Auf die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit besteht nach einem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts kein Anspruch, wenn der Einbürgerungsbewerber zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt worden ist. Die Überschreitung der Bagatellgrenze von 90 Tagessätzen Geldstrafe um ein Drittel ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr "geringfügig".

Der Kläger des jetzt vom Bundesverwaltungsgerichts entschiedenen Rechtsstreits ist irakischer Staatsangehöriger und lebt seit 2000 in Deutschland. Im Jahr 2004 wurde er wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt. Seinen Antrag auf Einbürgerung lehnte die beklagte Stadt Köln unter Hinweis auf diese strafgerichtliche Verurteilung ab. Die vom Kläger erhobene Klage auf Einbürgerung hatte vor dem Verwaltungsgericht Köln keinen Erfolg 1.
Demgegenüber hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster der Berufung des Klägers stattgegeben und die Stadt Köln verpflichtet, den Einbürgerungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden 2. Die Verurteilung des Klägers bewege sich zwar außerhalb der Grenze des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG, wonach bei der Einbürgerung Geldstrafen bis zu 90 Tagessätzen außer Betracht blieben. Eine Verurteilung zu einer Geldstrafe bis zu 120 Tagessätzen übersteige jedoch diese Bagatellgrenze nur „geringfügig“ im Sinne des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG, so dass die Beklagte im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens darüber zu befinden habe, ob sie die Verurteilung unberücksichtigt lasse.
Auf die Revision der Stadt Köln hin hat nun jedoch das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Ein Einbürgerungsanspruch besteht grundsätzlich nicht, wenn der Ausländer wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt worden ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG). Eine Ausnahme macht das Gesetz für Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen oder drei Monaten Freiheitsstrafe (§ 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StAG). Übersteigt die Strafe diese sogenannten Bagatellgrenzen, kann sie die Einbürgerungsbehörde zwar als weitere Ausnahme noch im Wege einer Ermessensentscheidung außer Betracht lassen. Dies setzt aber voraus, dass die Strafe den vorgegebenen Rahmen (von 90 Tagessätzen) nur "geringfügig" übersteigt (§ 12a Abs. 1 Satz 3 StAG). Das ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts bei einer Überschreitung um 30 Tagessätze und damit um ein Drittel nicht der Fall.
Allerdings könnte die Beklagte noch im Rahmen einer Ermessenseinbürgerung von der fehlenden Straffreiheit des Klägers unter anderem absehen, wenn seine Einbürgerung im öffentlichen Interesse läge (§ 8 Abs. 2 StAG). Weil das Oberverwaltungsgericht hierzu keine Tatsachen festgestellt hat, hat das Bundesverwaltungsgericht den Rechtsstreit zurückverwiesen.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. März 2012 – 5 C 5.11
- VG Köln, Urteil vom 10.02.2010 – 10 K 4788/09[↩]
- OVG NRW, Urteil vom 14.03.2011 – 19 A 644/10[↩]