Die für den Einwendungsausschluss erforderliche Anstoßwirkung durch Bekanntmachung der Auslegung der Planunterlagen müssen sich nur die Betroffenen in dem von der Anhörungsbehörde gewählten Auslegungsbereich entgegenhalten lassen.

Wird ein einheitliches Ausbauvorhaben, das der Aufnahme eines erhöhten Verkehrsaufkommens aus einer neuen Verkehrsquelle dient, in mehrere Planungsabschnitte unterteilt, muss die Gesamtplanung darauf ausgerichtet sein, das Ausbauvorhaben als Ganzes so zeitig zu einem Abschluss zu bringen, dass keiner der Betroffenen Gefahr läuft, plötzlich einer signifikant erhöhten Lärmbelastung schutzlos ausgesetzt zu sein. Kann dieses Ziel nicht erreicht werden, ist im Rahmen der Abwägung über die Gewährung eines auf die Übergangszeit bezogenen (interimistischen) Lärmschutzes zu entscheiden; dabei ist ungeachtet der plangegebenen Vorbelastung insbesondere die Einhaltung der grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle zu berücksichtigen.
Aus Anlass einer eisenbahnrechtlichen Planfeststellung können zur Bewältigung der vom Vorhaben und dessen betriebsbedingten Auswirkungen aufgeworfenen Konflikte betriebsregelnde Anordnungen getroffen werden.
Nach § 18a Nr. 1 AEG erfolgt die Auslegung der Planunterlagen in den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben voraussichtlich auswirkt. Der weite Begriff des Auswirkens erhält rechtliche Konturen, wenn und soweit er nur solche Auswirkungen umfasst, die eine planerische Konfliktbewältigung gerade im anstehenden Planfeststellungsverfahren erforderlich machen können. Auf diesen im Wege einer Prognoseentscheidung ermittelten räumlichen Bereich ist die Auslegung zu erstrecken1.
Grundsätzlich berücksichtigungsfähige und -bedürftige Auswirkungen sind nicht von vornherein auf die unmittelbare Nachbarschaft des Vorhabens beschränkt; vielmehr kann das Vorhaben auch mittelbare (Fern-)Wirkungen entfalten. Bei linienförmigen Vorhaben wie hier beim Ausbau eines Verkehrswegs können Maßnahmen auf einem Streckenabschnitt zu einer Steigerung des Verkehrs und folglich einer erhöhten Immissionsbelastung auch auf nachfolgenden Streckenabschnitten führen. Die Feststellung, dass insbesondere der Lärmzuwachs anlässlich des geplanten Vorhabens bewältigungsbedürftig ist, erfolgt nach Maßgabe rechtlicher Wertungen.
Zum einen muss der Verkehrszuwachs aufgrund der Verkehrsbeziehungen dem Ausbauvorhaben zurechenbar sein2. Diese Feststellung ist beim engmaschigen Straßennetz, in dem die Verkehrsströme sich vielfältig aufspalten können, im Ansatz auf einen engeren Bereich beschränkt als beim Schienennetz. Denn dieses fächert sich nicht in gleicher Weise „in die Fläche“ aus, so dass auch weiträumige Ursachenzusammenhänge bestehen können. Hier kann indessen im Interesse der Handhabbarkeit von Planungsprozessen eine wertende Beschränkung der Zurechnung angezeigt sein3.
Eine durch den Ausbau eines Schienenwegs hervorgerufene Lärmbelastung ist zum anderen in der Regel nur dann rechtlich beachtlich, wenn sie die gegebene Vorbelastung übersteigt4. Dabei kommt es nicht auf die tatsächliche Ausnutzung des Schienenwegs, sondern auf dessen rechtlich zulässige Ausnutzbarkeit an.
Die Feststellung, dass zurechenbare Auswirkungen auf anderen Streckenabschnitten hervorgerufen werden können, ist nur notwendige, nicht jedoch hinreichende Bedingung für die Erweiterung des räumlichen Bereichs der Auslegung.
