Flüchtlingsunterkünfte – und die Asylverfahrensberatung per Infobus

Weder § 12a AsylG noch Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU vermitteln einer Nichtregierungsorganisation, die Asylverfahrensberatung durchführt, einen Anspruch auf Zugang ihres Beratungspersonals und Zufahrt eines als Beratungsraum genutzten Busses („Infobus für Flüchtlinge“) zu Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende, um dort eine nicht zuvor angefragte Asylverfahrensberatung anzubieten.

Flüchtlingsunterkünfte – und die Asylverfahrensberatung per Infobus

§ 12a AsylG begründet einen solchen Zugangsanspruch nicht. Während § 12a AsylG a. F. eine primär durch das Bundesamt durchgeführte, staatliche und zugleich unabhängige Asylverfahrensberatung vorgesehen hat, sollte mit der Neufassung der Vorschrift durch das am 1.01.2023 in Kraft getretene Gesetz zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren vom 21.12.20221 eine Asylverfahrensberatung durch nichtstaatliche Träger flächendeckend eingeführt werden. § 12a Abs. 1 Satz 1 AsylG sieht hierzu vor, dass der Bund eine behördenunabhängige, ergebnisoffene, unentgeltliche, individuelle und freiwillige Asylverfahrensberatung fördert. Die Förderung setzt den Nachweis bestimmter Anforderungen zur Sicherstellung der Qualität voraus (§ 12a Abs. 1 Satz 2 AsylG).

Nach § 12a Abs. 2 AsylG umfasst die Asylverfahrensberatung Auskünfte zum Verfahren und sie kann nach Maßgabe des Rechtsdienstleistungsgesetzes auch Rechtsdienstleistungen zum Gegenstand haben. Die vom Bayerischen Verwaltungsgerichts2 in der Vorinstanz verneinte Frage, ob Asylverfahrensberatung im Sinne des § 12a AsylG auch Rechtsberatung umfassen kann, hat der Gesetzgeber damit im positiven Sinn beantwortet. Dem steht nicht entgegen, dass Fachkräfte von Behörden nach der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes3 (Asylverfahrensrichtlinie) nur mit der Erteilung der in Art.19 RL 2013/32/EU geregelten Rechts- und verfahrenstechnischen Auskünfte (vgl. Art. 21 Abs. 1 RL 2013/32/EU), nicht aber mit Rechtsberatung (vgl. Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 2, Art. 22 RL 2013/32/EU) betraut werden dürfen. Dieser Einwand ist mit der Herausnahme des Bundesamtes aus der „unabhängigen“ Asylverfahrensberatung gemäß § 12a AsylG n. F. hinfällig geworden. Ist das Bundesamt an dieser Asylverfahrensberatung nicht mehr beteiligt, muss bei der Bestimmung ihres Umfangs jedenfalls nicht mehr auf (etwaige) Grenzen behördlicher Beratung nach der Asylverfahrensrichtlinie Rücksicht genommen werden.

Ein Anspruch der NGO -hier: des Münchener Flüchtlingsrats- aus § 12a AsylG scheitert auch nicht daran, dass er nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kein Wohlfahrtsverband im Sinne von § 12a AsylG a. F. ist. Ob hierzu nur die Verbände zählten, die zu den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossen sind, kann dahinstehen, weil § 12a AsylG n. F. nur noch auf die Träger der Asylverfahrensberatung abstellt, die jedenfalls nicht von vornherein auf die Mitglieder der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege beschränkt sind4.

Ob Träger der Asylverfahrensberatung im Sinne von § 12a AsylG nur sein kann, wer nach dieser Vorschrift vom Bund gefördert wird, was den – hier bisher nicht erbrachten – vorherigen Nachweis der Zuverlässigkeit, der ordnungsgemäßen und gewissenhaften Durchführung der Beratung sowie von Verfahren zur Qualitätssicherung und -entwicklung voraussetzt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Ebenso kann dahinstehen, ob die Vorschrift subjektive Rechte für (potentielle) Träger der Asylverfahrensberatung auf Förderung oder Durchführung einer Asylverfahrensberatung begründet. Denn jedenfalls begründet § 12a AsylG keinen Anspruch der Beratenden auf Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende zu dem Zweck, dort in einer Art „offenen Sprechstunde“ die Asylverfahrensberatung Asylsuchenden anzubieten, welche jene nicht zuvor angefragt haben. Dem Wortlaut der Norm ist (wie bereits der Vorläuferfassung) ein derartiger Anspruch nicht zu entnehmen; die Frage des räumlichen Zugangs zu Aufnahmeeinrichtungen wird darin ebenso wenig angesprochen wie die für die Beratung – und erst recht die Kontaktaufnahme – in Betracht kommenden Örtlichkeiten überhaupt.

