Szenen darstelle, einem für sie verbindlichen, nach ihrer erzieherischen Vorstellung auch von ihrem Sohn zu beachtenden Glaubensgebot widersprochen hätte. Hiervon ausgehend ist das Oberverwaltungsgericht zu der nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und daher den Senat bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) Feststellung gelangt, dass die Eltern aufgrund der Haltung der Schule vor einem ernsthaften, glaubensbedingten Gewissenskonflikt standen.

Dass in der fraglichen Glaubensüberzeugung der Eltern ein besonders weitreichendes religiöses Regelverständnis zum Vorschein tritt, das Außenstehenden – womöglich selbst anderen Angehörigen der Glaubensgemeinschaft der Eltern – überzogen erscheinen mag, ist nicht zu beanstanden. Den Bürgern ist das Verfolgen ihrer jeweiligen Glaubensüberzeugungen ungeachtet ihrer zahlenmäßigen Stärke, sozialen Relevanz oder ihrer Anerkennung durch Dritte verfassungsrechtlich gewährleistet, solange sie nicht in unzulässigen Widerspruch zu anderen Wertentscheidungen der Verfassung geraten. Dem Staat ist es verwehrt, Glaubensüberzeugungen der Bürger einer extern vorgenommenen inhaltlichen Bewertung zu unterziehen und sie hieran anknüpfend vom verfassungsrechtlich gebotenen Grundrechtsschutz von vornherein auszunehmen5.

Den Eltern ist die Berufung auf ihre grundrechtliche Position nicht deshalb abgeschnitten, weil sie bereits im Verwaltungsverfahren die Anforderung verfehlt hätten, substantiiert und in nachvollziehbarer Weise einen Befreiungsgrund im Sinne von § 43 Abs. 3 Satz 1 SchulG NRW darzulegen. Diese Vorschrift legt fest, dass eine Befreiung „auf Antrag der Eltern“ gewährt wird. Ein solcher Antrag lag hier vor. Zwar ist davon auszugehen, dass das Antragserfordernis des § 43 Abs. 3 Satz 1 SchulG NRW gerade bei Berufung auf religiöse Belange bestimmte Darlegungsobliegenheiten einschließt. Mit ihnen wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Schule im Rahmen der ihr obliegenden Amtsermittlung (§ 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) das Vorliegen eines glaubensbedingten Gewissenskonfliktes allein mit den ihr unmittelbar zur Verfügung stehenden Mitteln meist nicht festzustellen vermag und – weil es insoweit maßgeblich auf das religiöse Selbstverständnis des Grundrechtsträgers ankommt – zu einer solchen Feststellung ohne Vorliegen von Angaben des Betroffenen auch gar nicht berechtigt wäre. Demgemäß wird eine Schule mit der Ablehnung eines Befreiungsantrags nicht rechtswidrig handeln, wenn der Antragsteller, spätestens auf die gebotene Nachfrage der Schule hin, sein Befreiungsbegehren nicht in einer Weise erläutert, die der Schule eine sachgerechte Prüfung ermöglicht. Verabsäumt er dies, ist die Schule nicht gehindert, den Antrag wegen Nichterfüllung der formellen Befreiungsvoraussetzungen abzulehnen. Im gerichtlichen Verfahren würde es dann – jedenfalls in der hier einschlägigen Konstellation einer Fortsetzungsfeststellungsklage – auf das Vorliegen der materiellen Befreiungsvoraussetzungen nicht mehr ankommen. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen hatten jedoch die Eltern dem Deutschlehrer ihres Sohnes schriftlich mitgeteilt, sie würden aus religiösen Gründen nicht wollen, dass ihr Sohn an der Vorführung eines „mystischen Films“ teilnehme. In einem anschließenden Gespräch mit dem Schulleiter bekräftigten die Eltern ihre Position unter Verweis auf verschiedene Bibeltexte; alle Berührungspunkte mit Spiritismus und jeglicher Form von Magie seien zu meiden. Der Schulleiter erklärte hierzu, er sei nicht bereit, sich auf bibelexegetische Erörterungen einzulassen. Angesichts dieser Sachlage kann den Eltern nicht vorgehalten werden, sie hätten im Verwaltungsverfahren den drohenden Glaubenskonflikt nicht benannt bzw. hätten nicht das Ihre getan, um der Schule die von ihnen befürchtete Beeinträchtigung ihres religiösen Erziehungsrechts hinreichend verständlich zu machen.

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Da die Eltern die Klage nur im eigenen Namen erhoben haben, ist die Ablehnung der Unterrichtsbefreiung nicht an der Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) ihres Sohnes zu messen. Diese entfaltet ohnehin in der vorliegenden Konstellation keine weitergehende Schutzwirkung als das religiöse Erziehungsrecht der Eltern6.

Das religiöse Erziehungsrecht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 GG ist durch die Ablehnung des Befreiungsantrags nicht verletzt worden. Die Ablehnung war aufgrund des staatlichen Bestimmungsrechts im Schulwesen (Art. 7 Abs. 1 GG) gerechtfertigt.

