Entschädigung für durch den Bereich "kommerzielle Koordinierung" ins Ausland verkaufte bewegliche Sachen

Die vermögensrechtliche Entschädigung für bewegliche Sachen, deren Restitution nach § 4 Abs. 1 VermG ausgeschlossen ist und für die keine Erlösauskehr nach § 10 VermG in Betracht kommt, richtet sich auch bei staatlicher Verwertung jedenfalls, wenn kein Erlösnachweis vorliegt, nach § 5a EntschG und nicht nach § 5 EntschG.

Entschädigung für durch den Bereich "kommerzielle Koordinierung" ins Ausland verkaufte bewegliche Sachen

§ 5a EntschG regelt die Bemessungsgrundlage der Entschädigung für bewegliche Sachen. Die Höchstsumme der Entschädigung wird in Absatz 4 auf 40 000 Deutsche Mark beschränkt. Die Regelung soll den Gesetzgebungsauftrag gemäß § 9 Abs. 3 VermG a. F. umsetzen. Sie ermöglicht die Entschädigung für den schädigungsbedingten Verlust beweglicher Sachen, die von der Natur der Sache her nicht mehr zurückgegeben werden können und für die eine Erlösauskehr nach § 10 VermG nicht in Betracht kommt1.

Die Neuregelung soll die zuvor bestehende Gesetzeslücke2 schließen und die Bemessung der Entschädigung für alle beweglichen Sachen erschöpfend regeln3. Sie ist auch auf bewegliche Sachen anzuwenden, bei denen davon auszugehen ist, dass sie durch den Bereich „kommerzielle Koordinierung“ ins Ausland verkauft wurden4.

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die wiedergutzumachende Schädigung in der vollständigen und endgültigen Verdrängung des bisherigen Eigentümers aus seinem Eigentum liegt. Geklärt ist weiter, dass die faktische Enteignung beweglicher Sachen bereits mit deren Zuführung zu den Finanzbehörden zur weiteren Verwendung eingetreten ist, selbst wenn Nachweise für eine anschließende wirtschaftliche Verwertung fehlen5. Gegenstand der Schädigung sind nämlich auch bei späterer Verwertung die beweglichen Sachen selbst, sodass – mangels Erlösauskehransprüchen gemäß § 10 VermG – nur eine nach § 5a EntschG zu bemessende Entschädigung verlangt werden kann.

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Die gegenteilige Auffassung, bei Verwertung der enteigneten Sachen richte die Entschädigungsbemessung sich nicht nach § 5a EntschG, sondern nach § 5 EntschG, findet im Gesetz keine Grundlage. Sie widerspricht dem Wortlaut und der Systematik beider Vorschriften. Diese differenzieren klar und eindeutig nach dem Schädigungsobjekt, beschränken den Anwendungsbereich des § 5 EntschG auf die Entziehung von Ansprüchen und bestimmen die Entschädigungsbemessung bei beweglichen Sachen nach deren umgestellten Wert im Zeitpunkt ihrer Entziehung. Der in den Gesetzesmaterialien dokumentierte Regelungszweck rechtfertigt keine andere Abgrenzung der Anwendungsbereiche. Mit § 5a EntschG wollte der Gesetzgeber die Entschädigungsbemessung für bewegliche Sachen regeln, für die kein Erlösauskehranspruch nach § 10 VermG bestand und die nicht bereits Gegenstand der Unternehmensrestitution oder -entschädigung waren. Die neue Vorschrift sollte die zuvor insoweit bestehende, in der Rechtsprechung6 benannte Gesetzeslücke vollständig schließen7. Dem widerspräche es, zuvor in diese Lücke fallende und nun vom Tatbestand des § 5a EntschG erfasste bewegliche Sachen aus dessen Anwendungsbereich herauszunehmen. Ebenso wenig lässt sich die Anwendung des § 5 EntschG auf diese Sachen erstrecken. Die Voraussetzungen einer Analogie liegen schon mangels verbliebener Lücke nicht vor.

Eine anderweitige Auslegung lässt sich schließlich nicht damit rechtfertigen, in den Fällen der Verwertung oder Veräußerung beweglicher Sachen seien der Übernahmewert oder der Veräußerungserlös als Forderung im Sinne des § 5 EntschG zu entschädigen oder einer solchen Forderung gleichzustellen. Das Verwertungsschicksal der Sachen ändert nichts daran, dass Gegenstand der Entziehung die Sachen selbst und nicht später dafür gebuchte Übernahmewerte oder Erlöse waren. Die unter Verweis auf die Gemeinsame Arbeitshilfe des Bundesministeriums der Finanzen, des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen und der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zum Entschädigungsgesetz und Ausgleichsleistungsgesetz (Stand: November 2011) aufgeworfene Frage, ob Abweichendes gelte, wenn Erlöse aus der Verwertung beweglicher Sachen, die an den Staatshaushalt abgeführt wurden, nachgewiesen worden seien, würde sich im angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen und damit das Bundesverwaltungsgericht bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts liegt kein solcher Nachweis vor. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Entschädigungsbemessung gemäß § 5a EntschG sind zu Recht nicht geltend gemacht. Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht berührt8. Die Vorschrift ist auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber auf dem Gebiet der Wiedergutmachung ein besonders weiter Gestaltungsspielraum zukommt, der durch § 5a EntschG willkürfrei ausgefüllt wird9.

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Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22. Juni 2023 – 8 B 47.22

  1. BT-Drs. 14/1932 S. 10 f.[]
  2. dazu vgl. BVerwG, Urteil vom 19.11.1998 – 7 C 40.97, BVerwGE 107, 380[]
  3. vgl. BT-Drs. 14/1932 S. 10, BVerwG, Urteil vom 17.07.2014 – 5 C 20.13, Buchholz 428.41 § 3 EntschG Nr. 13 Rn. 32[]
  4. vgl. BVerwG, Urteil vom 18.10.2000 – 8 C 23.99, BVerwGE 112, 106 <109 f.>[]
  5. BVerwG, Urteil vom 18.10.2000 – 8 C 23.99, BVerwGE 112, 106 <108>[]
  6. BVerwG, Urteil vom 19.11.1998 – 7 C 40.97, BVerwGE 107, 380 <384>[]
  7. vgl. BT-Drs. 14/1932 S. 10; BVerwG, Urteil vom 17.07.2014 – 5 C 20.13, Buchholz 428.41 § 3 EntschG Nr. 13 Rn. 32[]
  8. BVerfG, Urteil vom 22.11.2000 – 1 BvR 2307/94 u. a., BVerfGE 102, 254 <297> m. w. N.[]
  9. vgl. BVerwG, Urteil vom 17.07.2014 – 5 C 20.13, Buchholz 428.41 § 3 EntschG Nr. 13 Rn. 37[]

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