Die Abwägungsentscheidung des zuständigen Organs des Planungsträgers bei der Flächenauswahl muss im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle durch die Begründung bzw. Erläuterung der Planung und die Aufstellungsunterlagen bzw. Verfahrensakten hinreichend dokumentiert und nachvollziehbar sein.

Eine ungeprüfte Übernahme der auf der Ebene der Flächennutzungs- oder Bebauungspläne in den Kommunen zum Ausdruck gekommenen Planvorstellungen in das Regionale Raumordnungsprogramm stellt einen Abwägungsfehler dar.
Nicht anders als ein Bauleitplan ist auch ein Raumordnungsprogramm fehlerhaft, wenn die gebotene Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat, in die Abwägung nicht an Belangen eingestellt wurde, was nach Lage der Dinge hätte eingestellt werden müssen oder wenn der Ausgleich zwischen den Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht1. Fehlerhafte Erwägungen oder Mängel bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials führen dabei gemäß § 10 Abs. 2 NROG a. F. (vglb.: § 10 Abs. 2 n. F.) nur dann zur Aufhebung der planerischen Entscheidung, wenn sie offensichtlich oder auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Letzteres ist der Fall, wenn bei verständiger Würdigung der tatsächlichen Umstände eine konkrete Möglichkeit dafür erkennbar ist, dass die angegriffene Entscheidung ohne den Fehler anders ausgefallen wäre. Gemessen an diesen Maßstäben genügt das RROP 2006 hinsichtlich der Ausweisung von Vorranggebieten nicht den Anforderungen an das planungsrechtliche Abwägungsgebot, wie sie für die Ausweisung von Konzentrationszonen im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zu fordern sind.
Nach den in ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts2 und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts3 angewandten Grundsätzen bei der Auslegung und Anwendung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stellt diese Vorschrift die Errichtung von Windenergieanlagen im gemeindlichen Außenbereich unter einen Planungsvorbehalt, der sich an die Gemeinden als Träger der Flächennutzungsplanung und – für raumbedeutsame Anlagen – an die Träger der Raumordnungsplanung, insbesondere der Regionalplanung, richtet. Dieser Planungsvorbehalt setzt gebietsbezogene Festlegungen des Plangebers über die Konzentration von Windenergieanlagen an bestimmten Standorten voraus, durch die zugleich ein Ausschluss der Anlagen an anderer Stelle im Plangebiet angestrebt und festgeschrieben wird. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verleiht derartigen Festlegungen rechtliche Ausschlusswirkung gegenüber dem jeweiligen Bauantragsteller mit der Folge, dass Vorhaben außerhalb der Konzentrationszonen in der Regel unzulässig sind. Dabei bedingen die negative und die positive Komponente der festgelegten Konzentrationszonen einander. Denn der Ausschluss der Anlagen auf Teilen des Plangebiets lässt sich nach der Wertung des Gesetzgebers nur rechtfertigen, wenn der Plan sicherstellt, dass sich die betroffenen Vorhaben an anderer Stelle gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen. Dem Plan muss daher ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde liegen, das den allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots gerecht wird. Eine fehlerfreie Abwägung setzt insoweit voraus, dass eine Abwägung überhaupt stattfindet, in die Abwägung das an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge berücksichtigt werden muss, und die Belange gewichtet und gegeneinander in einer das Abwägungsergebnis tragenden Weise abgewogen werden4. Die Abwägung aller beachtlichen Belange muss sich auf die positiv festgelegten und die ausgeschlossenen Standorte erstrecken. Eine normative Gewichtungsvorgabe, derzufolge ein Planungsträger der Windenergienutzung im Sinne einer speziellen Förderungspflicht bestmöglich Rechnung zu tragen habe, ist der gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen. Eine gezielte (rein negative) Verhinderungsplanung bzw. eine bloße Feigenblattplanung, die auf eine verkappte Verhinderungsplanung hinausläuft, ist dem Plangeber jedoch verwehrt. Er muss die in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB enthaltene Entscheidung des Gesetzgebers, Windenergieanlagen im Außenbereich zu privilegieren, beachten und für die Windenergienutzung im Plangebiet in substanzieller Weise Raum schaffen.
Dabei ist in der Rechtsprechung5 anerkannt, dass für die Wirksamkeit einer im Wege der Planung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB getroffenen Flächenauswahl allein die Erwägungen maßgeblich sind, die tatsächlich Grundlage für die Abwägungsentscheidung des zuständigen Organs des Planungsträgers – hier des Kreistages des Antragsgegners – waren und dass diese Erwägungen im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle durch die Begründung bzw. Erläuterung der Planung und die Aufstellungsunterlagen bzw. Verfahrensakten nachgewiesen werden müssen.
Soweit man von einem Abwägungsausfall bei der Festlegung der Vorranggebiete ausgeht, wofür einiges spricht, so ist dieser schon deshalb beachtlich, weil die Vorschrift des § 10 Abs. 2 NROG a. F. wie n. F. nur bei Fehlern im Abwägungsvorgang einschlägig ist, nicht aber wenn eine Abwägung gar nicht stattgefunden hat. Selbst wenn man aber unterstellt, es liege insoweit „nur“ ein Fehler im Abwägungsvorgang vor, so ist dieser nicht nach § 10 Abs. 2 NROG unbeachtlich. Es ist nämlich bei verständiger Würdigung der tatsächlichen Umstände eine konkrete Möglichkeit dafür erkennbar, dass die angegriffene Entscheidung ohne die Defizite in der Abwägung hinsichtlich der Vorrangflächen anders ausgefallen wäre.
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 31. März 2011 – 12 KN 187/08
- vgl. Nds. OVG, Urteil vom 28.01.2010 – 12 KN 65/07, BauR 2010, 1043, Nds. OVG, Urteil vom 28.10.2004 – 1 KN 155/03, NVwZ-RR 2005, 162; OVG Sachsen, Urteil vom 07.04.2005 – 1 D 2/03, SächsVBl 2005, 225[↩]
- BVerwG, Urteile vom 17.12.2002 – 4 C 15.01, BVerwGE 117, 287; vom 13.03.2003 – 4 C 04.02, BVerwGE 118, 33; und vom 26.04.2007 – BVerwG 4 CN 03.06, NVwZ 2007, 1081 ff.; Beschluss vom 12.07.2006 – 4 B 49.06, ZfBR 2006, 679 ff.[↩]
- vgl. Nds. OVG, Urteil vom 11.07.2007 – 12 LC 18/07, BRS 71 Nr. 106 m. w. N.[↩]
- Nds. OVG, Urteil vom 28.01.2010 – 12 KN 65/07, BauR 2010, 1043; OVG Sachsen, Urteil vom 07.04.2005, a.a.O.[↩]
- Nds. OVG, Urteil vom 11.07.2007 – 12 LC 18/07, BRS 71 Nr. 106; OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 14.09.2010 – 2 A 04.10; OVG NRW, Urteil vom 15.03.2006 – 8 A 2672/03, BauR 2006, 1715; Nds. OVG, Beschluss vom 17.01.2002 – 1 L 2504/00, BauR 2002, 895; vgl. auch: BVerwG, Urteil vom 13.03.2003 – 4 C 04.02, BVerwGE 118, 33 und vom 26.04.2007 – 4 CN 03.06, BVerwGE 128, 382[↩]