Ein Soldat kann während der ersten 4 Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er bei einer dienstinternen Sportveranstaltung ein Trikot mit dem Staffelwappen seines Regiments, auf dem das Wort „Arisch“ und das Kürzel „18“ (für AH – Adolf Hitler) aufgebracht sind, weil sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis als Zeitsoldat das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde.

Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht Hannover entschieden, dass der Kläger durch sein Verhalten gegen Dienstpflichten verstoßen hat. Ein Soldat, der im Dienst Bekleidungsstücke trägt, auf denen u.a. Propagandaparolen von Goebbels und Anspielungen auf Adolf Hitler aufgedruckt sind, verletzt seine politische Treuepflicht i. S. d. § 8 SG. Außerdem liegt in dem Verhalten ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 SG i. V. m. der ZDv 10/5 Nr. 311, in der es den Soldaten u.a. untersagt wird, in den Bereich der militärischen Dienststelle Abzeichen oder ähnliche Gegenstände einzubringen, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten oder Kennzeichen oder Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen darstellen oder enthalten. Das Verhalten des Klägers wird auch nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht, die sein Dienst als Soldat erfordert, so dass auch ein Verstoß gegen § 17 Abs. 2 SG vorliegt. Die Pflichtverletzungen hat der Kläger auch vorsätzlich und damit schuldhaft begangen. Ob in dem Verhalten des Klägers darüber hinaus auch ein Verstoß gegen die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) vorliegt, kann dahingestellt bleiben.
Auch die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen liegen vor. Ein Verbleiben des Klägers in seinem Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit würde zwar nicht die militärische Ordnung der Bundeswehr, wohl aber das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden.
Bei der Anwendung des § 55 Abs. 5 SG kommt es weder auf die strafrechtliche Bewertung der Dienstpflichtverletzung noch auf deren Schwere an, sondern darauf, ob die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ohne die fristlose Entlassung ernstlich gefährdet wäre. Diese Norm dient allein dem Schutz der Bundeswehr und soll künftigen Schaden für sie verhindern. Zweck ist demgemäß nicht die disziplinare Sanktion, sondern Abwendung einer drohenden ernstlichen Gefahr für die Bundeswehr, wobei die Gefahr sich allerdings als Auswirkung der Dienstpflichtverletzung darstellen muss. Mit dem Erfordernis, dass die Gefährdung „ernstlich“ sein muss, hat das Gesetz selbst die Frage nach der Angemessenheit des Eingriffs im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck beantwortet, so dass der Begriff der ernstlichen Gefährdung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit konkretisiert, dem das Gesetz darüber hinaus durch die Begrenzung der Entlassung auf die ersten vier Dienstjahre Rechnung trägt; für zusätzliche Erwägungen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist danach kein Raum1.
Ausgehend von diesen Grundsätzen teilt das Gericht die Einschätzung der Beklagten nicht, dass das Verbleiben des Klägers in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung der Bundeswehr ernstlich gefährden würde.
Bei Bestimmung des Begriffs der militärischen Ordnung im Sinne des § 55 Abs. 5 SG, die bei Verbleiben des Klägers in seinem Dienstverhältnis gefährdet worden wäre, ist von dem Zweck der Bundeswehr auszugehen, der Verteidigung zu dienen. Unter militärischer Ordnung ist der Begriff der Elemente zu verstehen, die die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr nach den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen erhalten. Im Gegensatz zu der zweiten Alternative, die das Ansehen der Bundeswehr schützen soll, handelt es sich hier um den betriebsbezogenen Schutz, der erforderlich ist, um dem Zweck der Bundeswehr geordnet gerecht werden zu können. Eine ernstliche Gefährdung der so verstandenen militärischen Ordnung durch das Verbleiben eines Soldaten, der seine Dienstpflichten verletzt hat, im Dienst, liegt vor bei Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich, die unmittelbar die Einsatzbereitschaft gefährden. Bei Dienstpflichtverletzungen außerhalb dieses Bereichs kann regelmäßig auf eine ernstliche Gefährdung geschlossen werden, wenn es sich entweder um Straftaten von erheblichem Gewicht handelt, wenn die begründete Befürchtung besteht, der Soldat werde weitere Dienstpflichtverletzungen begehen (Wiederholungsgefahr) oder es sich bei dem Fehlverhalten um eine Disziplinlosigkeit handelt, die in der Truppe als allgemeine Erscheinung auftritt oder um sich zu greifen droht (Nachahmungsgefahr). Jedenfalls die beiden letztgenannten Fallgruppen erfordern eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Dienstpflichtverletzung, um die Auswirkungen für die Einsatzbereitschaft oder das Ansehen der Bundeswehr beurteilen zu können2.
