Familiennachzug – zu einem minderjährigen subsidiär Schutzberechtigten

Vor dem Bundesverfassungsgericht blieb jetzt ein Antrag auf vorläufige Erteilung von Visa zum Familiennachzug zu einem minderjährigen subsidiär Schutzberechtigten, der in „Asylpaket II“ für zwei Jahre ausgesetzt wurde, ohne Erfolg.

Familiennachzug – zu einem minderjährigen subsidiär Schutzberechtigten

In dem entschiedenen Fall begehrten die Beschwerdeführer die vorläufige Erteilung von Visa zum Familiennachzug zu einem minderjährigen subsidiär Schutzberechtigten, hilfsweise die Erteilung von Visa aus humanitären Gründen. Sie wenden sich mittelbar gegen die Regelung des § 104 Abs. 13 AufenthG, mit der der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten für zwei Jahre ausgesetzt wurde. Die Regelung des § 104 Abs. 13 AufenthG wurde mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.03.20161 als Teil des sogenannten „Asylpakets II“ in das Aufenthaltsgesetz eingefügt. Sie lautet:

Bis zum 16.03.2018 wird ein Familiennachzug zu Personen, denen nach dem 17.03.2016 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative erteilt worden ist, nicht gewährt. Für Ausländer, denen nach dem 17.03.2016 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative erteilt wurde, beginnt die Frist des § 29 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 ab dem 16.03.2018 zu laufen. Die §§ 22, 23 bleiben unberührt.

Mit dieser Regelung wurde der Familiennachzug zu Personen, denen subsidiärer Schutz im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG zuerkannt worden ist, vorübergehend ausgesetzt. Die Regelung des Familiennachzugs zu anerkannten Flüchtlingen blieb unverändert.

Die Beschwerdeführer sind syrische Staatsangehörige. Der Flüchtling, der am 13.10.2017 sein 18. Lebensjahr vollenden wird, reiste im September 2015 als unbegleiteter Minderjähriger in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 01.08.2016 wurde ihm subsidiärer Schutz zuerkannt. Über seine Klage auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist noch nicht entschieden worden. Bei den übrigen Beschwerdeführern handelt es sich um die in Damaskus verbliebenen Eltern und Geschwister des Flüchtlings Nachdem diese für ihre Visumsanträge nicht zeitnah eine positive Bescheidung erwirken konnten, beantragten die Beschwerdeführer vorläufigen Rechtsschutz.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Verwaltungsgericht Berlin lehnte den Antrag ab2; die Beschwerde gegen die Entscheidung blieb vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erfolglos3. Das Oberverwaltungsgericht verwies darauf, dass der Anspruch auf Familiennachzug kraft Gesetzes ausgeschlossen sei. Die Voraussetzungen für eine Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Hinblick auf eine etwaige Verfassungswidrigkeit der Regelung lägen nicht vor. Durch eine Einreise der Familienangehörigen würden vollendete Tatsachen geschaffen; das Interesse der Beschwerdeführer, vor Eintritt der Volljährigkeit des Flüchtlings einen Familiennachzug zu erreichen, trete demgegenüber zurück. Die Bedenken der Beschwerdeführer gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 104 Abs. 13 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG sowie die Bestimmungen der EU-Familienzusammenführungsrichtlinie und der UN-Kinderrechtskonvention würden nicht geteilt. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums aus humanitären Gründen gemäß § 22 Satz 1 AufenthG seien nicht glaubhaft gemacht.

