Enteignung bei Linienbestimmung

Bereits die Bekanntgabe der Linienführung einer Bundesfernstraße nach § 16 Abs. 1 FStrG kann als „Vorwirkung“ der Enteignung eines für den Bau dieser Straße benötigten Grundstücks anzusehen sein1.

Enteignung bei Linienbestimmung

Diese Rechtsprechung bestätigte der Bundesgerichtshof jetzt in einem aktuellen Verfahren, in dem streitig war, ob bei dem für die Entschädigung maßgeblichen Qualitätsstichtag auf den Zeitpunkt der Bekanntmachung der Linienbestimmung (26. Juli 1995) oder aber frühestens auf den Eintritt der Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses (April 1997) abgestellt werden muss. Das erstinstanzlich mit dem Rechtsstreit befasste Landgericht Lübeck wie auch das Oberlandesgericht Schleswig als Berufungsgericht hatten auf den Zeitpunkt der Bekanntmachung der Linienbestimmung abgestellt, was der Bundesgerichtshof jetzt gebilligt hat.

Der BGH hält damit an den Grundsätzen seiner „Vorwirkungs-Rechtsprechung“ fest. Danach können auch vorbereitende unverbindliche Planungen, die noch keinen Eingriff in das Eigentum bilden, Vorwirkungen einer späteren Enteignung auslösen, indem sie Grundstücke von der konjunkturellen Weiterentwicklung ausschließen. Voraussetzung hierfür ist, dass die (unverbindliche) Planung ursächlich für die spätere Enteignung war, eine hinreichende Bestimmtheit hatte und die spätere verbindliche Planung, die dann zur Enteignung führte, mit Sicherheit erwarten ließ2. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall gegeben sind, ist dabei weitgehend eine Frage tatrichterlicher Würdigung3.

Der BGH hat es insbesondere für rechtsbedenkenfrei erachtet, dass für die Qualitätsbestimmung von für Zwecke des Straßenbaus benötigter Grundstücke der Erlass eines Flächennutzungsplans für maßgeblich erachtet wurde, in dem der Trassenverlauf dargestellt worden war4. Hinzugekommen war, dass für das betreffende Gebiet praktisch keine Planungsalternativen mehr bestanden hatten5 bzw. dass die verbindliche Planung der endgültigen Lage der Straßentrasse zügig und folgerichtig aus dem Flächennutzungsplan entwickelt worden war6. In letzterem Fall war nach Auffassung des BGH das Merkmal der „hinreichenden Bestimmtheit“ der Planung nicht schon deshalb zu verneinen, weil der endgültige Verlauf der Straße teilweise (um bis zu 100 m) gegenüber der Darstellung im Flächennutzungsplan verschwenkt worden war.

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Die Bestimmung der Linienführung der Bundesfernstraßen nach § 16 Abs. 1 FStrG (bzw. – wie hier – § 2 des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes) hat den Charakter einer vorbereitenden Grundentscheidung mit verwaltungsinterner Bedeutung7. Das Verhältnis zwischen Linienführung und Planfeststellung bzw. Plangenehmigung lässt sich mit dem zwischen Flächennutzungsplan und Bebauungsplan vergleichen8.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. Mai 2009 – III ZR 285/08

  1. im Anschluss an BGH, Urteil vom 26. Januar 1978 – III ZR 184/75 – DVBl. 1978, 378 und BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 – III ZR 195/90 – BayVBl. 1993, 445[]
  2. vgl. BGHZ 63, 240, 242; 64, 382, 384; 98, 341, 342 f; BGH, Urteil vom 26. Januar 1978 – III ZR 184/75 – DVBl. 1978, 378, 379[]
  3. vgl. BGHZ 63, 240, 242; 98, 341, 343; BGH, Urteil vom 26. Januar 1978 aaO; BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 – III ZR 195/90 – BayVBl. 1993, 445[]
  4. BGH, Urteil vom 26. Januar 1978 aaO; BGH, Beschluss vom 27. Februar aaO[]
  5. BGH, Urteil vom 26. Januar 1978 a.a.O.[]
  6. BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 a.a.O.[]
  7. BVerwG NVwZ 1996, 1011, 1014; Ronellenfitsch, in Marschall/Schroeter/Kastner, Bundesfernstraßengesetz, 5. Aufl., § 16 Rn. 6; Schmidt, in Müller/Schulz, Bundesfernstraßengesetz, § 16 Rn. 2[]
  8. Ronellenfitsch a.a.O.; vgl. auch Schmidt a.a.O. Rn. 9[]
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