Das religiöse Erziehungsrecht der Eltern ist zwar vorbehaltlos gewährt, wird jedoch auf Ebene der Verfassung durch das staatliche Bestimmungsrecht im Schulwesen beschränkt, das in Art. 7 Abs. 1 GG verankert ist7. Art. 7 Abs. 1 GG überantwortet dem Staat die Aufsicht über das gesamte Schulwesen. Die Vorschrift begründet nicht nur Aufsichtsrechte des Staates im technischen Sinne des Wortes, sondern – vorbehaltlich der Einschränkungen im Bereich des Privatschulwesens (Art. 7 Abs. 4 GG) – darüber hinaus einen umfassend zu verstehenden staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag. Dieser verleiht dem Staat Befugnisse zur Planung, Organisation, Leitung und inhaltlich-didaktischen Ausgestaltung des Schulwesens, seiner Ausbildungsgänge sowie des dort erteilten Unterrichts8. Ebenso wie etwa die Auswahl und Verwendung von Schulbüchern9 unterfällt auch die Entscheidung über die Teilnahme an einer Filmvorführung im Deutschunterricht dem staatlichen Bestimmungsrecht. § 2 Abs. 4, § 3 Abs. 1, § 29 Abs. 2, § 57 Abs. 1 SchulG NRW ergeben hierfür eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage10.

Das religiöse Erziehungsrecht der Eltern sowie das staatliche Bestimmungsrecht im Schulwesen stehen sich gleichrangig gegenüber11. Sie bedürfen gemäß dem Grundsatz praktischer Konkordanz der wechselseitigen Begrenzung in einer Weise, die nicht eines von ihnen bevorzugt und maximal behauptet, sondern beiden Wirksamkeit verschafft und sie möglichst schonend ausgleicht12. Dies bedingt schon auf abstrakt-genereller Ebene wechselseitige Relativierungen beider Verfassungspositionen, die im hier interessierenden Zusammenhang zu der allgemeinen Maßgabe führen, dass elterliche Anschauungen über die Beachtlichkeit bestimmter religiöser Verhaltensgebote für ihre Kinder von Seiten der Schule zwar nicht als prinzipiell unbeachtlich behandelt werden dürfen, die Eltern wegen solcher Anschauungen eine Unterrichtsbefreiung ihres Kindes aber nur in Ausnahmefällen beanspruchen können:

Das elterliche Erziehungsrecht wird auf einer ersten Ebene durch die Eigenständigkeit der staatlichen Wirkungsbefugnisse im Schulbereich relativiert13. Diese erklärt sich – und bezieht ihre innere Legitimation – aus der Bedeutung der Schule für die Entfaltung der Lebenschancen der nachwachsenden Generation und für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Die Schule soll allen jungen Bürgern ihren Fähigkeiten entsprechende Bildungsmöglichkeiten gewährleisten und einen Grundstein für ihre selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben legen. Zugleich soll sie, unter den von ihr vorgefundenen Bedingungen einer pluralistisch und individualistisch geprägten Gesellschaft, dazu beitragen, die Einzelnen zu dem Ganzen gegenüber verantwortungsbewussten Bürgern heranzubilden, und hierüber eine für das Gemeinwesen unerlässliche Integrationsfunktion erfüllen14. Diesen weitreichenden Aufgaben könnte der Staat nicht gerecht werden, ohne eine allgemeine Schulpflicht einzuführen, deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit daher außer Frage steht15. Mit ihr haben die Eltern hinzunehmen, dass der Staat als Bildungs- und Erziehungsträger im Umfang des schulischen Wirkungsfeldes an ihre Stelle tritt, womit ihre Möglichkeit, unmittelbar in eigener Person pädagogisch auf ihre Kinder einzuwirken, auf den außerschulischen Bereich beschränkt wird. Für die Ausfüllung seiner Rolle ist der Staat darauf angewiesen, das Bildungs- und Erziehungsprogramm für die Schule grundsätzlich unabhängig von den Wünschen der beteiligten Schüler und ihrer Eltern anhand eigener inhaltlicher Vorstellungen bestimmen zu können16. Die verfassungsrechtlich anerkannte Bildungs- und Integrationsfunktion der Schule würde nur unvollkommen Wirksamkeit erlangen, müsste der Staat die Schul- und Unterrichtsgestaltung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner der Vorstellungen der Beteiligten ausrichten17. Die Schule wäre dann durch kollidierende Erziehungsansprüche Einzelner und grundrechtliche Vetopositionen vielfach blockiert18.