Die in § 12a Abs. 1 AsylG vorgesehene „Förderung“ der behördenunabhängigen Asylverfahrensberatung durch den Bund impliziert nicht, dass der Bund den Zugang der Träger zu den Aufnahmeeinrichtungen ohne vorherige Mandatierung zu ermöglichen hätte. Der Begründung des Gesetzentwurfs ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass mit dem Begriff der Förderung eine finanzielle Unterstützung gemeint ist5.

Zur Frage eines Zugangs zu Aufnahmeeinrichtungen verhält sich diese Begründung6 an keiner Stelle. Auch aus der Entwurfsbegründung zu § 12a AsylG a. F. kann der Münchener Flüchtlingsrat im Ergebnis für den hier streitgegenständlichen Zugangsanspruch nichts herleiten. Danach sollen zwar für die Durchführung der Beratung den Wohlfahrtsverbänden grundsätzlich Räumlichkeiten und Sachmittel zur Verfügung gestellt sowie der Zugang zur Aufnahmeeinrichtung gewährleistet werden, soweit dies erforderlich ist. Dahinstehen kann, ob dies nicht ohnehin nur als ein Appell an die gemäß § 44 Abs. 1 AsylG zur Schaffung, Unterhaltung und näheren Ausgestaltung von Aufnahmeeinrichtungen für die Unterbringung Asylbegehrender verpflichteten Länder zu verstehen war. Für den hier geltend gemachten Anspruch auf Zugang zwecks Anbietens einer Asylverfahrensberatung gegenüber Asylsuchenden, die diese nicht zuvor angefragt haben, gibt diese Aussage jedenfalls nichts her. Denn die Bereitstellung von Räumlichkeiten und der Zugang zur Aufnahmeeinrichtung sollen gerade nur für die Durchführung der Beratung grundsätzlich gewährleistet werden, und auch nur, soweit dies erforderlich ist. Dies gesteht der Beklagte dem Münchener Flüchtlingsrat zu; er ermöglicht dessen Beratungspersonal den Zugang für die Durchführung der (zuvor angefragten) Beratung sogar unabhängig davon, ob dies im konkreten Fall erforderlich ist, und stellt hierfür auch Räumlichkeiten zur Verfügung. Die vorgelagerte Gewinnung von Interessenten wird von der Formulierung „Durchführung der Beratung“ nicht zwingend mit umfasst. Etwas Weitergehendes ist einer effizienten Asylverfahrensberatung auch nicht zwangsläufig immanent. Diese kann vielmehr effektiv auch dann in Anspruch genommen werden, wenn die Beratung oder zumindest die Kontaktaufnahme außerhalb der Einrichtung erfolgt, wobei die Kontaktaufnahme nebst Terminvereinbarung zudem auch telefonisch erfolgen kann. Insofern ist ein Zugang ohne vorherige Mandatierung für die Durchführung der Beratung auch nicht erforderlich.

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Lässt sich § 12a AsylG nach alledem kein Anspruch der Träger der Asylverfahrensberatung auf Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen zu dem Zweck entnehmen, dort Beratungsinteressenten zu gewinnen und diese dann zu beraten, kann auch eine Zufahrt des – als Beratungsraum dienenden – Infobusses hiernach nicht beansprucht werden.

Zutreffend hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auch einen verfassungsrechtlich fundierten Anspruch auf den begehrten Zugang verneint. Ein solcher Anspruch ergibt sich entgegen der Auffassung des Münchener Flüchtlingsrats nicht aus der durch Art. 5 Abs. 1 GG sowie Art. 10 EMRK geschützten Meinungsfreiheit. Zwar kann sich der Münchener Flüchtlingsrat als inländische juristische Person nach Art.19 Abs. 3 GG auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen7. Die Verweigerung des Zugangs zu den Aufnahmeeinrichtungen stellt indes schon keinen Eingriff in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit dar. Diese umfasst jedenfalls keinen Anspruch auf Zutritt zu Orten, die dem Grundrechtsträger ansonsten nicht zugänglich wären. Die Meinungsäußerungsfreiheit ist vielmehr nur dort gewährleistet, wo dieser tatsächlich Zugang findet8. In der Zutrittsverweigerung durch einen Träger öffentlicher Gewalt kann deshalb nur dann ein Eingriff in die Meinungsfreiheit liegen, wenn es sich um einen der Öffentlichkeit sonst allgemein zugänglichen Bereich handelt, wie es das Bundesverfassungsgericht9 im Falle eines Flughafens angenommen hat.