Darüber hinaus muss es nach dem Gebot der planerischen Konfliktbewältigung geboten sein, diese Auswirkungen bereits bei der anstehenden Entscheidung über das Planvorhaben in den Blick zu nehmen. Dies ist nur ausnahmsweise der Fall. Bei einem in mehrere Planungsabschnitte unterteilten Gesamtvorhaben gilt der Grundsatz der abschnittsbezogenen Auslegung5. Denn bei einer solchen Verfahrensgestaltung ist in der Regel davon auszugehen, dass die (Fern-)Wirkungen des Ausbaus auf den nachfolgenden Planungsabschnitt mit den beim dortigen Ausbau entstehenden unmittelbaren Auswirkungen verschmelzen und erst in der darauf bezogenen Planfeststellung bewältigt werden müssen. Daraus folgt, dass die Auslegung regelmäßig örtlich auf den unmittelbaren Einwirkungsbereich des Vorhabens beschränkt werden kann.
Ausnahmen vom Grundsatz der abschnittsbezogenen Auslegung sind demnach dann zu machen, wenn die Konfliktbewältigung nicht in die Entscheidung über den nachfolgenden Abschnitt verschoben werden kann. Das kann zum einen dann der Fall sein, wenn das Gesamtvorhaben mit dem nunmehr geplanten Abschnitt endet und es an einer daran anschließenden Planung überhaupt fehlt. Zum anderen kann ungeachtet einer vorgesehenen Anschlussplanung der Verweis auf die dann anstehende Möglichkeit der Konfliktbewältigung wegen der zeitlichen Verhältnisse unzureichend sein.
Eine – unterstellt – verfahrensfehlerhafte Auslegung der Planunterlagen führt indessen nicht zum Erfolg der Klagen, denn ein solcher Verfahrensmangel ist auch im Hinblick auf die Kläger, die Einwendungen nicht fristgerecht erhoben haben, jedenfalls nach § 18e Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 AEG i.V.m. § 46 VwVfG unerheblich. Die Vorschrift des § 46 VwVfG, der unmittelbar nur den Aufhebungsanspruch im Rahmen einer Anfechtungsklage ausschließt, bezieht sich auch auf den „gekappten“ Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Es wäre schwerlich nachvollziehbar, wenn dieser Entscheidungsausspruch, der dem Ziel der Planerhaltung Rechnung tragen soll, in einer solchen Konstellation zu einer Erweiterung des Rechtsschutzes führte6.
Die Berücksichtigung der fehlenden Kausalität eines Verfahrensfehlers für das Entscheidungsergebnis ist auch mit Unionsrecht vereinbar.
Das Erfordernis der Auslegung der Planunterlagen folgt für die gemäß § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 1 UVPG i.V.m. Nummer 14.7 der Anlage 1 UVP-pflichtigen Vorhaben – insoweit inhaltlich übereinstimmend mit § 18a Nr. 1 AEG – aus § 9 Abs. 1 Satz 3 UVPG i.V.m. § 73 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 VwVfG. Diese Vorschriften dienen der Umsetzung der Bestimmungen des Art. 6 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27.06.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten7 – UVP-RL – in der durch die Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 03.03.19978 geänderten Fassung. Art. 10a UVP-RL in der durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.05.2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten – Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie – ABl EG Nr. L 156 S. 17)) geänderten Fassung – nunmehr Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten9 – gebietet zwar den Zugang zu Gericht, um sowohl die materiellrechtliche als auch die verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit anfechten zu können. Ungeachtet der besonderen Bedeutung, die das Unionsrecht der Einhaltung von Verfahrensvorschriften im Umweltrecht beimisst, folgt daraus aber nicht, dass – über das vollständige Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung hinaus (siehe § 4 Abs. 1 UmwRG) – jeder Verfahrensfehler bei der Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung die Rechtswidrigkeit der anschließend erlassenen Zulassungsentscheidungen im Sinne dieses Artikels nach sich zieht. Vielmehr steht Art. 10a UVP-RL der Verneinung der Rechtswidrigkeit nicht entgegen, wenn bei Berücksichtigung des Schweregrads des geltend gemachten Fehlers nach Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles „nachweislich die Möglichkeit besteht“, d.h. davon auszugehen ist, dass die Entscheidung ohne den Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre10. Das ist hier der Fall.