Eine Dienstpflichtverletzung im militärischen Kernbereich, die unmittelbar die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr beeinträchtigt, liegt nicht vor, wenn ein Soldat beim Dienstsport Bekleidungsstücke trägt, wie sie der Kläger bei dem Volleyballturnier mit sich geführt hat. Die Einschätzung der Beklagten, das Verhalten des Klägers gefährde unmittelbar die Einsatzbereitschaft der Armee, kann das Gericht nicht nachvollziehen.
Eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung außerhalb jenes Kernbereichs durch das Verbleiben des Klägers im Dienst liegt nicht vor, weil es an der insoweit erforderlichen Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr fehlt. Eine Wiederholungsgefahr wird weder in der Entlassungsverfügung noch in dem Beschwerdebescheid hinreichend belegt. Im Hinblick darauf, dass der Kläger in seiner 3 1/2‑jährigen Dienstzeit offensichtlich weder disziplinarrechtlich noch strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und angesichts der Tatsache, dass der Kläger sich von seinem Fehlverhalten distanziert hat und „Reue“ bekundet, ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger noch einmal in der hier in Rede stehenden Weise auffällig werden könnte.
Eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung ist auch nicht im Hinblick auf eine Nachahmungsgefahr anzunehmen, weil es sich bei der Dienstpflichtverletzung des Klägers um ein typisches Teilstück einer als allgemeine Erscheinung auftretenden Neigung zur Disziplinlosigkeit bzw. zur Verwendung rechtextremistischer Symbole handelt, sodass ohne die fristlose Entlassung ein Anlass zu ähnlichem Verhalten für andere Soldaten gegeben wäre. Bei der nachträglichen Prognose, in deren Rahmen die Gesamtpersönlichkeit des betroffenen Soldaten zu berücksichtigen ist, müssen konkrete Feststellungen getroffen werden, die diese Annahme rechtfertigen3. Feststellungen, die diese Annahme im konkreten Fall belegen, hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden nicht getroffen. Ob sich Hinweise hierfür aus dem Jahresbericht 2009 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages4 ergeben, den der Prozessbevollmächtigte des Klägers selbst in den Prozess eingeführt hat und in dem dargelegt wird, dass regelmäßig eine nicht unerhebliche Zahl von besonderen Vorkommnissen mit Verdacht auf rechtsextremistischen oder fremdenfeindlichen Hintergrund in der Bundeswehr gemeldet wird (im Jahr 2009 waren dies 122 Fälle), kann dahingestellt werden. Jedenfalls sind die gebotenen konkreten Feststellungen zu einer Nachahmungsgefahr im Hinblick auf den Bericht des Wehrbeauftragten nicht entbehrlich. Außerdem dürfte die Gefahr, dass sich andere Soldaten zu einem ähnlichen Verhalten wie der Kläger hinreißen lassen, nicht in erster Linie in dem Verhalten des Klägers selbst begründet sein, sondern in der Reaktion der Vorgesetzten des Klägers auf dieses Verhalten. Wenn es nämlich den Tatsachen entsprechen sollte, dass der Kläger, wie er behauptet, das Sporthemd mit dem Aufdruck „Arisch“ und „18“ seit 1 1/2 Jahren beim Dienstport getragen hat, ohne dass dies durch seine Vorgesetzten beanstandet worden ist, liegt eine Nachahmungsgefahr im vorliegenden Fall eher in dem Verhalten der Vorgesetzten des Klägers als in dem des Klägers selbst begründet, weil diese über einen längeren Zeitraum den Eindruck erweckt haben, die offene Zurschaustellung von rechtsradikalen Symbolen und Schriftzügen würden in der Truppe hingenommen und die Bundeswehr würde entsprechendes Verhalten in ihren Reihen dulden.
Der Tatbestand des § 55 Abs. 5 SG ist aber erfüllt, weil durch das Verbleiben des Klägers in seinem Dienstverhältnis das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet würde.
Eine ernstliche Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr ist anzunehmen, wenn das Verhalten des Soldaten mit den Erwartungen der Bevölkerung an die Integrität der Bundeswehr als eine Wehrpflichtarmee unvereinbar ist. Auch bei der Beurteilung der Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr (wie auch bei der der Gefährdung der militärischen Ordnung) handelt es sich um eine nachträgliche Prognose, in deren Rahmen die Gesamtpersönlichkeit des betroffenen Soldaten zu berücksichtigen ist5.