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Um die hierin angelegten Einschränkungen individueller religiöser Bestimmungsansprüche nicht zu überspannen, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die in verschiedenen Verfassungsbestimmungen wurzelnde Vorgabe hervorgehoben worden, dass der Staat bei Ausgestaltung des Unterrichts Neutralität und Toleranz vor allem in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht zu wahren, insbesondere jede Beeinflussung oder gar Agitation im Dienste einer bestimmten religiös-weltanschaulichen Richtung zu unterlassen hat19. Das Neutralitäts- und Toleranzgebot stimmt den Bildungs- und Erziehungsauftrag des Staates aus Art. 7 Abs. 1 GG sowie die religiösen Grundrechte aufeinander ab und gleicht sie untereinander aus20. Es schränkt den Kreis möglicher, der demokratisch legitimierten Entscheidung zugänglicher Unterrichtsgestaltungen im Interesse effektiven Grundrechtsschutzes ein. Die Entscheidung über Inhalt und Modalitäten des Unterrichts ist dem Staat überantwortet, der im Gegenzug aber Gewähr dafür tragen muss, religiöse Positionen wenigstens nicht absichtsvoll zu konterkarieren. Nach der nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Würdigung durch das Oberverwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall die Schule mit der Entscheidung über die Filmvorführung nicht gegen das Neutralitäts- und Toleranzgebot verstoßen.

In dem Anspruch auf Wahrung weltanschaulich-religiöser Neutralität des Unterrichts ist das religiöse Erziehungsrecht der Eltern im schulischen Kontext allerdings noch nicht erschöpft. Andernfalls würde es im Wesentlichen nur gewährleisten, dass die Kinder durch die Schule keiner unzulässigen religiösen Indoktrinierung ausgesetzt werden. Das religiöse Erziehungsrecht umfasst aber nicht nur das Recht, eine unmittelbar gegenläufige Indoktrination von staatlicher Seite abzuwehren. Sondern es umfasst darüber hinaus – wie bereits ausgeführt – auch das Recht, die Kinder zur Beachtung religiöser Verhaltensregeln anzuhalten, d.h. in einem umfassenden Sinn auf eine alltägliche Lebensführung der Kinder im Einklang mit den elterlicherseits für verbindlich erachteten Glaubensgeboten hinzuwirken. Dieses Recht würde leerlaufen und damit das Gebot einer ausgleichend-schonenden Zuordnung beider Verfassungspositionen auf ihrer vollen Breite verfehlt, dürfte die Schule sich im Rahmen der Unterrichtsgestaltung über die elterlicherseits erachtete Maßgeblichkeit bestimmter religiöser Verhaltensregeln stets ohne jede Einschränkung hinwegsetzen. Selbst eine dem Erfordernis weltanschaulich-religiöser Neutralität des Unterrichts genügende schulische Veranstaltung kann daher unter Umständen – durchaus auch im hier primär betroffenen Wirkungsfeld der Wissens- und Fertigkeitsvermittlung – gegenüber den Eltern einzelner Schüler deren religiöses Erziehungsrecht unzumutbar beschneiden. Die Verfassung geht nicht davon aus, dass der Staat im Sinne eines Modells weitgehender kompetenzieller Abschichtung im schulischen Bereich jeglicher Verpflichtung durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 GG ledig wäre, solange er nur das Neutralitäts- und Toleranzgebot beachtet, d.h. auf unmittelbare Indoktrination verzichtet21.

Kann die Schule daher nicht prinzipiell davon entbunden sein, auf religiöse Verhaltensgebote Rücksicht zu nehmen, so würde andererseits das religiöse Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 4 Abs. 1 GG gegenüber dem staatlichen Bestimmungsrecht im Schulwesen aus Art. 7 Abs. 1 GG überspannt werden, wenn nicht auch dieser Pflicht zur Rücksichtnahme wiederum Grenzen gesetzt wären. Eine kategorische Beachtlichkeit sämtlicher elterlicherseits vorgebrachter religiöser Verhaltensgebote liefe – entgegen dem oben aufgezeigten Ausgangspunkt – auf einen prinzipiellen Vorrang jedweder individuellen Glaubensposition vor dem staatlichen Bestimmungsrecht im Schulwesen hinaus, das insoweit dann seinerseits leerlaufen müsste. Die Schule hätte sich dann mit Unterrichtsgestaltungen zu begnügen, die von sämtlichen Glaubensstandpunkten aus akzeptabel erscheinen; sie wäre letztlich vom Konsens aller individuell Beteiligten abhängig. Dass dies in einer religiös pluralen Gesellschaft weder praktisch möglich noch, mit Blick auf die Integrationsfunktion der Schule, verfassungsrechtlich intendiert sein kann, liegt auf der Hand. Die integrative Wirksamkeit der Schule erweist sich nicht nur darin, Minderheiten einzubeziehen und in ihren Eigenarten zu respektieren. Sie setzt auch voraus, dass Minderheiten sich nicht selbst abgrenzen und sich der Konfrontation mit Unterrichtsinhalten, gegen die sie religiöse, weltanschauliche oder kulturelle Vorbehalte hegen, nicht stets von vornherein verschließen dürfen22.