Aufnahmeeinrichtungen zur Unterbringung von Asylbewerbern sind keine allgemein zugänglichen öffentlichen Einrichtungen. § 44 Abs. 1 AsylG verpflichtet die Länder zu deren Schaffung und Unterhaltung. Bei der Ausgestaltung der Einrichtungen und der dazu bestehenden Zutrittsrechte haben die Länder ihre Schutzpflichten gegenüber den Grundrechten der Asylsuchenden zu beachten. Sie haben sicherzustellen, dass die Rechte der Asylsuchenden sowie die öffentliche Sicherheit und Ordnung in den Unterkünften gewahrt werden. Dies schließt eine öffentliche Zugänglichkeit aus. Dem entsprechen die begrenzten Zutrittsrechte nach der Hausordnung, welche die Regierung von Oberbayern als Inhaberin des Hausrechts für die Aufnahmeeinrichtungen erlassen hat. Eine in dem Werben für ein Beratungsangebot liegende kommunikative Nutzung entspricht regelmäßig nicht dem Widmungszweck der Aufnahmeeinrichtungen.

Das geltend gemachte Zugangsrecht folgt auch nicht aus Art. 10 EMRK und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die bei der Auslegung und Anwendung des deutschen Rechts zu berücksichtigen ist. Namentlich gibt das vom Münchener Flüchtlingsrat angeführte Urteil des Gerichtshofs vom 08.10.201910 zur journalistischen Informationsbeschaffung in einem Flüchtlingslager für ein Zugangsrecht zwecks Anbietens einer zuvor nicht angefragten Asylverfahrensberatung nichts her. Die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit eines Journalisten erstreckt sich nach dieser Entscheidung grundsätzlich auch auf den Informationszugang, der Voraussetzung für eine fundierte Veröffentlichung ist; dieser Schutz reicht besonders weit, wenn der Berichtsgegenstand von öffentlichem Interesse ist. Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Ein – hier allenfalls in Rede stehendes – Zugangsrecht zu nicht allgemein zugänglichen Einrichtungen, um in der Einrichtung eine Meinung zu äußern, lässt sich mit dieser Entscheidung nicht begründen.

Ein weitergehendes Zugangsrecht kann der Münchener Flüchtlingsrat auch aus der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit nicht herleiten. Der Münchener Flüchtlingsrat begehrt den für Externe nur ausnahmsweise eröffneten Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen, deren Widmungszweck seine allgemeine Handlungsfreiheit von vornherein beschränkt11. Aufnahmeeinrichtungen zur Unterbringung von Asylbewerbern sind – wie dargelegt – keine allgemein zugänglichen Einrichtungen. Daraus folgt, dass (jedenfalls für andere Personen als die Bewohner selbst) allein das Nichtvorhandensein oder die Aufhebung eines Hausverbots oder einer Zutrittsverweigerung die einen Zutritt begehrende Person noch nicht – allein kraft ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit – dazu berechtigt, die Einrichtung zu betreten. Vielmehr bedarf es einer positiven Zulassung. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zutreffend erkannt hat, kann ein solcher Leistungsanspruch unmittelbar aus Art. 2 Abs. 1 GG in aller Regel nicht hergeleitet werden. Für eine Ausnahme ist hier nichts ersichtlich.

Das dem Beklagten als Inhaber des Hausrechts bei der Zugangsgewährung eröffnete Ermessen ist nicht dahingehend auf Null reduziert, dass nur eine positive Entscheidung über das Begehren des Münchener Flüchtlingsrats rechtmäßig wäre. Eine derartige Ermessensreduzierung ist entgegen der Auffassung des Münchener Flüchtlingsrats weder unter dem Aspekt des in Art.20 Abs. 3 GG verankerten rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes noch unter dem Aspekt der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) gegeben.