Eine derartige Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr ist hier anzunehmen, auch wenn sich der Kläger nicht in der Öffentlichkeit mit den in Rede stehenden Bekleidungsstücken gezeigt, sondern sich das inkriminierte Verhalten auf einem dienstinternen Volleyballturnier in der Sporthalle des Fliegerhorstes F. ereignet hat. Dem Gericht liegen – auch weil sich die Beklagte zu entsprechenden Feststellungen außerstande gesehen hat – auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass in der Sporthalle des Fliegerhorstes andere Personen, die nicht der Bundeswehr angehören, anwesend waren, etwa Zuschauer, Familienangehörige oder „Dienstleister“ wie etwa ein Catering-Service oder Reinigungskräfte. Gleichwohl würde ein Verbleiben des Klägers in seinem Dienstverhältnis zu einer ernstlichen Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr führen. Es ist nämlich nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern ernstlich zu befürchten, dass die Öffentlichkeit – etwa durch Gespräche von Soldaten mit Angehörigen oder Bekannten außerhalb der Bundeswehr – davon erfährt, dass bei dienstinternen Sportveranstaltungen Kleidungsstücke mit volksverhetzendem, rassistischem, rechtsradikalem Aussagegehalt getragen werden. Dies könnte das Bild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit beeinträchtigen, jedenfalls dann, wenn der Soldat, der sich so verhält, in der Armee verbliebe. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass das Ansehen der Institution Bundeswehr auch dann gefährdet sein kann, wenn sich Missstände hinter den Kasernentoren abspielen und zunächst einmal vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen bleiben, weil in einer offenen Gesellschaft ohne Weiteres davon ausgegangen werden muss, dass diese Missstände über kurz oder lang auch in der Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen werden und somit zu einem Ansehensverlust der Bundeswehr beitragen. Dass die Befürchtung, dass das von dem Kläger gezeigte Verhalten auch Personen außerhalb der Bundeswehr bekannt wird, durchaus realistisch ist, lässt sich zudem der Aussage des Klägers in seiner Vernehmung vom 02.12.2009 entnehmen. Dort schildert der Kläger, dass er den Aufdruck „18“ auf der Vorderseite des Trikots sowie den Aufdruck „Arisch“ auf seiner Rückseite in einer Druckerei in der Innenstadt von J. hat aufbringen lassen. Beim Abgeben des Trikots in der Druckerei sei er von einem Angestellten auf die Aufschrift „Arisch“ angesprochen worden. Die Nachfrage des Mitarbeiters der Druckerei dokumentiert zum einen, dass es der Öffentlichkeit nicht verborgen bleibt, wenn sich Soldaten Bekleidungsstücke mit rechtsradikalen Parolen zulegen; zum anderen ist die Nachfrage auch Ausdruck der Irritation, die Außenstehende über das hier in Rede stehende Verhalten eines Angehörigen der Bundeswehr empfinden.
Das Ansehen der Bundeswehr wäre bei einem Verbleiben des Klägers im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit auch ernstlich gefährdet. Eine ernstliche Gefährdung liegt hier insbesondere darin begründet, dass der Kläger ein Trikot mit dem Staffelwappen des 11. Objektschutzregiments der Luftwaffe, dem er angehörte, mit rechtradikalen Symbolen und Parolen hat beflocken lassen. Der Kläger hat hier Erkennungszeichen der militärischen Einheit, in der er seinen Dienst versah, mit dem Kürzel von Adolf Hitler und dem Begriff „arisch“ verknüpft, der von den Nationalsozialisten für Angehörige einer angeblichen indogermanischen Herrenrasse verwendet wurde, deren Mission es sei, alle angeblich nichtarischen Völker zu unterwerfen oder gar auszulöschen. Diese nicht erträgliche Verbindung von Symbolen einer Armee in einem demokratischen Rechtsstaat mit den Kennzeichen einer rassistischen Ideologie ist durchaus geeignet, das Ansehen der Bundeswehr ernstlich zu gefährden, würde der Soldat weiterhin Angehöriger der Bundeswehr sein dürfen. Aus Sicht der Kammer ist es dem Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit auch abträglich, wenn ein Soldat Bekleidungsstücke trägt, auf denen Propagandasprüche eines antisemitischen Hetzers wie Goebbels aufgedruckt sind. Dabei nimmt das Gericht an, dass der Kläger den angeblich schwarzen, ausweislich des Fotos in den Verwaltungsvorgängen aber grünen Pullover in den Umkleideräumen der Sporthalle aufbewahrt hat, um ihn sich in den Spielpausen oder nach Abschluss des Volleyballturniers überzuziehen.
Verwaltungsgericht Hannover, Urteil vom 6. September 2011 – 2 A 4292/10
- vgl. BVerwG, Beschl. vom 16.08.2010 – 2 B 33/10[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 16.08.2010 – 2 B 33/10[↩]
- OVG Lüneburg, Beschl. vom 30.05.2006 – 5 ME 67/06[↩]
- BT-Drucksache 17/900[↩]
- vgl.: BVerwG, Beschl. v. 16.08.2010 – 2 B 33/10; Beschl. v. 15.03.2002 – 2 B 98.99, NVwZ 2000, 1186; OVG Lüneburg, Beschl. v. 04.07.2005 – 5 ME 46/05; OVG Münster, Beschl. v. 01.03.2006 – 1 B 1843/05; OVG Lüneburg, Beschl. v. 30.05.2006 – 5 ME 67/06[↩]