Einkaufen mit Maske

Beim Einkaufen und im Öffentlichen Personennahverkehr eine „Mund-Nasen-Bedeckung“ tragen zu müssen ist rechtmäßig.

Einkaufen mit Maske

Mit dieser Begründung hat das Verwaltungsgericht Mainz in dem hier vorliegenden Fall den Eilantrag einer Frau abgelehnt, die sich damit gegen die sog. „Maskenpflicht“ unter anderem in Rheinland-Pfalz ab dem 27. April 2020 gewandt hat. Ihr Ziel war eine sofortige Außerkraftsetzung der mit der Zweiten Landesverordnung zur Änderung der Vierten Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz (4.CoBeLVO) vom 24. April 2020 insbesondere in § 1 Abs.2 Sätze 2 und 3 sowie § 4 Abs.3 der 4.CoBeLVO eingeführten „Maskenpflicht“. Nach Meinung der Antragstellerin werde sie durch die Maskenpflicht in ihrer Gesundheit beeinträchtigt (Art.2 Abs.2 Satz1 GG). Außerdem stelle die Pflicht zum Tragen einer „Mund-Nasen-Bedeckung“ bzw. einer „Alltagsmaske“ aber einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Antragstellerin (Art.2 Abs.1 GG)dar.

In seiner Entscheidung hat das Verwaltungsgericht Mainz ausgeführt, dass die Antragstellerin durch eine Verpflichtung, beim Einkaufen und bei der Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) eine „Mund-Nasen-Bedeckung“ zu tragen, in diesen subjektiv-öffentlichen Rechten nicht verletzt wird. Eingriffe in die Grundrechte sind, sofern diese überhaupt anzunehmen sind, jedenfalls als gerechtfertigt anzusehen.

Die „Maskenpflicht“verfolgt vornehmlich den legitimen Zweck, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, indem möglichst neue Ansteckungen vermieden werden sollen. Damit nimmt der Antragsgegner eine aus Art.2 Abs.2 Satz1 GG folgende Schutzpflicht zugunsten der Bürgerinnen und Bürger im Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungsspielraums wahr1. Es ist zur Überzeugung des Verwaltungsgerichts auch nachvollziehbar seitens des Antragsgegners dargelegt worden, dass das Tragen von (ggf. selbstgefertigten) Alltagsmasken zwar nicht den Tragenden, aber andere Personen wesentlich vor Ansteckungen schützen kann.

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Die Annahme der Antragstellerin, dass sich die Situation „seit über einem Monat kontinuierlich verbessert“ habe, ist wohl auf die Kontaktbeschränkungen und die damit verbundenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens zurückzuführen (sog. „Lockdown“), wozu insbesondere die weitgehende Schließung von Einzelhandelsgeschäften und auch weiterer Einrichtungen mit Publikumsverkehr zählt. Sofern nunmehr das öffentliche Leben wieder schrittweise „hochgefahren“ wird, die Pandemie aber noch nicht vorbei ist, gilt es als Ersatz für die wegfallenden Verbote anderweitige (flankierende) Schutzmaßnahmen zu treffen, die letztlich ein „Mehr“ an sozialen bzw. beruflichen Kontakten ermöglichen und so auch die Sicherungsmaßnahmen mit den Interessen der Gewerbetreibenden (Art.12 Abs.1GG), die am stärksten von den bisherigen Maßnahmen betroffen waren, in Einklang bringen. Es handelt sich also – nach gerichtlich nicht zu beanstandender Einschätzung des Antragsgegners – um eine notwendige flankierende Maßnahme. Der Antragsgegner hat seinen Einschätzungsspielraum damit nicht überschritten.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Effektivität der Maßnahme in Einzelfällen aufgrund falscher Handhabung der Masken nicht vollumfänglich gewährleistet ist. Gleichwohl dürfte die Maßnahme den Infektionsschutz in einem nicht unerheblichen Maße steigern, sodass dessen Wirksamkeit weitestgehend gesichert sein dürfte. Jedenfalls ist eine entgegenstehende Prognose des Normgebers gerichtlich nicht zu beanstanden. Die rein spekulativen und nicht hinreichend substantiiert dargelegten Angaben zur Sterberate und dem saisonalen Auftreten des Coronavirus führen zu keinem abweichenden Ergebnis. Eine Sachverhaltsaufklärung konnte insoweit nicht zugunsten der Antragstellerin erfolgen.