Die tatsächliche Verwaltungspraxis kann sowohl aufgrund des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG, dazu bb) als auch aufgrund des im Rechtsstaatsprinzip verankerten Vertrauensschutzes (Art.20 Abs. 3 GG) zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen12. Nach der zutreffenden Rechtsauffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kann allerdings nur eine einheitliche Verwaltungspraxis ein schutzwürdiges Vertrauen in ihren Fortbestand begründen und ist eine Behörde selbst im Falle einer solchen einheitlichen Verwaltungspraxis nicht gehindert, diese für die Zukunft aus willkürfreien, sachlichen Gründen zu ändern13. Unter beiden Aspekten hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof vorliegend einen Anspruch aus der bisherigen Verwaltungspraxis und dem Grundsatz des Vertrauensschutzes rechtsfehlerfrei verneint. Zum einen fehle es bereits an einer einheitlichen Verwaltungspraxis in der Vergangenheit. Eine einheitliche, einrichtungsübergreifende Regelung oder Absprache zwischen den Beteiligten sei nicht vorhanden gewesen. Der Münchener Flüchtlingsrat habe in einigen, nicht in allen Aufnahmeeinrichtungen im Zuständigkeitsbereich der Regierung von Oberbayern seit dem Jahr 2011 zeitweise mit dem Infobus auf das Gelände einer Aufnahmeeinrichtung fahren können, während in anderen Fällen die Beratung in Gemeinschaftsräumen, der Kantine oder vereinzelt in den Zimmern der Asylsuchenden durchgeführt worden sei. Teilweise habe die Beratung aber auch vor den Aufnahmeeinrichtungen stattgefunden.

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An diese Feststellungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist das Verwaltungsgerichtshof in tatsächlicher Hinsicht gebunden, da der Münchener Flüchtlingsrat eine durchgreifende Verfahrensrüge insoweit nicht erhoben hat (§ 137 Abs. 2 VwGO). Sein Einwand, Ansprechpartner sei für ihn stets die Regierung von Oberbayern gewesen, stellt die Feststellungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zum Fehlen einer einheitlichen positiven Zugangspraxis im Übrigen nicht in Frage.

Die selbstständig tragende Erwägung des Verwaltungsgerichtshofs, jedenfalls habe der Beklagte seine Verwaltungspraxis für die Zukunft in zulässiger Weise geändert, steht ebenfalls in Einklang mit Bundesrecht. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat es insoweit zutreffend als willkürfrei angesehen, dass der Beklagte seine Praxis dahingehend vereinheitlicht hat, einen Zugang ohne konkrete Anforderung nicht mehr zu ermöglichen, weil dem Ruhebedürfnis der Asylsuchenden und der Sicherheit der Einrichtung das höhere Gewicht beigemessen wird.

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit der allgemeinen Verwaltungspraxis zwingt ebenfalls nicht dazu, dem Münchener Flüchtlingsrat den begehrten Zugang ohne vorherige Beauftragung durch Asylsuchende zu ermöglichen. Eine sachwidrige Ungleichbehandlung des Münchener Flüchtlingsrats im Verhältnis zu anderen Organisationen und Beratern hat der Verwaltungsgerichtshof ohne Verletzung von Bundesrecht verneint.

Dass eine der Organisationen, die in der Einrichtung ständig präsent sind oder sonst anlasslos Zugang erhalten, in den Aufnahmeeinrichtungen (auch) Asylverfahrensberatung durchführt, ist den Feststellungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht zu entnehmen. Der Münchener Flüchtlingsrat hat zudem selbst mehrfach vorgetragen, die Wohlfahrtsverbände leisteten keine Asylverfahrensberatung; diese Lücke wolle er füllen. Insoweit ist mithin schon keine Ungleichbehandlung ersichtlich.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, an die das Verwaltungsgerichtshof gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, gewährt der Beklagte allerdings Nichtregierungsorganisationen, Wohlfahrtsverbänden und (sonstigen) Ehrenamtlichen, die spezielle Hilfsangebote für typischerweise vulnerable Personengruppen anbieten, den nicht von einer vorherigen Beauftragung abhängigen Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen. Dies betreffe etwa den Adressatenkreis von psychosozialen Beratungen, Schwangerschaftsberatungen oder der Beratung von Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind. Ungeachtet des unterschiedlichen Adressatenkreises der Beratungsleistungen und der Beratungsinhalte wird der Münchener Flüchtlingsrat gegenüber diesen Organisationen jedenfalls insoweit ungleich behandelt, da seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der „anlasslose“ Zugang für sein Angebot der Asylverfahrens- und Rechtsberatung verwehrt wird. Diese Ungleichbehandlung ist indes sachlich gerechtfertigt. Ohne Rechtsverstoß hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ein sachliches Differenzierungskriterium darin gesehen, dass sich die in den Aufnahmeeinrichtungen präsenten Angeboten an einen typischerweise vulnerablen Personenkreis richteten und dass hierbei zudem die Lebens- und Unterbringungsverhältnisse in der Einrichtung eine Rolle spielten. Im Unterschied dazu könne die Asylverfahrensberatung regelmäßig auch außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen durchgeführt werden. Vulnerable, nicht mobile Personen, könnten sich nach (z. B. telefonischer) Kontaktaufnahme mit dem Münchener Flüchtlingsrat in der Einrichtung beraten lassen.