Hieraus ergibt sich zugleich, dass die Befreiung von einzelnen Unterrichtseinheiten nicht als routinemäßige Option der Konfliktauflösung fungieren darf, die in jedem Fall ergriffen werden müsste, in dem aufgrund des Unterrichts Einzelnen eine Beeinträchtigung religiöser Positionen droht. Auch die Gewährung von individuellen Unterrichtsbefreiungen liefe, könnten die Betroffenen sie in jedem Konfliktfall beanspruchen, auf einen prinzipiellen Nachrang des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags hinaus, indem sie diesen für Minderheiten – zwar nicht mit Wirkung gegenüber allen Beteiligten, aber doch bezogen auf sich selbst – disponibel machte. Ist die staatliche Pflicht zur Rücksichtnahme auf religiöse Belange aus Gründen der Praktikabilität und insbesondere auch aufgrund der Integrationsfunktion der Schule im Prinzip begrenzt, so folgt hieraus für alle Eltern, dass sie in einem bestimmten Umfang Beeinträchtigungen religiöser Erziehungsvorstellungen als typische, von der Verfassung von vornherein einberechnete Begleiterscheinung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags und der seiner Umsetzung dienenden Schulpflicht hinzunehmen haben, d.h. nicht über das Recht verfügen, ihnen beliebig auszuweichen. Hierdurch ist zugleich sichergestellt, dass der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag – der auch für die Schule im Grundsatz nicht disponibel ist – gleichmäßig gegenüber sämtlichen Schülern erfüllt wird. Eine Befreiung wegen befürchteter Beeinträchtigungen religiöser Erziehungsvorstellungen hat danach die Ausnahme zu bleiben. Von diesem Grundsatz ist das Bundesverwaltungsgericht Senat bereits in seinem Urteil vom 25.08.199323 ausgegangen. Dort ist ausgesprochen worden, dass Gründe der Glaubensfreiheit in aller Regel keine Unterrichtsbefreiung rechtfertigen und Ausnahmen auf das für den Grundrechtsschutz unerlässliche Maß beschränkt bleiben müssen24.

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Der Grundsatz praktischer Konkordanz fordert nicht nur einen wechselseitig schonenden Ausgleich der hier in Rede stehenden Verfassungspositionen auf abstrakt-genereller Ebene. Aus ihm ergibt sich zudem die Vorgabe, bei Auftreten eines konkreten Konflikts zwischen beiden Verfassungspositionen zunächst auszuloten, ob unter Rückgriff auf gegebenenfalls naheliegende organisatorische oder prozedurale Gestaltungsoptionen eine nach allen Seiten hin annehmbare, kompromisshafte Konfliktentschärfung im Bereich des Möglichen liegt, die beiden Positionen auch in Bezug auf den Einzelfall Wirksamkeit verschafft und eine regelrechte Vorrangentscheidung so verzichtbar erscheinen lässt25. Wer sich als Beteiligter einer solchen Konfliktentschärfung verweigert und annehmbare Ausweichmöglichkeiten ausschlägt, muss notfalls als Konsequenz hinnehmen, dass er sich nicht länger gegenüber dem anderen Beteiligten auf einen Vorrang seiner Rechtsposition berufen darf. Ist allerdings – wie es das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall aus überzeugenden Gründen angenommen hat – ein schonender Ausgleich der widerstreitenden Rechtspositionen im Einzelfall unmöglich, so wird es unausweichlich, unter Einbezug der maßgeblichen Umstände eine Vorrangentscheidung zu treffen, d.h. danach zu fragen, ob die von einzelnen Eltern begehrte Befreiung ihres Kindes von der Unterrichtsteilnahme tatsächlich für ihren Grundrechtsschutz unerlässlich ist und das staatliche Bestimmungsrecht demzufolge ausnahmsweise zurückzutreten hat. Diese Prüfung ist insbesondere an folgenden Maßgaben zu orientieren:

Das Vorliegen eines Ausnahmefalls darf nicht bereits deshalb angenommen werden, weil ein Befreiungsverlangen nur in Bezug auf ein einzelnes Kind in einer bestimmten Situation geltend gemacht wird. In die rechtliche Betrachtung ist mit einzubeziehen, dass die zur Entscheidung einer konkreten Konfliktlage zu bildende „Präferenzrelation“ zwischen den konträren Verfassungspositionen26 in vergleichbar gelagerten Konstellationen, die in ihrer Summe die Wahrnehmung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags deutlich stärker beeinträchtigen können, ebenfalls in Anspruch genommen werden könnte. Eine entsprechende Weiterung des Blickwinkels, wie sie bei der verfassungsrechtlichen Prüfung von Schrankenregelungen bei nicht vorbehaltlos gewährten Grundrechten selbstverständlich ist, ist auch bei Ermittlung der verfassungsrechtlichen Begrenzungen vorbehaltlos gewährter Grundrechte durch kollidierende Verfassungspositionen geboten. Andernfalls würde hier – wofür überzeugende Gründe nicht ersichtlich sind – der Abgleich zwischen Individualbelangen und gemeinwohlorientierten staatlichen Gestaltungsbelangen strukturell abweichenden Mustern folgen. Hier wie dort ist daher jeweils die Frage zu stellen, ob das in Rede stehende Individualinteresse das gegenläufige Allgemeininteresse auch dann überwiegt, wenn es unter vergleichbaren Umständen mehrfach bzw. von einer Vielzahl von Grundrechtsträgern geltend gemacht, d.h. als allgemeine Maxime der Rechtsanwendung ins Auge gefasst wird. Ausgehend hiervon gewinnt im vorliegenden Fall Bedeutung, dass das Bestreben zur Tabuisierung bestimmter literarischer oder filmischer Darstellungen oder sonstiger Unterrichtsinhalte auch anderen Glaubensrichtungen nicht fremd ist. Müsste die Schule in allen einschlägigen Fällen Unterrichtsbefreiung gewähren, wäre der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag ersichtlich mehr als nur in einem von vornherein vernachlässigenswerten Umfang berührt.