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Sofern die Antragstellerin geltend macht, dass früher mit COVID-19 infizierte Personen, die die Krankheit überstanden haben, weder erneut angesteckt werden noch andere Personen anstecken könnten, kann dies nicht zum Erfolg des Antrags führen. Dahingehend hat die Antragstellerin eine Betroffenheit in eigenen Rechten weder behauptet noch dargelegt. Denn sie gehört offenbar nicht bzw. auch nicht in absehbarer Zeit zu dieser Gruppe. Im Übrigen ist unklar, wie regelhaft, robust und dauerhaft dieser Immunstatus aufgebaut wird, sodass auch die grundsätzliche Erfassung von genesenen Personen derzeit dem Grunde nach nicht ermessensfehlerhaft sein dürfte.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Mainz erscheinen derzeit auf Grundlage der Ausführungen der Antragstellerin insgesamt keine Gesundheitsgefahren derart naheliegend, die eine einstweilige Aussetzung der „Maskenpflicht“ für die Antragstellerin zur Folge haben könnten. Für die von der Antragstellerin befürchteten Keime, die in die Lunge ge-langen könnten, gibt es bei richtiger Handhabung der Masken nach Aktenlage keine Anhaltspunkte. Insbesondere muss die Maske aber nach einer Durchfeuchtung gewechselt werden. Es ist den Bürgerinnen und Bürgern insoweit zumutbar, sich über die richtige Handhabung über allgemein zugängliche Quellen, insbesondere die Veröffentlichungen staatlicher Stellen, hinreichend zu informieren. Die falsche Handhabung der Maske entgegen allgemeiner Empfehlungen und Aufklärungskampagnen ist dem allgemeinen Lebensrisiko bzw. dem persönlichen Verantwortungsbereich des Einzelnen zuzuordnen. Für Personen mit Gesundheitsbeeinträchtigungen und Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres sieht die Rechtsverordnung zudem ohnehin von vornherein Ausnahmen vor (vgl. §1 Abs.2 Satz3 Nr.1 und 2 sowie §4 Abs.3 Satz4 Nr.1 und 2 der 4.CoBeLVO), sodass auch deshalb keine der „Maskenpflicht“ entgegenstehenden Gefahren zu befürchten sind.

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Soweit die Antragstellerin – offenbar noch basierend auf der Ankündigung der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der jeweiligen Bundesländer, eine Maskenpflicht zu erlassen – die fehlende Bestimmtheit hinsichtlich des geforderten Mindestabstands rügt, dürfte sich dies mit dem nunmehr erfolgten Verordnungserlass erledigt haben, da darin gerade die Situationen, in denen eine „Maskenpflicht“ gilt, hinreichend konkret beschrieben sind(vgl. §4 Abs.1 der 4.CoBeLVO).

Auch der „Umweltschutz“, der als Staatszielbestimmung gemäß Art.20a GG Verfassungsrang hat, steht einer Maskenpflicht nicht entgegen. Die Antragstellerin übersieht dabei zum einen, dass es nicht notwendig ist, eine eigene Maske zu fertigen oder eine Einwegmaske zu verwenden, stattdessen kann ein Schal oder ein Tuch genutzt werden, sodass nicht zwingend neues Material verbraucht werden muss. Zum anderen stehen die Anforderungen an eine hygienische Reinigung, ebenso wie der erhöhte Wasserverbrauch durch häufigeres und längeres Händewaschen, in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel einer wirksamen Pandemiebekämpfung bzw. der Eindämmung der COVID-19 Erkrankung.

Die von der Antragstellerin dargestellten „gesellschaftlichen Gefahren“ in Form von Verstößen gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz bei der Anfertigung von Masken und die Befürchtung eines „florierenden Schwarzmarktes“ unter Verletzung steuerlicher Abgabepflichten steht in keinem derart engen Zurechnungszusammenhang mit der „Maskenpflicht“, dass daraus deren Rechtwidrigkeit folgen könnte. Vielmehr sind diese Randerscheinungen letztlich bei allen staatlichen Ge- und Verboten denkbar und können als lediglich entfernte mittelbare Folgen nicht ohne weiteres in eine epidemiologische Bewertung einfließen, sodass es auf die Substanz dieser Ausführungen der Antragstellerin nicht näher ankommt.