Der Münchener Flüchtlingsrat hat auch unmittelbar aus dem Unionsrecht keinen Anspruch auf Zugang und Zufahrt zu den Aufnahmeeinrichtungen zu dem Zweck, dort Asylverfahrensberatung ohne vorherige Beratungsanfrage bestimmter Asylsuchender anzubieten. In Ermangelung entsprechender Anhaltspunkte vermag das Verwaltungsgerichtshof der Grundrechte-Charta (etwa Art. 11 Abs. 1 GRC) einen derartigen Anspruch ebenso wenig zu entnehmen wie den nationalen Grundrechten. Auch im Sekundärrecht ist der geltend gemachte Zugangsanspruch nicht verankert. Weder gewährt die Asylverfahrensrichtlinie in unmittelbarer Anwendung einen solchen Anspruch, noch kann sich der Münchener Flüchtlingsrat dafür auf eine unmittelbare Anwendung von Art. 18 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen14 (Aufnahmerichtlinie) berufen.

Keine Regelung der Richtlinie 2013/32/EU verpflichtet die Mitgliedstaaten, Nichtregierungsorganisationen, die rechtsberatend tätig sind, ohne vorherige Beauftragung durch einen Antragsteller Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen zwecks Anbietens einer Asylverfahrensberatung zu gewähren.

Das Verwaltungsgerichtshof kann offenlassen, in welchem Verhältnis die in § 12a AsylG vorgesehene sowie die vom Münchener Flüchtlingsrat praktizierte Asylverfahrensberatung zu den unionsrechtlichen Vorgaben über die unentgeltliche Erteilung von Rechts- und verfahrenstechnischen Auskünften in erstinstanzlichen Verfahren (Art.19 RL 2013/32/EU) und die unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung in Rechtsbehelfsverfahren sowie fakultativ auch in erstinstanzlichen Verfahren (Art.20 Abs. 1 und 2 RL 2013/32/EU) stehen. Dass der nationale Gesetzgeber mit der Regelung über die behördenunabhängige unentgeltliche Asylverfahrensberatung in § 12a AsylG von der durch Art.20 Abs. 2 RL 2013/32/RL eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, auch im Verwaltungsverfahren unentgeltliche Rechtsberatung zu gewähren, ist zumindest zweifelhaft. Denn angesichts des dann bewirkten Ausschlusses der Anwendbarkeit der Mindestregelung des Art.19 RL 2013/32/RL (vgl. Art.20 Abs. 2 Satz 2 RL 2013/32/EU) dürfte dies voraussetzen, dass eine derartige unentgeltliche Rechtsberatung jedem Asylbewerber garantiert wird. Dies sollte aber offenbar nicht Regelungsinhalt des § 12a AsylG sein, denn nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollten Verfügbarkeit und mögliche Teilnahme keine Auswirkungen auf den Ablauf und das Ergebnis des Asylverfahrens haben15. Denkbar ist daher auch, dass das in Art.19 Abs. 1 und Art.20 Abs. 1 RL 2013/32/EU unionsrechtlich verpflichtend vorgegebene Mindestniveau an Beratung in Deutschland weiterhin durch den Staat sichergestellt werden soll (im Verwaltungsverfahren durch das Bundesamt gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 AsylG und im gerichtlichen Verfahren durch die Prozesskostenhilfe). Die nationale Regelung des § 12a AsylG wäre dann von den unionsrechtlichen Vorgaben unabhängig. Dies bedarf indes keiner abschließenden Klärung. Denn auch wenn es sich bei der vom Münchener Flüchtlingsrat angebotenen Asylverfahrensberatung um eine Rechtsberatung im Sinne von Art.20 Abs. 1 und 2 RL 2013/32/EU handelte, gewährt diese Richtlinie den vom Münchener Flüchtlingsrat geltend gemachten Zugangsanspruch nicht. Dieser ist von den verschiedenen in der Verfahrensrichtlinie enthaltenen Zugangsregelungen nicht umfasst.