Auch damit, dass ein Befreiungsverlangen nur eine einzelne Unterrichtsstunde oder eine überschaubare Zahl von Unterrichtseinheiten betrifft, kann eine Unterrichtsbefreiung regelmäßig noch nicht hinreichend begründet werden. Denn hiermit relativiert sich zum einen häufig zugleich das Gewicht der grundrechtlichen Beeinträchtigung27. Vor allem aber liefe eine Betrachtungsweise, die ein Versäumnis einzelner oder ihrer Zahl nach begrenzter Unterrichtseinheiten – gegebenenfalls auch unter Verweis auf ihren vorgeblich geringen bildungsmäßigen Stellenwert – für vernachlässigenswert hält, auf eine unzulässige Ausblendung der Integrationsfunktion der Schule hinaus. Diese kommt – auch im schulischen Wirkungsfeld der Wissens- und Fertigkeitsvermittlung – unabhängig vom jeweils in Rede stehenden Unterrichtsstoff zum Tragen und folgt nach dem oben Gesagten einer starren, gleichwohl aber verfassungsrechtlich tragfähigen Modellvorstellung: Der einzelne Schüler soll an sämtlichen schulischen Veranstaltungen teilnehmen müssen, weil nur die permanente, obligatorische Teilhabe am Schulunterricht unter Hintanstellung aller entgegenstehenden individuellen Präferenzen gleich welcher Art jenen gemeinschaftstiftenden Effekt zu erzeugen vermag, der mit der Schule bezweckt wird und der die Einführung der staatlichen Schulpflicht zu wesentlichen Anteilen legitimiert; dieser Vorstellung kommt – wie oben gleichfalls schon aufgezeigt – gerade auch dort besonderes Gewicht zu, wo sich der Einzelne durch die Unterrichtsteilnahme in Belangen beeinträchtigt sieht, die ihn in eine Minderheitenposition rücken. Von der Schulpflicht sind dementsprechend auch solche Unterrichtseinheiten nicht ausgenommen, die nur einen begrenzten Umfang aufweisen oder deren Bildungsertrag dem Betroffenen gering erscheinen mag. Eine Betrachtung, wonach die Schulpflicht im Hinblick auf bestimmte Unterrichtseinheiten weniger gewichtig und insoweit ihr verfassungsrechtlicher Stellenwert geringer zu veranschlagen wäre als bei anderen, wäre insofern verfehlt. Der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag darf in Anbetracht der integrativen Funktion der Schule grundsätzlich nicht je nach Umfang oder Inhalt betroffener Unterrichtseinheiten als mehr oder wenig „nachgiebig“ gegenüber anderen Verfassungspositionen eingestuft werden.

