Eine Abschiebungsanordnung bzw. -drohung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 oder 4, § 35 AsylG ist nicht allein deswegen rechtswidrig, weil in dem Bescheid die gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG vorgesehene Feststellung zu nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG fehlt1.

Die Abschiebungsandrohung ist nunmehr an §§ 34a, 35 AsylG2 zu messen. Danach ist in den Fällen, in denen eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 oder 2 AsylG nicht ergehen kann, die Abschiebung in den jeweiligen Staat anzudrohen bzw. ist in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 oder 4 AsylG die Abschiebung in den Staat anzudrohen, in dem er vor Verfolgung sicher ist. Nach § 35 AsylG ist in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG vom Bundesamt die Abschiebung in den Staat anzudrohen, in dem er vor Verfolgung sicher ist.
Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht des Saarlands3 mit Blick auf § 31 Abs. 3 AsylG davon ausgegangen, dass eine solche Abschiebungsandrohung für ihre Rechtmäßigkeit erfordert, dass nationale Abschiebungsverbote nicht vorliegen (s.a. § 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG). Die Rechtspflicht zur Feststellung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge hätte systematisch keinen Sinn, wenn sich das Ergebnis dieser Prüfung nicht auf die mit der Unzulässigkeitsentscheidung einhergehende Abschiebungsentscheidung auswirken würde.
Nicht zu entscheiden ist, ob in den Fällen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG eine Abschiebungsandrohung nur und erst dann ergehen darf, wenn geprüft und positiv festgestellt worden ist, dass eine Abschiebungsanordnung nicht ergehen kann, weil nicht feststeht, dass sie durchgeführt werden kann und ob hierfür – wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen – bereits eine nicht näher dargelegte „offensichtlich ungeklärte Durchführbarkeit“ genügt. Eine objektive Rechtswidrigkeit einer bloßen Abschiebungsandrohung verletzte den Ausländer jedenfalls nicht in seinen Rechten. In den Fällen einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, in die die wegen der Einreise aus einem sicheren Drittstaat erfolgte Unzulässigkeitsentscheidung umzudeuten gewesen wäre4, hat nach § 35 AsylG ohnehin nur eine Abschiebungsandrohung zu ergehen. Nicht zu vertiefen ist daher auch, ob sich in Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine objektiv rechtswidrige Unzulässigkeitsentscheidung in Rechtskraft erwachsen ist, für die aber eine Umdeutung in eine rechtmäßige Unzulässigkeitsentscheidung in Betracht zu ziehen gewesen wäre5, die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsentscheidungen nach den für die in Rechtskraft erwachsene Behördenentscheidung geltenden Bestimmungen oder nach jenen richtet, die für die umgedeutete Entscheidung anzuwenden sind.
§ 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG enthält für die Abschiebungsandrohung materiell-rechtliche Voraussetzungen (Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG), zu denen auch dann, wenn nach § 34a AsylG eine Abschiebungsanordnung im Raum steht, nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG nunmehr eine ausdrückliche Feststellung in der Entscheidung über einen unzulässigen Asylantrag verlangt ist. Allein der Umstand, dass eine solche Feststellung nicht (ausdrücklich) getroffen worden ist, bedeutet aber nicht, dass – positiv – die Voraussetzungen für nationalen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen6. Dass eine derartige ausdrückliche Feststellung des Bundesamtes über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG ergangen ist, ist nicht (gesetzliches) Tatbestandsmerkmal der Abschiebungsanordnungen bzw. ‑drohungen nach §§ 34a, 35 AsylG. Auch die nunmehr in § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG normierte Rechtspflicht zur (ausdrücklichen) Feststellung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG schafft kein zusätzliches gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Die Feststellungspflicht erweitert zwar – formell – das (objektivrechtliche) Entscheidungs„programm“ des Bundesamtes. Sie erhöht aber nicht – materiellrechtlich – die Anforderungen an den Erlass von Abschiebungsanordnungen oder ‑drohungen nach §§ 34a, 35 AsylG.
§ 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG wirkt auch prozessrechtlich nicht als zusätzliche (formelle) Anforderung für den Erlass einer Abschiebungsanordnung oder ‑drohung bzw. deren umfassende Überprüfung. Verletzt das Bundesamt seine aus § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG folgende Rechtspflicht zur Feststellung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, kann der Asylbewerber nach allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen (§ 44 VwGO) die Anfechtungsklage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung und die mit dieser verbundenen Abschiebungsanordnung bzw. ‑drohung zwar (hilfsweise) mit einem entsprechenden Verpflichtungsantrag verbinden. Dieser Antrag ist aber nicht Voraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses für die Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsanordnung bzw. ‑drohung, zumal ein Rechtsschutzbedürfnis für eine ausdrückliche Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht vorliegen, regelmäßig fehlen dürfte. Dann ist er aber auch nicht Voraussetzung für die gerichtliche Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, die im Rahmen des – insoweit selbstständigen – Anfechtungsbegehrens gegen eine Abschiebungsanordnung bzw. ‑drohung nach deren gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen vorzunehmen ist.
Für die Anfechtung einer Abschiebungsanordnung oder ‑drohung nach §§ 34a, 35 AsylG verbleibt es mithin bei dem Grundsatz (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass ein Verwaltungsakt der gerichtlichen Aufhebung unterliegt, soweit er rechtswidrig ist und der Ausländer dadurch in seinen Rechten verletzt ist, und die Gerichte nach § 86 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 113 Abs. 1 VwGO verpflichtet sind, die Sache spruchreif zu machen, d.h. zu überprüfen, ob und inwieweit der angefochtene Verwaltungsakt den Ausländer in seinen Rechten verletzt und deshalb aufzuheben ist7. Die Gerichte haben bei der Überprüfung der Abschiebungsanordnung bzw. ‑drohung alle einschlägigen Rechtsnormen und – nach Maßgabe der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO – alle rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, gleichgültig, ob die Normen und Tatsachen von der erlassenen Behörde zur Begründung des Verwaltungsakts angeführt worden sind oder nicht8.