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Die Beschwerdeführer haben Verfassungsbeschwerde erhoben und beantragt, ihnen im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufige Visa zur Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zu erteilen. Ferner begehren sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Sie machen geltend, der Ausschluss des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG zum einen im Vergleich zu Personen, für die ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt worden sei, zum anderen im Vergleich zu anerkannten Flüchtlingen. Insbesondere verletze die Regelung Art. 6 Abs. 1 GG. Der Zweck der Zuwanderungsbegrenzung stehe außer Verhältnis zu dem bewirkten Grundrechtseingriff. Der Familiennachzug sei das einzige Mittel, die Familieneinheit wiederherzustellen, weil die familiäre Lebensgemeinschaft im Herkunftsland nicht mehr gelebt werden könne. Die Dauer der tatsächlichen Trennung der Familien sei unangemessen lang. Die Aussetzungsregelung treffe diejenigen Minderjährigen besonders hart, die vor dem 16.03.2018 volljährig würden, weil für sie der Familiennachzug dauerhaft ausgeschlossen sei. Auch nach Art. 8 EMRK, Art. 7 EU-Grundrechtecharta und den Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention müsse das Kindeswohl sowohl für die Behörden als auch für den Gesetzgeber Leitlinie und maßgeblicher Gesichtspunkt sein. Dies sei derzeit nicht gewährleistet, weil für Minderjährige keine Ausnahmen vorgesehen und den Behörden kein Ermessen eingeräumt sei. Die derzeitige Handhabung des § 22 AufenthG ermögliche nicht, Härtefällen hinreichend Rechnung zu tragen. Der Ausschluss des Familiennachzugs sei auch – wie im Einzelnen näher begründet wird – konkret im Falle der Beschwerdeführer unverhältnismäßig. Die Entscheidungen der Fachgerichte verletzten die Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, weil der Flüchtling psychisch beeinträchtigt und dringend behandlungsbedürftig sei. Ferner liege ein Verstoß gegen Art.19 Abs. 4 GG vor. Die Fachgerichte hätten ihre Vorlagepflichten zum Bundesverfassungsgericht und zum EuGH verkannt und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Unrecht abgelehnt.

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Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht begründet.

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG gegeben sind, ist wegen der weittragenden Folgen einer einstweiligen Anordnung regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen4.

Bei der Entscheidung über die einstweilige Anordnung haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahmen vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die in der Hauptsache begehrte Feststellung oder der in der Hauptsache gestellte Antrag erwiesen sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet5. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen abwägen, die eintreten würden, einerseits wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber in der Hauptsache Erfolg hätte, und andererseits wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre6.

Die Verfassungsbeschwerde stellt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt, soweit die Beschwerdeführer die Erteilung von Visa zum Familiennachzug begehren, weder als unzulässig noch als offensichtlich unbegründet dar. Soweit die geltend gemachten Ansprüche auf § 22 AufenthG gestützt sind, ist sie hingegen unzulässig.

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht der Grundsatz der Subsidiarität entsprechend § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG entgegen. Die Beschwerdeführer können nicht auf das Verfahren in der Hauptsache verwiesen werden, weil sie gerade die Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes rügen und das Hauptsacheverfahren insoweit keine Abhilfemöglichkeit bietet. Zudem steht, bezogen auf den geltend gemachten Anspruch auf Familiennachzug, eine Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache kurz bevor, da der Flüchtling am 13.10.2017 sein 18. Lebensjahr vollendet und nach diesem Zeitpunkt Visa zum Familiennachzug auf der Grundlage des § 36 Abs. 1 AufenthG nicht mehr erteilt werden können7.

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Soweit es um die Erteilung von Visa zum Familiennachzug gemäß § 36 AufenthG geht, ist die Verfassungsbeschwerde nicht offensichtlich unbegründet. In der Hauptsache wäre voraussichtlich zu klären, ob die Regelung des § 104 Abs. 13 AufenthG, nach der ein Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten bis zum 16.03.2018 nicht gewährt wird, mit Art. 6 Abs. 1 GG in Einklang steht8. In diesem Rahmen kann auch von Bedeutung sein, inwieweit Härtefällen durch die Erteilung von humanitären Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 22 Satz 1 AufenthG Rechnung zu tragen ist, insbesondere auch dann, wenn die besondere Härte durch Umstände in der Person des subsidiär Schutzberechtigten begründet wird.