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Bieten danach Inhalt und Umfang der betroffenen Unterrichtseinheiten regelmäßig keinen Ansatz für einen Nachrang des staatlichen Bestimmungsrechts und kann auch der Einmaligkeit eines geltend gemachten Befreiungsverlangens meist keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen, muss die Frage in den Vordergrund rücken, welches sachliche Gewicht nach den Umständen des Einzelfalls der Beeinträchtigung des religiösen Erziehungsrechts beizumessen ist. Im Lichte des erwähnten Grundsatzes, wonach solche Beeinträchtigungen regelmäßig als typische Begleiterscheinung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags und der seiner Umsetzung dienenden Schulpflicht hinzunehmen sind, d.h. ihnen nur ausnahmsweise ausgewichen werden darf, ist ein Anspruch auf Unterrichtsbefreiung – das Fehlen annehmbarer Ausweichmöglichkeiten wie gesagt vorausgesetzt – grundsätzlich nur dann gerechtfertigt, wenn die Beeinträchtigung den Umständen nach eine besonders gravierende Intensität aufweist. Nur unter dieser Voraussetzung ist die rechtliche Wertung plausibel, dass die grundrechtliche Belastung durch die Verfassung nicht von vornherein in Art. 7 Abs. 1 GG einberechnet ist. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, kommt dem staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag Vorrang zu. Einer weitergehenden Abwägung bedarf es dann nicht mehr; über die Zuordnung der kollidierenden Positionen ist dann bereits abschließend, auf abstrakt-genereller Ebene durch die Verfassung entschieden. Ist diese Voraussetzung aber erfüllt, d.h. liegt eine besonders gravierende Beeinträchtigung des religiösen Erziehungsrechts vor, führt dies noch nicht automatisch zu einem Zurücktreten des staatlichen Bestimmungsrechts. In diesem Fall weist der konkret zutage tretende Konflikt ein Ausmaß auf, das oberhalb der durch die Verfassung in Art. 7 Abs. 1 GG abstrakt einberechneten Belastungsschwelle liegt. Für die Frage, wie hier die kollidierenden Positionen zuzuordnen sind, lässt sich der Verfassung keine vorgefasste Antwort entnehmen. Die rechtliche Bewertung hängt augenscheinlich von Faktoren ab – insbesondere der sachlichen Eigenart der religiösen Position und dem Umfang sowie der Art und Weise, mit der diese schulischen Funktionserfordernissen entgegenwirkt -, die von Fall zu Fall stark variieren können und über die daher eine allgemeingültige verfassungsrechtliche Aussage nicht getroffen werden könnte. Hier bedarf es dann der Vornahme einer weitergehenden Abwägung.

Eine danach für den Nachrang des staatlichen Bestimmungsrechts vorauszusetzende besonders gravierende Intensität der Beeinträchtigung des religiösen Erziehungsrechts kommt überhaupt nur in Betracht, sofern ein religiöses Verhaltensgebot aus Sicht der Eltern imperativen Charakter aufweist. Ein verlangtes Zuwiderhandeln ihres Kindes gegen solche in unübersehbarer Zahl vorhandenen religiösen Überzeugungen, die lediglich in nicht abschließend bindender Weise Orientierung und Anleitung für eine in religiöser Hinsicht optimierte Lebensführung vermitteln sollen, rechtfertigt in keinem Fall einen Vorrang ihres Erziehungsrechts. Sind solche Überzeugungen auch in den Schutzbereich der Glaubensfreiheit bzw. des religiösen Erziehungsrechts einbezogen28, so entsteht doch kein Glaubens- bzw. Gewissenskonflikt unzumutbaren Ausmaßes, wenn sie nicht vollumfänglich verwirklicht werden können. In Bezug auf imperative Glaubenssätze stoßen die Möglichkeiten des Staates, sie nach Maßgabe seiner externen Beurteilung untereinander in Rangstufen zu setzen und hieran anknüpfend unterschiedliche Grade der Beeinträchtigungsintensität für den Fall eines erzwungenen Zuwiderhandelns auszumachen, insofern auf Grenzen, als diese Glaubenssätze in Abhängigkeit vom staatlicherseits zu respektierenden Selbstverständnis der betroffenen Glaubensgemeinschaft bzw. des individuellen Grundrechtsträgers stehen und daher dem eigenständig bewertenden Zugriff des Staates entzogen sind29. Der Staat muss jedoch nicht die Augen davor verschließen, dass zahlreiche Glaubensgemeinschaften tatsächlich von entsprechenden Abstufungen ausgehen und nicht sämtlichen religiösen Geboten unbeschadet ihres für sich genommen jeweils bindenden Charakters ein- und dasselbe Gewicht zumessen30. Es ist Aufgabe der Verwaltung wie des Tatrichters, auf Grundlage der Angaben des Betroffenen – die zu machen diesem obliegen – aufzuklären, welcher Stellenwert einem in Rede stehenden, imperativ bindenden religiösen Verhaltensgebot im Rahmen des Gesamtgerüsts seiner Glaubensüberzeugungen zukommt, und sich zu vergewissern, ob danach im Falle eines Zuwiderhandelns tatsächlich von einer besonders gravierenden Beeinträchtigungsintensität auszugehen ist, die in Art. 7 Abs. 1 GG nicht von vornherein mit einberechnet ist und die es nach dem Vorgesagten erforderlich macht, das religiöse Erziehungsrecht in eine weitergehende Abwägung gegen das staatliche Bestimmungsrecht zu bringen. Es ist durchaus denkbar, dass einzelne religiöse Verhaltensgebote für den Betroffenen einen so untergeordneten Stellenwert besitzen, dass dieser sich nicht in eine glaubensbedingte Gewissensnot gravierenden Ausmaßes versetzt, wenn er sie in einer Konfliktlage vernachlässigt, um auf diese Weise einem entgegenstehenden staatlichen Normbefehl Folge leisten zu können.