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Nach Art. 23 Abs. 2 RL 2013/32/EU umfasst die Rechtsberatung den Zugang des Rechtsanwalts oder Rechtsberaters, der einen Antragsteller unterstützt oder vertritt, zum Zweck der Beratung des Antragstellers zu abgeschlossenen Bereichen, wie Gewahrsamseinrichtungen oder Transitzonen. Daraus kann der Münchener Flüchtlingsrat nichts für sein Begehren herleiten. Weder ist eine Aufnahmeeinrichtung ein „abgeschlossener Bereich“, den die dort Untergebrachten nicht frei verlassen können, noch geht es dem Münchener Flüchtlingsrat um den danach allein zu gewährleistenden Zugang zu bestimmten Antragstellern, die ihn zuvor beauftragt haben. Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Zugangsregelungen in Art. 8 Abs. 2 RL 2013/32/EU (effektiver Zugang zu Antragstellern an Grenzübergangsstellen an den Außengrenzen, einschließlich Transitzonen) und Art. 29 Abs. 1 Buchst. a RL 2013/32/EU (Zugangsrecht des UNHCR) sind nicht erfüllt.

Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat der Verwaltungsgerichtshof auch in der Aufnahmerichtlinie, namentlich in Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU, einen Anspruch auf Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen nach den begehrten Modalitäten nicht verankert gesehen. Art. 18 RL 2013/33/EU regelt die Modalitäten der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen. Absatz 1 bezeichnet die möglichen Räumlichkeiten der Unterbringung, die unter anderem in Unterbringungszentren erfolgen kann. Absatz 2 verpflichtet die Mitgliedstaaten in Bezug auf diese Unterbringung unter anderem, dafür Sorge zu tragen, dass Antragsteller die Möglichkeit haben, mit Verwandten, Rechtsbeistand oder Beratern, Personen, die den UNHCR vertreten, und anderen einschlägig tätigen nationalen und internationalen Organisationen sowie Nichtregierungsorganisationen in Verbindung zu treten (Buchst. b), und dass Familienangehörige, Rechtsbeistände oder Berater, Personen, die den UNHCR vertreten, und einschlägig tätige von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannte Nichtregierungsorganisationen Zugang erhalten, um den Antragstellern zu helfen (Buchst. c Satz 1). Der Zugang darf nur aus Gründen der Sicherheit der betreffenden Räumlichkeiten oder der Antragsteller einschränkt werden (Buchst. c Satz 2).

Zwar kann sich der Einzelne auf eine – gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV grundsätzlich der Umsetzung in nationales Recht bedürftige – Richtlinienbestimmung gegenüber dem Staat unmittelbar berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt hat und die Bestimmung inhaltlich unbedingt und hinreichend genau gefasst ist16. Der vom Münchener Flüchtlingsrat geltend gemachte Anspruch ist Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/RL aber schon nicht zu entnehmen. Diese Regelung verpflichtet die Mitgliedstaaten jedenfalls nicht dazu, Rechtsberatern oder einschlägig tätigen Nichtregierungsorganisationen Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen zu gewähren, um (potentiell) allen dort untergebrachten Asylbewerbern ohne vorherige konkrete Beauftragung eine Asylverfahrensberatung anzubieten.

