Anliegern kann ein Anspruch auf eine verkehrsrechtliche Regelung zustehen, wenn die verbleibende Durchfahrtsbreite der Straße auf 2, 30 m durch parkende Fahrzeuge (hier: den Wohnwagen des Nachbarn) verengt wird.

Als Rechtsgrundlage für das Begehren, eine Regelung mit Blick auf den abgestellten Wohnwagen zu treffen, kommt hier allein § 45 Abs. 1 i.V. mit Abs. 9 Satz 1 StVO in Betracht. Die Regelung des § 45 Abs. 1 StVO wird durch § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO modifiziert und konkretisiert1. Nach § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend geboten ist.
En Recht des Einzelnen auf fehlerfreie Ermessensentscheidung über ein verkehrsregelndes Einschreiten besteht, wenn eine Verletzung öffentlich-rechtlich geschützter Individualinteressen durch Einwirkung des Straßenverkehrs über das nach allgemeiner Anschauung zumutbare Maß gegeben ist. Ob eine solche Verletzung vorliegt, hängt von einer Gefahrenprognose ab. Für § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO, der sich auf Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs bezieht, hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass eine das allgemeine Risiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts vorliegen muss2. Erforderlich ist somit eine entsprechende konkrete Gefahr, die auf besonderen örtlichen Verhältnissen beruht. Dieser Maßstab gilt auch für Verkehrsregelungen, die nicht der Beschränkung des fließenden Verkehrs dienen. Dies folgt daraus, dass § 45 Abs. 9 Satz 2 eine Konkretisierung des Satzes 1 darstellt, wie aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ deutlich wird.
Eine konkrete, das allgemeine Risiko übersteigende Gefahr ist hier anzunehmen. Denn das Parken von Fahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern – wie etwa dem Wohnwagen der Beigeladenen – gegenüber dem Grundstück der Kläger führt dazu, dass die Fahrbahn derart, nämlich auf 2, 30 m, verengt wird, dass weite Teile des fließenden Kraftfahrzeugverkehres den Gehweg vor dem Haus der Kläger befahren müssen, um vorbei zu gelangen. Dies wurde in der Beweisaufnahme während der mündlichen Verhandlung festgestellt und ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Dadurch müssen die Kläger bei Betreten des Fußweges vor ihrem Grundstück jederzeit damit rechnen, dass dieser von Kraftfahrzeugen befahren wird. Dies gefährdet sowohl ihre Gesundheit als auch ihre körperliche Unversehrtheit. Das Befahren des Gehweges ist nach der derzeit bestehenden Rechtslage verkehrsrechtlich nicht zulässig. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 StVO müssen Fahrzeuge die Fahrbahnen benutzen, von zwei Fahrbahnen die rechte. Hier sind Fahrbahn und Gehweg baulich und gestalterisch eindeutig unterschieden. Dass der Gehweg mangels eines Hochbordes erleichtert befahren werden kann, ändert nichts daran, dass er gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 StVO grundsätzlich nicht befahren werden darf. Anderes würde nur gelten, wenn die gesamte Straßenfläche zu einer gemischten Verkehrsfläche erklärt werden würde – etwa durch Aufstellen des Verkehrszeichens 325.1 gemäß Anlage 3 StVO („Spielstraße“). Ob und unter welchen Umständen eine solche Regelung des Verkehrs hier möglich wäre und welche anderen Möglichkeiten der Herstellung rechtmäßiger Zustände bestehen, braucht nicht geklärt zu werden. Im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung war der K. jedenfalls als „Zone 30“ (Zeichen 274.1) ausgewiesen und verfügte sowohl über eine Fahrbahn als auch einen einseitigen Gehweg.
Keine Gefahr für Rechtsgüter der Kläger ist allerdings darin zu erblicken, dass sie ihre Grundstückszufahrt aufgrund des abgestellten Wohnwagens nicht mehr optimal anfahren können und die Gestaltung ihrer Einfahrt durch ein Versetzen des Tores nach hinten angepasst haben. § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO bestimmt zwar, dass das Parken unzulässig ist vor Grundstücksein- und ‑ausfahrten, auf schmalen Fahrbahnen auch ihnen gegenüber. Geschützt wird damit die Erreichbarkeit der Anliegergrundstücke. Eine Rechtsverletzung ist dann gegeben, wenn Anlieger durch parkende Fahrzeuge auf der gegenüberliegenden Straßenseite ihrer Grundstückseinfahrt daran gehindert oder in erheblichem Maße behindert werden, ihre Ein- und Ausfahrt zu nutzen3. Eine solche Behinderung ist nach der Beweisaufnahme vor Ort allerdings nicht gegeben. Zunächst ist der Wohnwagen nicht gegenüber der Grundstückszufahrt der Kläger abgestellt, sondern seitlich versetzt. Die Zufahrt zum bzw. Abfahrt vom Grundstück der Kläger ist also von der Seite, auf welcher der Wohnwagen nicht parkt, problemlos möglich. Von der anderen Seite mag sie sich ein wenig schwieriger gestalten. Unmöglich oder erheblich erschwert ist sie nicht.
Der Anspruch der Kläger auf ein verkehrsregelndes Einschreiten, welches die Gefahr beseitigt, die durch auf dem Gehweg fahrende Kraftfahrzeuge für die Anlieger, also auch die Kläger, besteht, ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO nur solche Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen zulässt, die zwingend geboten sind. Hier hat die Gemeinde durch ihre Auskunft gegenüber dem Falschparker und ihren Bescheid an den Nachbarn deutlich gemacht, dass sie ein Parken entlang des Seitenstreifens im K. für zulässig hält. Es ist daher zwingend notwendig, dass sie ihrer bisher vertretenen, rechtswidrigen Auffassung durch eine verkehrsrechtliche Regelung entgegentritt, welche die genannte Gefahr für die Rechtsgüter der Anlieger beseitigt. Wie die Gemeinde vorgehen möchte, steht dabei in ihrem Ermessen.
Verwaltungsgericht Stade, Urteil vom 4. Juni 2014 – 1 A 2664/12