Der geltend gemachte Verfahrensfehler eines zu eng bemessenen Auslegungsgebiets wiegt als solcher zwar grundsätzlich schwer, da er geeignet ist, Teilen der betroffenen Öffentlichkeit den Zugang zu Informationen abzuschneiden und deren Beteiligung am Entscheidungsprozess zu unterbinden. Die Tragweite dieses Fehlers wird jedoch deutlich gemindert, wenn sich Teile der Öffentlichkeit aus den Gebieten, in denen eine Auslegung unterblieben ist, aufgrund sonstiger Kenntnis vom Vorhaben gleichwohl am Verfahren beteiligen. Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – gleichgerichtete Einwendungen vorgebracht werden. Die nunmehr auch von den Klägern vorgetragenen Einwendungen sind im Wesentlichen im Erörterungstermin in Oldenburg von dort anwesenden Einwendern, die sich teilweise ausdrücklich als Sprachrohr der Interessen aller Oldenburger Bahnanlieger verstanden haben, umfassend dargelegt worden. Aufgrund des Umgangs mit den Einwendungen im Verfahren und deren Verarbeitung in den Planfeststellungsbeschlüssen ist davon auszugehen, dass eine zahlenmäßig geringere Beteiligung von Oldenburger Bahnanliegern am Verwaltungsverfahren eine Auswirkung auf die Sachentscheidung nicht gehabt hat.
Die Abschnittsbildung als anerkannter Teil der fachplanerischen Abwägung soll angesichts beschränkter Kapazitäten bei Planung und Durchführung die praktische Bewältigung umfangreicher Vorhaben ermöglichen. Denn eine Gesamtplanung einer Strecke von – wie hier – über 50 km wäre kaum überschaubar. Dritte haben deshalb grundsätzlich kein Recht darauf, dass über die Zulassung eines Vorhabens insgesamt, vollständig und abschließend in einem einzigen Bescheid entschieden wird. Jedoch kann eine Abschnittsbildung Dritte in ihren Rechten verletzen, wenn sie einen effektiven Rechtsschutz faktisch unmöglich macht oder dazu führt, dass die abschnittsweise Planfeststellung dem Grundsatz umfassender Problembewältigung nicht gerecht werden kann11.
ärmschutz außerhalb des jeweiligen Planfeststellungsabschnitts kann nicht auf der Grundlage des § 41 BImSchG i.V.m. der Sechszehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung – 16. BImSchV) vom 12.06.199012 verlangt werden. Denn der Regelungsbereich dieser Bestimmungen bezieht sich nur auf die unmittelbare Nachbarschaft des Vorhabens. Auch auf § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG kann aufgrund der insoweit abschließenden Regelung des § 41 Abs. 1 BImSchG nicht zurückgegriffen werden13.
Dem Lärmzuwachs auf der bereits vorhandenen Strecke ist im Rahmen des Gebots planerischer Abwägung Rechnung zu tragen14. Den daraus folgenden Anforderungen werden die angefochtenen Planfeststellungsbeschlüsse nicht gerecht.
Das Eisenbahn-Bundesamt geht in den Planfeststellungsbeschlüssen im Anschluss an die Rechtsprechung zwar zutreffend davon aus, dass aus der insbesondere bezüglich des Güterverkehrs über einen langen Zeitraum hinweg geringen tatsächlichen Streckenauslastung ein irgendwie gearteter Vertrauenstatbestand für die Anlieger der Bahnstrecke mit der Folge einer Deckelung der Lärmbelastung auf den bislang gegebenen Zustand nicht erwächst. Vielmehr ist eine Lärmbelastung, die die plangegebene Vorbelastung nicht übersteigt, grundsätzlich hinzunehmen. Soll die Belastung – wie hier – für eine Übergangszeit trotz ausbaubedingter Kapazitätserweiterung auf die plangegebene Vorbelastung beschränkt werden, so muss allerdings die der Vorbelastung zugrunde liegende Zugmenge im Planfeststellungsbeschluss verlässlich festgelegt werden, damit das Eisenbahn-Bundesamt als Aufsichtsbehörde im Interesse der Lärmbetroffenen in der Lage ist, die Einhaltung der Grenzen dieser Duldungspflicht zu überwachen. Der Streckenanlieger hat die Vorbelastung grundsätzlich auch dann zu dulden, wenn die Lärmimmissionen die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle, die jedenfalls für Wohngebiete an Werten von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts festzumachen ist, überschreitet15. Die Schutzpflicht des Staates für Gesundheit und Eigentum steht dem nicht entgegen, weil es insoweit an der normativen Zurechnung der Lärmimmissionen zum planfestgestellten Vorhaben fehlt.
