Die für einen zulässigen Haftantrag notwendigen Angaben zur Durchführbarkeit der Abschiebung müssen sich auf das Land beziehen, in das der Betroffene abgeschoben werden soll, und müssen erkennen lassen, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in dieses Land üblicherweise möglich sind.

Für die Anordnung von Sicherungshaft ist nur Raum, wenn die Sachverhaltsermittlung und bewertung ergibt, dass entweder eine Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate prognostiziert oder eine zuverlässige Prognose zunächst nicht getroffen werden kann [1]. Die Prognose muss auf einer hinreichend vollständigen Tatsachengrundlage basieren und sich auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Gründe erstrecken, die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können [2]. Dazu zählt, wenn der Betroffene, wie hier, einen Asylfolgeantrag gestellt hat, auch ein mögliches Abschiebungshindernis nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG [3]. Erforderlich sind konkrete Feststellungen zu dem Verfahrensablauf und zu dem Zeitraum, in dem die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden. Der Tatrichter darf sich dabei nicht auf die Wiedergabe der Einschätzung der Ausländerbehörde beschränken, die Abschiebung werde voraussichtlich innerhalb von drei Monaten stattfinden können. Soweit diese keine konkreten Tatsachen hierzu mitteilt, obliegt es ihm gemäß § 26 FamFG, diese durch Nachfragen zu ermitteln [4]. Dass Passersatzpapiere beschafft werden müssen, macht die Prognose nicht entbehrlich [5].
Den genannten Anforderungen genügt im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall die Haftanordnung des Amtsgerichts offenkundig nicht. Sie beschränkt sich auf den Satz, es stehe nicht fest, dass die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten habe, nicht durchgeführt werden könne, und auf die Aussage, die Dauer der angeordneten Sicherungshaft sei erforderlich, um die Abschiebung organisatorisch vorzubereiten. Beides lässt nicht erkennen, dass das Gericht eine auf Tatsachen gestützte Prognose für den konkreten Fall getroffen hat. Auch fehlt die notwendige Vergewisserung, dass mit einer Entscheidung des Bundesamts über den Asylfolgeantrag des Betroffenen innerhalb von drei Monaten gerechnet werden konnte (vgl. § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG [6]).
Zwar ist bei unzureichenden Feststellungen im Zusammenhang mit der nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG zu treffenden Prognose eine Zurückverweisung der Sache zwecks weiterer Aufklärung möglich, wenn dem Betroffenen hierzu rechtliches Gehör gewährt werden kann [7]. Dem steht vorliegend aber entgegen, dass schon der Haftantrag unzulässig war, weil er keine Angaben zu der Durchführbarkeit der Abschiebung des Betroffenen enthielt. Dieser Mangel kann nicht rückwirkend geheilt werden, da es sich bei der ordnungsgemäßen Antragstellung durch die Behörde um eine Verfahrensgarantie handelt, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert [8].
Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung [9]. Der Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer [10]. Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags [11].
Die Begründung des Haftantrags muss auf den konkreten Fall zugeschnitten sein; Leerformeln und Textbausteine genügen nicht. Der Gesetzgeber hat sich nämlich – abweichend von dem Vorschlag der Bundesregierung, die es auch für Abschiebungshaftsachen bei den Anforderungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 FamFG bewenden lassen wollte [12] – bewusst dafür entschieden, an die Begründung eines Haftantrags strengere Anforderungen zu stellen und der Behörde mit dem heutigen § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG vorzuschreiben, zu welchen Punkten sich der Haftantrag zu verhalten hat [13]. Damit will der Gesetzgeber erreichen, dass dem Gericht schon durch den Antrag selbst eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für seine Entscheidung zugänglich wird [14]. Auch gibt eine solche Darlegung dem Betroffenen eine Grundlage für seine Verteidigung gegen den Haftantrag [15]. Danach bestimmen sich Inhalt und Umfang der notwendigen Darlegungen. Sie dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen [16]. Hinsichtlich der Durchführbarkeit der Abschiebung sind auf das Land bezogene Ausführungen erforderlich, in das der Betroffene abgeschoben werden soll. Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind.
Diesen Anforderungen genügt der gestellte Haftantrag nicht. Angaben zu der erfahrungsgemäß notwendigen Vorbereitungsdauer für eine Abschiebung nach Pakistan enthält er nicht. Die Erklärung, der beantragte Haftrahmen sei erforderlich, weil die Vorbereitung der Abschiebung, die Beschaffung der Flugkarte, Bereitstellung von Begleitpersonal usw. erfahrungsgemäß entsprechende Zeit beanspruchen können, ist eine universell einsetzbare Leerformel, die über die Durchführbarkeit der Abschiebung im konkreten Fall nichts aussagt. Der Hinweis, die Passbeschaffung sei bereits eingeleitet, und es sei, da eine Passkopie vorliege, mit der Ausstellung eines neuen Dokuments zu rechnen, betrifft zwar den individuellen Fall, lässt aber nicht erkennen, wann erfahrungsgemäß mit der Ausstellung des Papiers durch die pakistanischen Behörden zu rechnen ist; auch verhält sie sich nicht dazu, ob eine Abschiebung nach Pakistan weitere Formalitäten erfordert und wieviel Zeit diese voraussichtlich beanspruchen werden. Damit fehlen in dem Haftantrag jegliche Tatsachen, anhand derer der Haftrichter die Prognose nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG treffen konnte.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. Oktober 2011 – V ZB 311/10
- vgl. BVerfG, NJW 2009, 2659, 2660 Rn. 22 f.; BGH, Beschluss vom 10.06.2010 – V ZB 205/09, Rn. 9[↩]
- BVerfG, NJW 2009, 2659, 2660[↩]
- vgl. näher BGH, Beschluss vom 05.10.2010 – V ZB 222/10, InfAuslR 2011, 25, 26, Rn. 6[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 14.04.2011 – V ZB 76/11, Rn. 8; Beschluss vom 18.08.2010 – V ZB 119/10, Rn. 22, mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 30.06.2011 – V ZB 139/11, Rn. 6; Beschluss vom 14.04.2011 – V ZB 76/11, Rn. 8[↩]
- BGH, Beschluss vom 05.10.2010 – V ZB 222/10, InfAuslR 2011, 25, 26 Rn. 6[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 08.07.2010 – V ZB 203/09, Rn. 11[↩]
- BGH, Beschluss vom 29.04.2010 – V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn.19; Beschluss vom 21.10.2010 – V ZB 96/10, Rn. 14; Beschluss vom 24.02.2011 – V ZB 202/10 Rn. 26, FGPrax 2011, 146, 148[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 29.04.2010 – V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 12 und vom 22.07.2010 – V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 7[↩]
- § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 29.04.2010 – V ZB 218/09, aaO, Rn. 14; und vom 22.07.2010 – V ZB 28/10, aaO, Rn. 8[↩]
- Entwurfsbegründung zum FGG-ReformG in BT-Drucks. 16/6308 S. 291[↩]
- Beschlussempfehlung zum FGG-ReformG in BT-Drucks. 16/9733 S. 299[↩]
- Beschlussempfehlung zum FGG-ReformG, aaO; BGH, Beschluss vom 29.04.2010 – V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 14[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 22.07.2010 – V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 12[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 15.09.2011 – V ZB 123/11, Rn. 9[↩]