Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines auswärtigen Anwalts

Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts als Prozessbevollmächtigten stets erstattungsfähig. Nach herrschender Meinung steht diese grundsätzliche Erstattungsfähigkeit jedoch unter dem Vorbehalt, dass es sich um zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Auslagen handeln muss. Der daraus abzuleitende Grundsatz der Kostenminimierung ist bei der Anwaltswahl mit der Folge zu beachten, dass ohne nähere Prüfung Reisekosten eines Rechtsanwalts nur dann voll zu erstatten sind, wenn er seine Kanzlei am Sitz oder im Bezirk des angerufenen Gerichts oder am Wohnsitz bzw. Geschäftssitz seines Mandanten oder in dessen Nähe hat1. Erfüllt der beauftragte Anwalt nicht das Kriterium der Gerichts- oder Mandantennähe, muss der Nachweis geführt werden, dass es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen ist, gerade diesen Anwalt zu beauftragen. Das ist dann der Fall, wenn der Anwalt über Spezialkenntnisse verfügt und das Mandat Fragen aus dem Fachgebiet aufwirft, so dass ein verständiger Beteiligter die Hinzuziehung eines solchen Anwalts für ratsam erachten durfte; ferner wird es als unzumutbar angesehen, bloß zum Zwecke der Kostenersparnis einen Anwaltswechsel zu vollziehen, wenn zwischen dem Mandanten und dem auswärtigen Rechtsanwalt bereits ein Vertrauensverhältnis besteht2, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist.

Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines auswärtigen Anwalts

Nach diesen Maßstäben bejahte das Verwaltungsgericht Göttingen die Erstattung der vollen Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der beklagten Gemeinde:

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Zwar warf das Mandat nicht Fragen eines Fachgebiets auf, in dem der Prozessbevollmächtigte der Beklagten über besondere Spezialkenntnisse verfügt. Solche Kenntnisse macht der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu Unrecht unter Hinweis auf eine Tätigkeit als Kommentator des Standardkommentars zum Kommunalabgabenrecht geltend, denn der Streitfall entstammt dem anders gelagerten Rechtsgebiet der Grundsteuer. Es ist gerichtsbekannt, dass es im hiesigen Zuständigkeitsbereich eine ausreichende Anzahl auf diesem Rechtsgebiet kundiger Anwälte und Steuerberater gibt.

Die Beklagte hat jedoch nachgewiesen, dass zwischen ihr und ihrem Prozessbevollmächtigten ein besonderes Vertrauensverhältnis bestand, das es unzumutbar gemacht hätte, das Mandat zu wechseln. Dabei geht das Gericht davon aus, dass auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts, wie die Beklagte, ein Vertrauensverhältnis zu einer Anwaltskanzlei entwickeln kann; denn insoweit kommt es auf das Verhältnis der für die juristische Person handelnden Personen zu dem Anwalt an. Die Beklagte hat schriftlich dargelegt und bestätigt, dass ein besonderes Vertrauensverhältnis zu der von ihr beauftragten Anwaltskanzlei aufgrund der langjährigen vertrauensvollen Zusammenarbeit in den bisherigen verschiedenen Verwaltungsstreit- und Verwaltungsgerichtsverfahren bestand, weshalb die Kanzlei auch im Streitfall mit der Interessenwahrnehmung beauftragt worden sei. Dies genügt auch bei Anlegung eines strengen Maßstabs den dargelegten Kriterien für die Erstattungsfähigkeit der vollen Reisekosten des auswärtigen Anwalts. So hat auch das Bundesverwaltungsgericht in der mehrfach zitierten Entscheidung unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der lang dauernden Betreuung durch einen sog. “Hausanwalt“ einen gewichtigen Grund dafür gesehen, bei Klageerhebung auf die Wahl eines anderen Anwalts zu verzichten.

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Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 26. November 2010 – 2 A 23/10

  1. BVerwG, Beschluss vom 11.09.2007 -9 KSt 5/07 u.a., NJW 2007, 3656; Bay.VGH, Beschluss vom 24.02.2010 -11 C 10/81, jeweils m.w.N.; a.A. VG Aachen, Beschluss vom 08.06.2010 – 6 K 1309/06.A, das eine Einschränkung der Kostenerstattung allein im Fall des Rechtsmissbrauchs befürwortet.[]
  2. BVerwG u. Bay.VGH, a.a.O.[]