Unter besonderen Umständen ist aber eine abweichende rechtliche Beurteilung geboten. Dann kann ungeachtet der Einhaltung der plangegebenen Vorbelastung der Beachtung der grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle eine maßgebliche Bedeutung zukommen. Mit der mittlerweile durch Zeitablauf erledigten Fallkonstellation der Wiedereröffnung teilungsbedingt unterbrochener Eisenbahnstrecken16 sind die insoweit anzuerkennenden Ausnahmesituationen nicht abschließend umschrieben.
In den so genannten Wiedervereinigungsfällen wird mit der Gewährung von Lärmschutz ein Billigkeitsausgleich geleistet in einer Situation, in der die plangegebene Vorbelastung in der Realität keine Entsprechung mehr findet und sich deswegen einer juristischen Fiktion nähert17. Auf eine insoweit vergleichbare Situation können die Kläger sich nicht berufen. Trotz bedeutender Schwankungen insbesondere in der Güterverkehrsnutzung war die Strecke Oldenburg – Wilhelmshaven immer als eine Hauptbahn mit Güterverkehr ausgewiesen und ist als solche auch – wenn auch in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung der Region in unterschiedlichem Ausmaß – tatsächlich genutzt worden.
Der vorliegende Sachverhalt zeichnet sich indessen durch die Besonderheit aus, dass ein einheitliches Ausbauvorhaben, das auf die Aufnahme eines erhöhten Verkehrsaufkommens aus einer neuen Verkehrsquelle gerichtet ist, in mehrere Abschnitte unterteilt wird. Die Anlieger der Strecke, mit deren Ausbau eine leistungsfähige Hinterlandanbindung für den Jade-Weser-Port geschaffen werden soll, bilden insoweit eine planungsrechtliche Schicksalsgemeinschaft der von den Lärmimmissionen betroffenen Anwohner eines als Einheit anzusehenden Ausbauvorhabens. Diese unterscheidet sich deutlich von der der Anlieger einer sonstigen Ausbaustrecke, deren Ertüchtigung ein mehr oder weniger kontinuierlich steigendes Verkehrsaufkommen aufnehmen soll. Denn die Eröffnung einer gänzlich neuen Verkehrsquelle bildet einen zeitlichen Einschnitt und setzt eine Vorgabe für die Gesamtplanung. Diese muss darauf ausgerichtet sein, das Ausbauvorhaben so zeitig zu einem Abschluss zu bringen, dass keiner der Betroffenen Gefahr läuft, plötzlich einer signifikant erhöhten Lärmbelastung schutzlos ausgesetzt zu sein. Ist dies – aus welchen Gründen auch immer – nicht möglich, kann es unbillig und deshalb korrekturbedürftig erscheinen, wenn ein Teil der von einem Gesamtprojekt Betroffenen allein wegen der Unwägbarkeiten der von Erfordernissen der Praktikabilität einer komplexen Planung bestimmten Abschnittsbildung und wegen des zeitlichen Ablaufs der Ausbauarbeiten zwar nur übergangsweise, aber gleichwohl einer hohen und gegebenenfalls gesundheitsgefährdenden Lärmbelastung ausgesetzt ist. Das rechtfertigt es, auch diese Fallgestaltung als Ausnahmesituation anzuerkennen, in der die Gewährung von Lärmschutz gegenüber Schallimmissionen, die die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle überschreiten, sich aber im Rahmen der plangegebenen Vorbelastung halten, nach Maßgabe des Abwägungsgebots in Betracht zu ziehen ist.
Über die Gewährung eines auf die Übergangszeit bezogenen (interimistischen) Lärmschutzes ist unter Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Dazu zählen neben der voraussichtlichen Länge des Übergangszeitraums das Ausmaß der Lärmsteigerung und das Maß der Überschreitung der maßgeblichen Schwellenwerte, insbesondere im Hinblick auf die Störung der Nachtruhe.
Ausgangspunkt der Überlegungen ist die zugesagte interimistische Beschränkung der Streckennutzung und der damit verbundenen Lärmbelastung auf die plangegebene Vorbelastung. Eine Festlegung des entsprechenden Zugmengengerüsts fehlt allerdings in den Planfeststellungsbeschlüssen und ist vom Eisenbahn-Bundesamt im Rahmen der Ergänzung der Abwägungsentscheidung nachzuholen.