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Im Lichte der vorstehend unter aa. und bb. dargestellten Maßstäbe stand den Eltern im vorliegenden Fall kein grundrechtlicher Anspruch auf Befreiung ihres Sohnes von der Teilnahme an der fraglichen Filmvorführung zu:

Den auf Basis der Darlegungen der Eltern getroffenen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist zu entnehmen, dass für diese das Gebot, einer Praktizierung schwarzer Magie nicht angesichtig zu werden, „erhebliches Gewicht“ besitzt, das durch die Suggestivwirkung der filmischen Darstellung weiter verstärkt wurde und so Anlass für das Entstehen eines „ernsthaften“ Glaubenskonflikts geben konnte. Aus den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts und den ihnen zugrunde liegenden Darlegungen der Eltern ergibt sich jedoch nicht zweifelsfrei, ob diesem Gebot im Verhältnis zu anderen von den Eltern als religiös bindend erachteten Verhaltensgeboten ein erhöhter Stellenwert zukommt und ihr religiöser Erziehungsplan durch die Teilnahme ihres Sohnes an der Filmvorführung nicht nur überhaupt, sondern darüber hinaus auf eine gravierend intensive Weise beschränkt worden wäre. Insbesondere lässt der angefochtene Beschluss die naheliegende Frage offen, ob das Maß der den Eltern drohenden Beeinträchtigung nicht auch aus ihrer Sicht dadurch bereits ein erhebliches Stück gemildert wurde, dass von ihrem Sohn ein rein rezeptives Verhalten verlangt war und das im Film dargestellte Praktizieren schwarzer Magie weder durch den Film noch durch die Schule mit einem positiven Wertbezug versehen worden ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich dem Bundesverwaltungsgericht die im Revisionsverfahren freilich nicht aufzuklärende (§ 137 Abs. 2 VwGO) Frage, ob den Eltern tatsächlich eine Belastung ihrer Grundrechtsposition oberhalb desjenigen Maßes drohte, das im Rahmen der Schule von allen Eltern in jedem Fall hinzunehmen ist.

Selbst wenn diese Frage zu bejahen wäre, würde dem religiösen Erziehungsrecht der Eltern unter den vorliegenden Umständen jedoch kein Vorrang einzuräumen sein:

Die Konfliktfelder zwischen staatlichem Bestimmungsrecht im Schulwesen und religiösem Erziehungsrecht der Eltern potenzieren sich, je weiter eine Glaubensgemeinschaft bzw. der individuelle Grundrechtsträger religiöse Vorgaben auf alltägliche Verhaltensbezirke ohne unmittelbaren Bezug zum religiösen Bekenntnis, zur Vornahme kultischer Handlungen oder zur Ausübung religiöser Gebräuche erstreckt, die nach der Anlage des Art. 4 GG im Zentrum der grundrechtlichen Gewährleistung religiöser Freiheit stehen31. Dies illustriert in besonders eindrücklicher Weise der hier in Rede stehende Fall eines regelrechten Konfrontationsverbots. Eine verpflichtende Rücksichtnahme der Schule auf einen derart fundamental gefassten religiösen Bestimmungsanspruch würde die Erfüllung der staatlichen Bildungs- und Erziehungsverantwortung erheblich schwächen und in einen tendenziell unbeschränkten Nachrang gegenüber individuellen religiösen Tabuisierungsvorstellungen versetzen. Sie würde der schulischen Aufgabe, die nachwachsende Generation – unter Einschluss des Sohnes der Eltern – vorbehaltlos und möglichst umfassend mit Wissensständen der Gemeinschaft und ihrem geistig-kulturellen Erbe, wie es sich etwa in filmischen und literarischen Darstellungen niederschlägt, vertraut zu machen, unmittelbar in ihrem Kern entgegenwirken. Ein Zurücktreten des staatlichen Bestimmungsrechts könnte bei dieser Sachlage allenfalls in Betracht zu ziehen sein, wenn andernfalls das religiöse Weltbild der Betroffenen nach ihrer Wahrnehmung insgesamt negiert – d.h. zugleich auch das religiöse Erziehungsrecht in seinem Kern in Frage gestellt – würde. Dafür, dass diese extreme Schwelle im vorliegenden Fall erreicht gewesen sein könnte, ergeben weder die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts noch die ihnen zugrunde liegenden Darlegungen der Eltern genügend Anhaltspunkte.

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Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11. September 2013 – 6 C 12.12