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Die von der Antragstellerin vorgetragenen „durch die allgemeine Situation derzeit ausgelösten Depressionen“, die sie nicht weiter belegt hat, können insoweit keine andere Bewertung rechtfertigen. Dies folgt schon daraus, dass in §§ 1 Abs.2 Satz3 Nr.2, 4 Abs.3 Satz 4 Nr.2 der 4.CoBeLVO Ausnahmen von der „Maskenpflicht“ geregelt sind, soweit das Tragen aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist; dies ist allerdings durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen. Die Regelung erweist sich daher auch insoweit als verhältnismäßig. Ferner sind Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres von der Maskenpflicht ausgeschlossen.

Auch die weitere von der Antragstellerin dargestellte „persönliche Betroffenheit“ lässt die Maskenpflicht für sie (und ihre Kinder) nicht unzumutbar erscheinen. Vielmehr hat sie es hinzunehmen, dass sie für die durchaus geringe Zeit der ÖPNV-Nutzung eine Schutzmaske zu tragen hat. Darüber hinaus trägt die Antragstellerin selbst vor, dass sie auf die Nutzung ihres privaten PKW (freiwillig) verzichte. Sollte sie einer Maskenpflicht im ÖPNV entgehen wollen, könntesie für die Zeiten der aktuellen Pandemieauflagen in zumutbarer Weise auf die PKW-Nutzung ausweichen. Ebenso verhält es sich mit der Maskenpflicht beim Einkaufen. Hierbei wäre es zumutbar, dass die Antragstellerin vermehrt auf Lieferdienste oder andere externe Hilfenzurückgreift, um so der Maskenpflicht weitgehend zu entgehen, oder sich von der Maskenpflicht auf Grundlage eines ärztlichen Attestes entbinden zu lassen. Schließlich gilt die Maskenpflicht im sonstigen öffentlichen Raum nicht, sodass schon von vornherein nicht zu befürchten wäre, dass sich die Antragstellerin gleichsam vollständig sozial isolieren müsste.

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Insgesamt rechtfertigt der Gesundheitsschutz in Anbetracht der weiterhin ernsten Situation in der COVID-19 Pandemie auch einschneidende Maßnahmen. Zwar ist die Anzahl der Neuinfektionen offenbar unter anderem verursacht durch den weitgehenden „Lockdown“ spürbar gesunken, was letztlich zu den „Lockerungen“ für Einzelhandelsgeschäfte – unter Beschränkung der zulässigen Verkaufsfläche – geführt hat. Allerdings sind nach nicht zu beanstandender Einschätzung des Antragsgegners weiterhin staatliche Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus notwendig, um unangemessene gesundheitliche Risiken für große Teile der Bevölkerung zu vermeiden. Dies legt der Antragsgegner auch nachvollziehbar dar. Dazu dient gerade die „Maskenpflicht“ als flankierende Maßnahme. Bei der derzeitigen nur schwer zuverlässig prognostizierbaren aktuellen Bedrohungslage, dient eine vorliegend erfolgte schrittweise Aufhebung von Beschränkungen daher dem Ausgleich der betroffenen grundrechtlichen Freiheiten2. Dieses offenbar vom Verordnungsgeber verfolgte stufenweise Konzept ist dementsprechend nicht zu beanstanden. Es ist derzeit nicht ersichtlich, dass die Folgen einer Fortgeltung der angegriffenen Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie in einem Maße untragbar wären, dass die verfügte Einschränkung im Eilrechtsschutz außer Vollzug gesetzt werden müsste. Gegenüber den Gefahren für Leib und Leben wiegen die Einschränkungen der persönlichen Freiheit der Antragstellerin in diesem Fall weniger schwer3.

Verwaltungsgericht Mainz, Beschluss vom 28. April 2020 – 1 L 276/20.MZ

  1. vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 7. April 2020 –1 BvR 755/20[]
  2. vgl. Brem OVG, Beschluss vom 23.April 2020 – 1 B 107/20[]
  3. vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 7. April 2020 – 1 BvR 755/20[]
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