Für die Prüfung der Frage, ob bei Ausnutzung der insoweit limitierenden Kapazität die grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwellen eingehalten werden, sind zur Bestimmung der Lärmimmissionen die Vorgaben der 16. BImSchV zur Berechnung der maßgeblichen Beurteilungspegel und damit auch der auf der Grundlage des § 43 Abs. 1 Satz 2 BImSchG a.F. erlassene so genannte Schienenbonus18 zu berücksichtigen.
Der unmittelbare Anwendungsbereich der 16. BImSchV ist hier zwar nicht eröffnet. Es geht jedoch in der Sache um die Bewältigung eines Teilausschnitts derselben Problemlage, nämlich der Auswirkungen des Schienenlärms auf die menschliche Gesundheit, so dass eine unterschiedliche Handhabung von Berechnungsmethoden nicht überzeugen kann19. Die 16. BImSchV geht nicht nur davon aus, dass eine Gesundheitsgefahr nicht eintritt, solange die Immissionsgrenzwerte des § 2 eingehalten werden. Vielmehr gilt Gleiches, solange eine vorhandene Lärmvorbelastung sich nicht im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 relevant erhöht20. Lärmschutzansprüche werden hier erst gewährt, wenn die unter Anwendung des Schienenbonus ermittelte Schwelle von 60 dB(A) bzw. 70 dB(A) erreicht ist. Eine auf die Übergangszeit bezogene Ergänzung des Lärmschutzkonzepts muss sich hieran orientieren, um ein stimmiges Gesamtbild zu erreichen. So kann nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV der Anlieger einer wesentlich geänderten Eisenbahnstrecke, der bei einer Erhöhung des Beurteilungspegels um weniger als 3 dB(A) einem Lärmpegel von 59 dB(A) nachts ausgesetzt ist – ohne Berücksichtigung des Schienenbonus entspricht dies einem Wert von 64 dB(A), Schutzmaßnahmen nicht beanspruchen. Angesichts dessen wäre es nicht überzeugend, wenn der von den Fernwirkungen einer Änderung betroffene Anlieger eines nicht geänderten Streckenteils schon bei einer im Vergleich dazu – ohne Schienenbonus ermittelten – geringeren Lärmbelastung von 63 dB(A) einen, wenn auch nur auf eine Lärmsanierung gerichteten, Schutzanspruch sollte geltend machen können.
Die Einhaltung der grundrechtlich veranlassten Schwellenwerte, die in die Abwägung einzustellen ist, kann – ebenso wie beim endgültigen Lärmschutzkonzept – durch Maßnahmen des aktiven Schallschutzes, d.h. solchen an der Lärmquelle bzw. am Übertragungsweg, erreicht werden. Baumaßnahmen an der Strecke, insbesondere temporäre Lärmschutzwände, dürften jedoch in aller Regel ausscheiden.
Als weitere Maßnahme zur Reduzierung des Schienenlärms kommt auch die Festlegung von Betriebsregelungen im Planfeststellungsbeschluss in Betracht. Gegenstand der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung nach § 18 Satz 1 AEG ist zwar nur der Bau und die Änderung von Eisenbahnbetriebsanlagen. Das schließt es aber nicht aus, dass aus Anlass einer „Bauplanfeststellung“ zur Bewältigung der vom Vorhaben und dessen betriebsbedingten Auswirkungen aufgeworfenen Konflikte auch betriebsregelnde Anordnungen wie Nutzungsbeschränkungen – die durch die Deckelung auf die plangegebene Vorbelastung im Planfeststellungsbeschluss in der Sache ohnehin bereits verfügt worden sind – oder Geschwindigkeitsbegrenzungen getroffen werden21. Inwieweit solchen Regelungen, wenn sie auf Dauer vorgesehen sind, die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Schienenwegs entgegengehalten werden kann22, bedarf hier keiner Entscheidung. Bei einem Lärmschutz für eine Übergangszeit kann ein Vorrang der üblichen Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes jedenfalls nicht durchgreifen.
Auch die unionsrechtlich vorgegebenen regulierungsrechtlichen Bestimmungen über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur stehen der Festsetzung von Betriebsregelungen nicht entgegen. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG, der der Umsetzung der von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung23, nunmehr Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.11.2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (Neufassung)24 dient25, sind die Eisenbahninfrastrukturunternehmen verpflichtet, die diskriminierungsfreie Benutzung der von ihnen betriebenen Eisenbahninfrastruktur zu gewähren. Der Zugangsanspruch kann jedoch nur in den Grenzen der zulässigerweise eröffneten Kapazität geltend gemacht werden. Insoweit sind auch solche Beschränkungen vorgegeben, die dem Infrastrukturunternehmen in der Zulassungsentscheidung auferlegt werden. Die Frage, wie flächendeckende Kapazitätsbeschränkungen zu beurteilen wären, stellt sich hier nicht.
