Bei langjähriger und hochdosierter Methadonsubstitution ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Osnabrück eine medizinisch-psychologische Begutachtung des Fahrerlaubnisinhabers auch dann erforderlich, wenn dessen behandelnder Arzt einen entsprechenden Therapieerfolg bestätigt und negative Auswirkungen der Substitution auf die Fahreignung verneint.

Gemäß § 46 Abs. 3 i.Vm. § 11 Abs. 8 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde auf die fehlende Eignung eines Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen, wenn dieser sich weigert, sich einer nach den maßgeblichen verkehrsrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Eignungsuntersuchung zu unterziehen und die Anordnung einer solchen Untersuchung ihrerseits rechtmäßig war1.
Nach §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ist, ohne dass der Behörde insoweit Ermessen eingeräumt ist, die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Ungeeignet in diesem Sinne ist gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere derjenige, bei dem Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen: da es sich auch bei Methadon um ein Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes handelt2, schließt dessen Einnahme die Kraftfahreignung des Antragstellers gemäß Nr. 9.1 der Anlage 4 ebenfalls grundsätzlich aus, weil es demjenigen, der als Drogenabhängiger mit Methadon substituiert wird, regelmäßig an der im Straßenverkehr erforderlichen hinreichend beständigen Anpassungs- und Leistungsfähigkeit fehlt3 und trotz der Methadon-Behandlung die Opiatabhängigkeit des Betroffenen zumindest auf psychischer Ebene weiter bestehen bleibt4; auf die Frage, ob der Betroffene unter dem Einfluss dieses Betäubungsmittels ggf. ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt hat, kommt es dabei nicht an5.
Besondere Umstände, die Anlass zu einer Abweichung von der in Ziff. 9.1 aufgestellten Regelvermutung geben könnten6, sind im Hinblick auf die Methadonsubstitution nach Ansicht des Verwaltungsgerichts im Regelfall nicht gegeben. Zwar ist in Fällen der Methadonsubstitution in seltenen Ausnahmefällen eine positive Eignungsbeurteilung möglich, wenn dies durch besondere Umstände des Einzelfalles gerechtfertigt ist. Dazu gehören u.a. eine mehr als einjährige Methadonsubstitution, eine psychosoziale stabile Integration, die – durch geeignete, regelmäßige und zufällige Kontrollen während der Therapie nachgewiesene – Freiheit von Beigebrauch anderer psychoaktiv wirkender Substanzen einschließlich Alkohol seit mindestens einem Jahr, der Nachweis für Eigenverantwortung und Therapie-Compliance sowie das Fehlen einer Störung der Gesamtpersönlichkeit, wobei gerade den Persönlichkeits- und Leistungs- sowie den verhaltens- und sozialpsychologischen Befunden erhebliche Bedeutung für die Begründung einer positiven Regelausnahme zukommt7. Dieser Fragenkomplex kann regelmäßig nur auf der Grundlage einer medizinisch-psychologischen Begutachtung beantwortet werden8, so dass gegen eine diesbezügliche Gutachtenanordnung keine durchgreifenden Bedenken bestehen.
Da sich in dem vom Verwaltungsgericht Osnabrück entschiedenen Fall der Antragsteller einer medizinisch-psychologischen Begutachtung bislang (während der gesamten Dauer seiner Methadonbehandlung) nicht unterzogen hat, kann eine Ausnahme von der o.g. Regelvermutung ungeachtet dessen, dass im Laufe des vorliegenden Verfahrens zumindest eine mehr als einjährige Methadonsubstitution sowie eine entsprechend lange Freiheit von Beigebrauch anderer psychoaktiver Substanzen als Methadon nachgewiesen worden ist, derzeit nicht bejaht werden. Die vorgelegten Stellungnahmen seines behandelnden Arztes ersetzen – wie dieser letztlich selbst einräumt – eine medizinisch-psychologische Begutachtung durch dafür zugelassene Gutachter nicht; daher muss im vorliegenden Verfahren unberücksichtigt bleiben, dass der Arzt des Antragstellers offenbar über eine verkehrsmedizinische Qualifikation sowie über hinreichende Erfahrungen im Bereich der Methadonsubstitution verfügt und in seinen Stellungnahmen negative Auswirkungen der Methadoneinnahme auf die Fahreignung des Antragstellers ausdrücklich verneint hat.
Verwaltungsgericht Osnabrück, Beschluss vom 17. Juni 2010 – 6 B 42/10
- vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 05.07.2001 – 3 C 13.01, NJW 2002, 78, m.w.N.[↩]
- vgl. Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG[↩]
- vgl. Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, 6. Aufl., Leitsätze zu Nr. 3.12.1, S. 44[↩]
- vgl. Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Kommentar zu den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, 2. Aufl., Kap. 3.12.1, S. 173[↩]
- vgl. BayVGH, Beschluss vom 22.03.2007 – 11 CS 06.3306; OVG Saarland, Beschluss vom 27.03.2006 – 1 W 12/06, NJW 2006, 2651; OVG Bremen, Beschluss vom 16.03.2005 – 1 S 58/05, NordÖR 2005, 263; Hentschel/ König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 2 StVG Rn. 17 k[↩]
- vgl. insoweit Nr. 3 der Vorbemerkung zu Anlage 4[↩]
- vgl. Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Leitsätze zu Nr. 3.12.1, S. 44[↩]
- vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 03.04.2000 – 12 M 1216/00; OVG Saarland, a.a.O.; OVG Hamburg, Beschluss vom 06.12.1996 – Bs VI 104/96[↩]