Die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde – und der vorgelagerte verfassungsrechtliche Eilrechtsschutz

Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde ist auch für den vorgelagerten verfassungsrechtlichen Eilrechtsschutz zu beachten.

Die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde – und der vorgelagerte verfassungsrechtliche Eilrechtsschutz

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Zwar ist nicht erforderlich, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits ein Verfassungsbeschwerdeverfahren in der Hauptsache anhängig ist; ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann auch isoliert gestellt werden1. Allerdings ist auch im vorgelagerten verfassungsrechtlichen Eilrechtsschutz der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde zu beachten. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung im Rahmen eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens oder in dessen Vorfeld kommt daher nur in Betracht, wenn der Antragsteller bestehende Möglichkeiten, fachgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erlangen, ausgeschöpft hat2.

Dass er dieser Verpflichtung in ausreichender Weise nachgekommen ist, hatte der Antragsteller im vorliegenden Fall nicht dargelegt: Weder aus der Antragsbegründung noch aus den sonstigen Umständen ist zu ersehen, dass er beim Amtsgericht einen Antrag auf Beiordnung eines neuen Rechtsanwalts gestellt hat. Selbst wenn das Vertrauensverhältnis zu seinem bisherigen Rechtsanwalt irreparabel beschädigt war, kann der Antragsteller einen entsprechenden Antrag stellen, wenn er darlegen kann, dass er das Vertrauensverhältnis nicht selbst mutwillig und ohne sachlich gerechtfertigten Grund zerstört hat3. Letzteres hat er jedenfalls in seiner Stellungnahme im Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht vom 12.08.2015 behauptet. Auf Grundlage dieser Angaben kann einem erneuten Beiordnungsantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden.

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Da unter diesem Gesichtspunkt die Unzulässigkeit des Antrags unzweifelhaft ist, muss die Kammer keine Stellung dazu nehmen, ob der Antrag im Übrigen den gesetzlichen Begründungsanforderungen des § 23 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz BVerfGG genügt4.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 28. September 2015 – 1 BvQ 35/15

  1. vgl. BVerfGE 105, 235, 238; 113, 113, 119 f.; stRspr[]
  2. vgl. jüngst BVerfG, Beschluss vom 16.07.2015 – 2 BvQ 22/15 2 m.w.N.; stRspr[]
  3. vgl. BGH, NJW-RR 1992, S. 189; Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., 2014, § 48 Rn. 22; Vorwerk, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., 2014, § 48 BRAO, Rn. 12[]
  4. vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.10.2006 – 1 BvQ 30/06 7; Beschluss vom 29.10.2013 – 1 BvQ 44/13 5; Beschluss vom 20.08.2015 – 1 BvQ 28/15 2[]