Das Eisenbahn-Bundesamt ist allerdings nicht auf Maßnahmen des aktiven Schallschutzes beschränkt. Bei der Auswahl der zu ergreifenden Maßnahmen steht dem Eisenbahn-Bundesamt ein Gestaltungsspielraum zu. Im Rahmen ihrer Abwägung kann es sich auch dafür entscheiden, einen entsprechenden Schutz im Wege des passiven Lärmschutzes zu erreichen, der sich auf abgeschlossene Räume bezieht.
Die Gewährung passiven Lärmschutzes ist in dieser Situation nicht an den Vorgaben der Vierundzwanzigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung – 24. BImSchV) vom 04.02.199726 auszurichten. Dies ist schon deswegen nicht geboten, weil diese Regelungen sich nach § 1 auf die Bestimmungen der 16. BImSchV und die darin festgelegten Immissionsgrenzwerte beziehen und deswegen auf die Gewährleistung von Innenraumpegeln abzielen, die die Lärmvorsorge garantieren. Ein solcher Lärmschutz wäre gemessen an dem Ziel der Einhaltung der grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle während einer Übergangszeit letztlich überschießend. Im Grundsatz reicht es demgegenüber aus, die Schalldämmung der Räume jeweils so zu erhöhen, dass der Wert, um den der maßgebliche Beurteilungspegel die Zumutbarkeitsschwelle überschreitet, kompensiert wird. In der Praxis dürfte dies näherungsweise darauf hinauslaufen, dass bei einer Überschreitung der Zumutbarkeitsschwelle um 5 dB(A) ein Schallschutzfenster der gegenüber dem Bestand nächst höheren Schallschutzklasse dem rechtlich gebotenen Schutzanspruch genügt27. Hierfür wäre dann eine finanzielle Entschädigung zu leisten. Falls der Lärmbetroffene selbst weitergehenden Schutz erreichen will und insofern einen besseren Lärmschutzstandard begehrt, wäre die Kostendifferenz zu erstatten.
Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass es um den Lärmschutz für eine Übergangszeit bis zur Realisierung der Ausbauplanung im betroffenen Abschnitt geht und deswegen in absehbarer Zeit die Umsetzung eines endgültigen Lärmschutzkonzepts ansteht. Deshalb ist es angezeigt zur Vermeidung einer reinen Übergangslösung, die für die Beigeladene mit nach Ablauf dieser Zeit nutzlosen finanziellen Aufwendungen und für die Betroffenen mit wiederholten Unannehmlichkeiten durch Umbaumaßnahmen verbunden sein kann, bereits dieses zukünftige Lärmschutzkonzept – zumindest in seinen großen Zügen – in die Überlegungen mit einzubeziehen. Dabei kann das dem im Erörterungstermin vom 05.07.2012 geschlossenen Vergleich zugrunde gelegte Vorgehen im Wege eines „vorgezogenen passiven Lärmschutzes“ vielfach zu angemessenen Ergebnissen führen. Insoweit sind, auch wenn das unterstellte Lärmschutzkonzept gemäß § 41 Abs. 1 BImSchG vorrangig auf Maßnahmen des aktiven Schallschutzes in Gestalt von Lärmschutzwänden beruht, im Wesentlichen drei Fallkonstellationen zu unterscheiden. Bei Schutzfällen, die von den Lärmschutzwänden nicht geschützt werden und denen allein passiver Schallschutz zugebilligt wird, ist durch das Vorziehen dieses Schutzes dem Anliegen des interimistischen Lärmschutzes auf jeden Fall genügt. Falls der endgültige Schallschutz durch eine Kombination von aktivem und passivem Schallschutz gewährt werden soll, ist zu prüfen, ob das Maß der vorgesehenen Dämmung ausreicht, um die Überschreitung der Zumutbarkeitsschwelle auszugleichen. Falls dies nicht zutrifft, ist das Schalldämm-Maß entsprechend zu erhöhen. Schließlich ist in Fallgestaltungen, in denen im künftigen Schutzkonzept ein Schutzfall allein durch Maßnahmen des aktiven Schallschutzes bewältigt werden soll und somit ein vorzuziehender passiver Lärmschutz nicht ausgewiesen ist, über das Maß des nunmehr gebotenen passiven Lärmschutzes unter Beachtung der oben skizzierten Vorgaben zu entscheiden.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. November 2013 – 7 A 28.12