Soweit es um die Erteilung von humanitären Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 22 Satz 1 AufenthG im vorliegenden Einzelfall geht, ist die Verfassungsbeschwerde allerdings mangels ausreichender Begründung unzulässig (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG) beziehungsweise offensichtlich unbegründet. Ein Härtefall ist nicht dargelegt. Das Oberverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung die vorgetragenen Einzelfallgesichtspunkte gewürdigt; hierzu haben die Beschwerdeführer nicht Stellung genommen. Zu den Umständen der Ausreise des Flüchtlings aus Syrien und der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland haben sie nicht vorgetragen; sie sind unter anderem nicht auf die Frage eingegangen, ob der Flüchtling von vornherein zusammen mit seinem Onkel und dessen Familie nach Deutschland gekommen ist. Der Vortrag, der Flüchtling sei von den deutschen Behörden nicht in Obhut genommen worden, sondern lebe in einem Wohnheim beziehungsweise einer Wohnung für Erwachsene, wo keinerlei jugendschützende Betreuung möglich sei, ist unplausibel, da der Flüchtling nach den angegebenen Wohnanschriften offenbar mit dem Onkel und seiner Familie in einem Haus wohnt. Zu den konkreten Lebensumständen, insbesondere dem gelebten Kontakt zur Familie des Onkels und den Beziehungen zu den einzelnen Familienmitgliedern, fehlt allerdings eine Darstellung. Die vorgelegte psychologische Stellungnahme vom 10.12 2016 ist nicht hinreichend aktuell. Zu der Frage, inwieweit sich die in dieser Stellungnahme geäußerten Befürchtungen (Verstärkung einer depressiven Symptomatik; Gewichtsverlust) bewahrheitet haben, fehlt jeglicher Vortrag, obwohl Angaben hierzu für das behauptete Vorliegen eines Härtefalles erforderlich gewesen wären. Auch zur weiteren Entwicklung des Gesundheitszustandes des Onkels und Vormunds des Flüchtlings seit dessen Entlassung aus der stationären Behandlung am 2.06.2017 ist nicht weiter vorgetragen worden. Auf dieser Grundlage ist die fachgerichtliche Bewertung, dringende humanitäre Gründe lägen nicht vor, nicht zu beanstanden. Die Situation der Beschwerdeführer unterscheidet sich nicht maßgeblich von der Situation anderer Familien, die durch die Ausreise eines (noch) minderjährigen Kindes und dessen Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland getrennt sind.

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Auf Grund der vorzunehmenden Folgenabwägung ist die einstweilige Anordnung nicht zu erlassen.

Wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, das Begehren des Familiennachzugs aber in der Hauptsache Erfolg hätte, würde der Anspruch auf Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft in der Bundesrepublik Deutschland für den Zeitraum bis zum 13.10.2017 endgültig vereitelt. Dies könnte nicht mehr rückgängig gemacht oder ausgeglichen werden.

Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, durch die unmittelbar bevorstehende Volljährigkeit des Flüchtlings werde der Familiennachzug auf Dauer vereitelt, liegt dem die unzutreffende Vorstellung zu Grunde, dass durch den Familiennachzug die familiäre Lebensgemeinschaft auf Dauer in Deutschland hergestellt werden könnte. Dabei berücksichtigen die Beschwerdeführer nicht, dass dem Nachzug von Eltern zu ihrem minderjährigen Kind nach der gesetzlichen Ausgestaltung in den Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes gemäß ihrem – von den Beschwerdeführern nicht angegriffenen – Verständnis durch die Fachgerichte von vornherein die Begrenzung auf den Zeitraum bis zur Volljährigkeit des Kindes immanent ist. Danach wandelt sich auch eine den Eltern rechtzeitig erteilte Aufenthaltserlaubnis nicht in ein eigenständiges Aufenthaltsrecht um. Der Rechtsgrund für den Aufenthalt der Eltern endet mit Ablauf der Befristung einer nach § 36 Abs. 1 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis; eine Verlängerung auf dieser Grundlage ist nicht möglich. Ein eigenständiges Aufenthaltsrecht im Hinblick auf eine eingetretene Aufenthaltsverfestigung, wie es für Ehegatten in § 31 AufenthG geregelt ist, sieht das Gesetz nicht vor7. Soweit die Argumentation der Beschwerdeführer darauf abzielt, dass ihnen nach einer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland eine Rückkehr nach Syrien nicht mehr zugemutet werden kann, liegt der unter diesem Gesichtspunkt erstrebte längerfristige Aufenthalt außerhalb des Schutzzwecks der Vorschriften über den Familiennachzug und kann deshalb zur Begründung eines Aufenthaltstitels unter diesem Aspekt nicht berücksichtigt werden. Allgemein sieht das Gesetz die Erteilung von Visa zum Zweck der Anbringung eines Schutzersuchens nicht vor9.

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Das Gewicht des Nachteils, dass die familiäre Lebensgemeinschaft für den Anspruchszeitraum endgültig vereitelt wird, ist im konkreten Fall dadurch reduziert, dass dieser Zeitraum am 13.10.2017 endet und auch von vornherein kurz bemessen war. Die Visaanträge wurden am 13.02.2017 gestellt; Vorsprachetermine an der Deutschen Botschaft in Beirut waren den Beschwerdeführern zu 2. bis 6. für den 16.02.und den 19.06.2017 eingeräumt. Bei Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung im fachgerichtlichen Verfahren stand bis zur Volljährigkeit des Flüchtlings noch ein Zeitraum von etwa drei Monaten in Rede. Ferner ist zu berücksichtigen, dass fast Volljährige im Allgemeinen weniger auf ihre Eltern angewiesen sind als jüngere Minderjährige. Der Zeitraum unmittelbar vor der Volljährigkeit ist deshalb generell nicht geeignet, eine besondere Schutzbedürftigkeit zu begründen. Zur besonderen Schutzbedürftigkeit aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles ist nicht hinreichend vorgetragen worden.