Die in § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG bei Unzulässigkeitsentscheidungen vorgegebene Feststellung durch das Bundesamt führt nicht – wie in den Fällen der Unzulässigkeitsentscheidung selbst – zu einem mehrstufigen Behördenverfahren, das klar zwischen der Zulässigkeitsentscheidung und der nachfolgenden Sachprüfung und ‑entscheidung unterscheidet9. Auch in Fällen, in denen die Prüfung der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG – aus welchen Gründen auch immer – vollständig unterblieben ist, bestehen für die rechtlich gebundene Entscheidung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, keine Besonderheiten, die eine gegenüber der gerichtlichen Kontrolle vorrangige, exklusive Prüf- oder Entscheidungszuständigkeit des Bundesamtes rechtfertigen. Bei der Prüfung und Feststellung der nationalen Abschiebungsverbote sind keine verfahrensrechtlichen Vorgaben oder Besonderheiten des Unionsrechts ersichtlich, welche einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle durch gerichtliche Vollprüfung auch möglicher Abschiebungsverbote entgegenstehen.
Die vom Oberverwaltungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zur Lage international schutzberechtigter Personen in Bulgarien erlauben dem Bundesverwaltungsgericht keine Beurteilung, ob in Bezug auf Bulgarien die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen.
Das Oberverwaltungsgericht hat im Rahmen seiner Prüfung der Rechtmäßigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung allerdings auf die schwierige Situation anerkannter Flüchtlinge in Bulgarien hingewiesen und ausgeführt, dass bei der Entscheidung darüber, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt, das Bundesamt gehalten sei, einzelfallbezogen immer das Vorliegen eines Abschiebungsverbots hinsichtlich Bulgariens mit Blick auf die persönlichen Verhältnisse des konkreten Ausländers zu prüfen und jedenfalls grundsätzlich sicherzustellen habe, dass Abschiebungen nach Bulgarien nur dann stattfinden, wenn die Betroffenen dort auf eine Anlaufadresse für angemessene Zeit zugreifen könnten. Dies stehe indes nicht generell der Qualifizierbarkeit der Republik Bulgarien als sicherer Drittstaat entgegen; daraus folgten auch nicht „systemische Mängel“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Asyl- bzw. Aufnahmeverfahren in Bulgarien. Darin liegt keine abschließende, positive Wertung der tatsächlichen Erkenntnisse dahin, dass – generell oder in Bezug auf den Ausländer – die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Eine solche Bewertung ergibt sich auch nicht aus dem neuerlichen Hinweis des Oberverwaltungsgerichts auf die schwierige Situation anerkannter Flüchtlinge in Bulgarien, angesichts derer die Beklagte gehalten sei, bei ihrer Entscheidung, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt, „sicherzustellen …, dass eine Abschiebung des Ausländers nur dann stattfindet, wenn ihm eine ‚Anlaufadresse’ in Bulgarien für angemessene Zeit zur Verfügung steht“. Dies sei „- sofern im Einzelfall nicht ausnahmsweise entbehrlich – durch entsprechende individuelle Zusicherungen bulgarischer Behörden“ zu leisten.
Eine tragfähige Grundlage für eine eigenständige Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, ob in Bezug auf Bulgarien die Voraussetzungen nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, bildet dies nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat sich – insoweit auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung zu seiner begrenzten Prüfungspflicht folgerichtig – einer abschließenden Entscheidung gerade enthalten.
Ist der Rechtsstreit somit zur erneuten Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung und über den Verpflichtungsantrag an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen, gilt gleiches auch für die unter Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides ausgesprochene Befristung des „gesetzlichen“ (§ 11 Abs. 1 AufenthG) Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 75 Nr. 12 AsylG, die nach aktueller Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unionsrechtskonform als behördliche Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots zu verstehen ist10. Denn die Rechtmäßigkeit eines – hier auf 30 Monate befristeten – Einreiseverbots hängt von der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung ab.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Juli 2017 – 1 C 10.17
- wie BVerwG, Beschluss vom 03.04.2017 – 1 C 9.16[↩]
- in der Fassung des zum 6.08.2016 geltenden Integrationsgesetzes[↩]
- OVG Saarland, Urteil vom 25.01.2017 – OVG 2 A 339/16[↩]
- s. BVerwG, Beschluss vom 23.03.2017 – 1 C 17.16 [↩]
- zu den möglichen Grenzen der Umdeutung bei vor dem 20.07.2015 gestellten Asylanträgen s. indes BVerwG, Beschluss vom 23.03.2017 – 1 C 17.16 [↩]
- s.a. BVerwG, Beschluss vom 27.04.2017 – 1 B 6.17 6[↩]
- s.a. BVerwG, Beschluss vom 03.04.2017 – 1 C 9.16 – Asylmagazin 2017, 239[↩]
- BVerwG, Urteil von 16.11.2015 – 1 C 4.15, BVerwGE 153, 234 Rn. 28[↩]
- BVerwG, Urteil vom 01.06.2017 – 1 C 9.17[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.07.2017 – 1 VR 3.17, Rn. 72[↩]