- BVerwG, Urteil vom 31.07.2012 – 4 A 7001.11 u.a., BVerwGE 144, 44 Rn. 32 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 39[↩]
- BVerwG, Urteil vom 17.03.2005 – 4 A 18.04, BVerwGE 123, 152 Rn. 18 = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 44 S. 136; siehe dazu auch Füßer, UPR 2012, 92 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen[↩]
- vgl. hierzu etwa OVG Koblenz, Urteil vom 14.08.1997 – 1 C 11506/96 – juris Rn. 16 a.E.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 09.07.2008 – 9 A 5.07, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 66 Rn. 17[↩]
- Kipp/Schütz, in: Hermes/Sellner, Hrsg., Beck´scher AEG-Kommentar, 2006, § 20 Rn. 60[↩]
- vgl. zur Fortsetzungsfeststellungsklage Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl.2013, § 46 Rn. 43[↩]
- ABl EG Nr. L 175 S. 40[↩]
- ABl EG Nr. L 73 S. 5[↩]
- ABI EG 2012 Nr. L 26 S. 1[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 – C-72/12, Altrip, Rn. 57[↩]
- vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22.07.2010 – 7 VR 4.10, NVwZ 2010, 1486 Rn. 27; und vom 23.11.2007 – 9 B 38.07, Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 7 Rn.20, jeweils m.w.N.[↩]
- BGBl I S. 1036[↩]
- BVerwG, Urteile vom 15.12 2011 – 7 A 11.10, Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 59 Rn. 29; vom 09.06.2010 – 9 A 20.08, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr.208 Rn. 114; und vom 17.03.2005 – 4 A 18.04, BVerwGE 123, 152, 155 = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 44 S. 135[↩]
- siehe BVerwG, Urteil vom 17.11.1999 – 11 A 4.98, BVerwGE 110, 81, 86, 88 = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 53 S. 55 f. sowie Beschluss vom 26.01.2000 – 4 VR 19.99, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 156 Rn. 12[↩]
- BVerwG, Urteil vom 09.07.2008 – 9 A 5.07, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 66 Rn. 17; siehe zur Zumutbarkeitsschwelle zuletzt Urteile vom 10.10.2012 – 9 A 20.11, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 229 Rn. 28; und vom 15.12 2011 – 7 A 11.10, Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 59 Rn. 30[↩]
- siehe insbes. BVerwG, Urteile vom 28.10.1998 – 11 A 3.98, BVerwGE 107, 350, 355 ff. = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 23 S. 65; und vom 17.11.1999 – 11 A 4.98, BVerwGE 110, 81, 86 ff. = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 31 S. 54 f.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 09.07.2008 – 9 A 5.07, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 66 Rn. 18[↩]
- Korrektursummand S von minus 5 dB(A) zur Berücksichtigung der geringeren Störwirkung des Schienenverkehrslärms in der Anlage 2 zu § 3; siehe dazu zuletzt Urteil vom 21.12 2010 – 7 A 14.09, Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 81 Rn. 51 ff.[↩]
- siehe auch BVerwG, Urteil vom 15.12 2011 – 7 A 11.10, Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 59 Rn. 31[↩]
- BVerwG, Urteil vom 03.03.1999 – 11 A 9.97, Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 26 S. 27[↩]
- vgl. Krappel, DVBl 2012, 674, 676 sowie zu § 41 BImSchG insbes. Jarass, BImSchG, 10. Aufl.2013, § 41 Rn. 59 und Reese, in: BeckOK BImSchG, § 41 Rn. 34.1[↩]
- siehe dazu Krappel, a.a.O. S. 677 f.[↩]
- ABl EG Nr. L 75, S. 29[↩]
- ABl EU Nr. L 343, S. 32[↩]
- BVerwG, Urteil vom 29.09.2011 – 6 C 17.10, BVerwGE 140, 359 Rn. 22 f. = Buchholz 442.09 § 14e AEG Nr. 1[↩]
- BGBl I S. 172, ber. S. 1253[↩]
- vgl. Bracher, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Umweltrecht Besonderer Teil, 24. BImSchV, § 3 Rn. 3[↩]