  1. BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, 1, 17; BVerwG, Urteil vom 30.11.2011 – 6 C 20.10, BVerwGE 141, 223 Rn. 32 = Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 137; stRspr[]
  2. BVerfG, Beschluss vom 19.10.1971 – 1 BvR 387/65, BVerfGE 32, 98, 106; stRspr[]
  3. vgl. BVerwG, Urteil vom 26.06.1997 – 7 C 11.96, BVerwGE 105, 117, 119 = Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 61 S. 31[]
  4. zu dieser Obliegenheit, die entsprechend auch für die Geltendmachung des religiösen Erziehungsrechts gelten muss: Urteil vom 25.08.1993 – 6 C 7.93, Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 108 S. 43[]
  5. vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.04.1972 – 2 BvR 75/71, BVerfGE 33, 23, 28 f.; BVerwG, Urteil vom 25.08.1993 – 6 C 7.93, a.a.O. S. 43[]
  6. vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 26.02.1980 – 1 BvR 684/78, BVerfGE 53, 185, 203[]
  7. vgl. zuletzt BVerfG, Kammerbeschluss vom 21.07.2009 – 1 BvR 1358/09, NJW 2009, 3151 Rn. 14; stRspr[]
  8. vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.10.1997 – 1 BvR 9/97, BVerfGE 96, 288, 303; BVerwG, Urteil vom 17.06.1998 – 6 C 11.97, BVerwGE 107, 75, 78 = Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 124 S. 39[]
  9. vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 09.02.1989 – 1 BvR 1181/88 – juris Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 03.05.1988 – 7 C 89.86, BVerwGE 79, 298, 300 = Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 95 S. 4[]
  10. zu diesem Erfordernis: BVerfG, Urteil vom 24.09.2003 – 2 BvR 1436/02, BVerfGE 108, 282, 297[]
  11. vgl. nur BVerfG, Urteil vom 14.07.1998 – 1 BvR 1640/97, BVerfGE 98, 218, 244; stRspr[]
  12. vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995 a.a.O. S. 21; BVerwG, Beschluss vom 08.05.2008 – 6 B 64.07, Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 132 Rn. 7[]
  13. vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.12.1975 – 1 BvR 63/68, BVerfGE 41, 29, 44; BVerwG, Urteil vom 25.08.1993 – 6 C 8.91, BVerwGE 94, 82, 84 = Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 109 S. 46[]
  14. hierzu mit unterschiedlichen Akzentsetzungen: BVerfG, Urteil vom 06.12.1972 – 1 BvR 230/70 und 95/71, BVerfGE 34, 165, 182; Beschluss vom 21.12.1977 – 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75, BVerfGE 47, 46, 71; Kammerbeschluss vom 29.04.2003 – 1 BvR 436/03, BVerfGK 1, 141, 143; BVerwG, Urteil vom 17.04.1973 – 7 C 38.70, BVerwGE 42, 128, 130 = Buchholz 11 Art. 3 GG Nr. 141 S. 65; Beschluss vom 29.05.1981 – 7 B 169.80, Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 74 S. 2; Urteil vom 25.08.1993 – 6 C 8.91, a.a.O.[]
  15. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 21.04.1989 – 1 BvR 235/89; und vom 21.07.2009 a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 25.08.1993 – 6 C 8.91, a.a.O. S. 84 bzw. S. 46[]
  16. vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 09.02.1989 a.a.O. Rn. 4; BVerwG, Urteil vom 25.08.1993 – 6 C 8.91, a.a.O. S. 84 bzw. S. 46[]
  17. vgl. BVerwG, Urteil vom 03.05.1988 a.a.O. S. 302 bzw. S. 6; Stern, Staatsrecht, Bd. IV/1, 2006, S. 608[]
  18. Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 276; ähnlich Langenfeld, Integration und kulturelle Identität zugewanderter Minderheiten, 2001, S. 246 f.[]
  19. vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.12.1975 a.a.O. S. 51 f.; Kammerbeschlüsse vom 09.02.1989 a.a.O. Rn. 6 und vom 31.05.2006 – 2 BvR 1693/04, BVerfGK 8, 151, 153 f.[]
  20. BVerwG, Urteil vom 03.05.1988 a.a.O. S. 300 bzw. S. 5[]
  21. vgl. in diesem Zusammenhang BVerfG, Urteil vom 06.12.1972 a.a.O. S. 183; Jestaedt in Bonner Kommentar, Art. 6 Abs. 2 und 3, Lfg.12.1995 Rn. 332; Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 6. Aufl 2010, Art. 6 Rn. 218[]
  22. vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 29.04.2003 a.a.O., vom 31.05.2006 a.a.O. S. 155 f. und vom 15.03.2007 – 1 BvR 2780/06, BVerfGK 10, 423, 431[]
  23. BVerwG, Urteil vom 25.08.1993 – 6 C 8.91, BVerwGE 94, 82 ff. = Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 109[]
  24. BVerwG, Urteil vom 25.08.1993 – 6 C 8.91, a.a.O. S. 92 bzw. S. 54[]
  25. vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 25.08.1993 – 6 C 8.91, a.a.O. S. 88 f. bzw. S. 50[]
  26. Jestaedt, a.a.O. Rn. 343[]
  27. vgl. Krampen-Lietzke, Der Dispens vom Schulunterricht aus religiösen Gründen, 2013, S. 267[]
  28. BVerfG, Urteil vom 24.09.2003 – 2 BvR 1436/02, BVerfGE 108, 282, 297[]
  29. vgl. Germann, in: Epping/Hillgruber, Beck´scher Online-Kommentar GG, Stand 15.05.2013, Art. 4 Rn. 16[]
  30. vgl. Borowski, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, 2006 S. 288; Huster, a.a.O. S. 379[]
  31. vgl. Huster, a.a.O. S. 382[]