Erginge hingegen die einstweilige Anordnung, obwohl das Begehren des Familiennachzugs in der Hauptsache unbegründet wäre, so würde den Beschwerdeführern zu 2. bis 6. die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland erlaubt, was ebenfalls nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte. Würde zudem die einstweilige Anordnung, was hier allein in Betracht kommt, mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 104 Abs. 13 AufenthG begründet, so müsste dies für alle anderen Fälle des Familiennachzugs zu minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen mit subsidiärem Schutzstatus ebenso gelten, was im Ergebnis der Aussetzung des Vollzugs der gesetzlichen Regelung gleichkäme.

Gilt aber für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG bereits ohnehin ein strenger Maßstab, so erhöht sich diese Hürde noch, wenn der Vollzug eines Gesetzes ausgesetzt werden soll10. Das Bundesverfassungsgericht darf von seiner Befugnis, den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen, nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch machen, weil dies einen erheblichen Eingriff in die originäre Zuständigkeit des Gesetzgebers darstellt11. Müssen die für eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe schon im Regelfall so schwer wiegen, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machen, so müssen sie im Fall der begehrten Außervollzugsetzung eines Gesetzes darüber hinaus besonderes Gewicht haben12. Auch wenn die jeweiligen Nachteile der abzuwägenden Folgenkonstellationen einander in etwa gleichgewichtig gegenüberstehen, verbietet es die mit Blick auf die Gewaltenteilung (Art.20 Abs. 2 Satz 2 GG) notwendige Zurückhaltung des Bundesverfassungsgerichts, das angegriffene Gesetz auszusetzen, bevor geklärt ist, ob es vor der Verfassung Bestand hat13.

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Eine Suspendierung der gesetzlichen Regelung des § 104 Abs. 13 AufenthG würde den verbleibenden Zeitraum bis zum 16.03.2018 betreffen, für den sie Geltung beansprucht, da eine frühere Entscheidung in der Hauptsache nicht zu erwarten ist. Das Ziel des Gesetzgebers, „im Interesse der Integrationssysteme in Staat und Gesellschaft“14 Einreisen der Familienangehörigen von subsidiär Schutzberechtigten in diesem Zeitraum gerade nicht zu ermöglichen, würde dadurch insoweit vollständig vereitelt.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11. Oktober 2017 – 2 BvR 1758/17

  1. BGBl I S. 390[]
  2. VG Berlin, Beschluss vom 07.07.2017 – VG 21 L 530.17 V[]
  3. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.09.2017 – OVG 3 M 93.17[]
  4. vgl. BVerfGE 55, 1, 3; 82, 310, 312; 94, 166, 216 f.; 104, 23, 27; 106, 51, 58; 132, 195, 232 Rn. 86[]
  5. vgl. BVerfGE 89, 38, 44; 103, 41, 42; 118, 111, 122; stRspr[]
  6. vgl. BVerfGE 105, 365, 371; 106, 351, 355; 108, 238, 246; 125, 385, 393; 126, 158, 168; 129, 284, 298; 132, 195, 232 f. Rn. 87; stRspr[]
  7. vgl. BVerwGE 146, 189, 194 ff.[][]
  8. vgl. einerseits Thym, NVwZ 2016, S. 409, 414; andererseits Heuser, Asylmagazin 2017, S. 125, 127 ff.[]
  9. vgl. für das Unionsrecht kürzlich EuGH, Urteil vom 07.03.2017 – C-638/16 PPU – X und X, NJW 2017, S. 1293[]
  10. vgl. BVerfGE 3, 41, 44; 6, 1, 4; 7, 367, 371; 64, 67, 69; 81, 53, 54; 117, 126, 135[]
  11. vgl. BVerfGE 104, 23, 27; 104, 51, 55; 112, 216, 220; 112, 284, 292; 122, 342, 361; 131, 47, 61; 140, 99, 106 f.; 140, 211, 219; stRspr[]
  12. vgl. BVerfGE 82, 310, 313; 104, 23, 27 f.; 117, 126, 135; 122, 342, 361 f.; 140, 99, 107; 140, 211, 219; stRspr[]
  13. vgl. BVerfGE 104, 51, 60; 106, 369, 376; 108, 45, 51; 140, 99, 107[]
  14. vgl. BT-Drs. 18/7538 S. 1[]