Keiner abschließenden Entscheidung bedarf die Frage, ob der Münchener Flüchtlingsrat als „Rechtsbeistand oder Berater“ oder jedenfalls als einschlägig tätige von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannte Nichtregierungsorganisation zu denjenigen zählt, denen nach Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU der Zugang ermöglicht werden muss, um den Antragstellern zu helfen. Dem dürfte nicht bereits entgegenstehen, dass der Münchener Flüchtlingsrat – ein eingetragener Verein – in dem für die Beurteilung der Sachlage maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung kein nach der noch nicht in Kraft befindlichen Neufassung des § 12a AsylG geförderter Träger der Asylverfahrensberatung war. § 12a AsylG verpflichtet den Bund nunmehr zu einer Förderung der behördenunabhängigen Asylverfahrensberatung. Diese Förderung ist an bestimmte Qualitätsvoraussetzungen geknüpft (§ 12a Abs. 1 Satz 2 AsylG). Das bedeutet für beratende Organisationen und Verbände, die diese Förderung nicht in Anspruch nehmen (wollen), indessen kein Verbot der Asylverfahrensberatung, sofern diese im Einklang mit der Rechtsordnung (insbesondere mit § 6 Abs. 2 des Rechtsdienstleistungsgesetzes – RDG) erbracht wird.

Offen bleiben kann auch, ob dem Erfordernis des „einschlägigen“ Tätigseins der Organisation (siehe dazu auch Art. 5 Abs. 2 RL 2013/33/EU) und der Finalität des Zugangs „um den Antragstellern zu helfen“ ein spezifischer Bezug zu den Regelungsgegenständen der Aufnahmerichtlinie innewohnt, sodass die beabsichtigte Hilfe bzw. Beratung die Aufnahmebedingungen während des Asylverfahrens und die in diesem Rahmen gewährten Vorteile zum Gegenstand haben muss17. Die in der Asylverfahrensrichtlinie getroffenen begrenzten Zugangsregelungen für beratende Personen und Organisationen wären dann hinsichtlich der eigentlichen Asylverfahrensberatung abschließend und würden insoweit nicht – hinsichtlich des Zugangs zu Aufnahmeeinrichtungen – durch Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU ergänzt. Dem Willen des Richtliniengebers dürfte ein solchermaßen beschränktes Verständnis des Zugangsrechts nach Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU allerdings nicht entsprechen. Im Vorschlag der Kommission für die ursprüngliche Aufnahmerichtlinie, der in Art. 16 Abs. 7 RL-Entwurf bereits eine derartige Zugangsregelung vorsah, die dann auch als Art. 14 Abs. 7 RL 2003/9/EG wirksam geworden ist, wurde zu deren Begründung nämlich ausgeführt: „Asylbewerber sind auf den Kontakt zu ihrem Rechtsbeistand angewiesen, damit sie ihren Teil zur Prüfung des Asylantrags beitragen können. Der Rechtsbeistand sollte daher Zugang zu allen Unterbringungseinrichtungen erhalten. Auch der UNHCR und die einschlägigen Nichtregierungsorganisationen wünschen diesen Zugang“18. Daraus wird deutlich, dass der in der Aufnahmerichtlinie geregelte Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen jedenfalls nach dem Willen des Richtliniengebers wohl (gerade) auch der Asylverfahrensberatung dienen sollte. Eine abschließende Klärung dieser Frage kann hier indes unterbleiben, weil sie aus den nachfolgenden Gründen nicht entscheidungserheblich ist.

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Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU begründet für Rechtsbeistände und Berater oder einschlägig tätige Nichtregierungsorganisationen jedenfalls keinen Anspruch auf Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen, um Asylsuchenden eine Asylverfahrensberatung anzubieten.

Bereits der Wortlaut der Vorschrift spricht eher gegen ein derart weites Verständnis des zu ermöglichenden Zugangs. Danach müssen u. a. Berater und einschlägig tätige, anerkannte Nichtregierungsorganisationen Zugang erhalten, „um den Antragstellern zu helfen“. Die Verwendung des bestimmten Artikels bei der Eingrenzung des Zugangszwecks („den“ Antragstellern) deutet an, dass sich der Zugangswunsch auf bereits zuvor konkretisierte Antragsteller richten muss und die Vorschrift nicht auch eine Art „werbende Präsenz“ mit Herstellung des Erstkontakts erst in der Einrichtung gewährleisten will.

Die Entstehungsgeschichte der Regelung bestätigt das vorgenannte Verständnis. In der ursprünglichen Fassung der Aufnahmerichtlinie (RL 2003/9/EG) war die den Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen betreffende Regelung noch nicht im unmittelbaren Anschluss an die Regelung über die Verbindungsaufnahme bzw. Kommunikation (Art. 14 Abs. 2 RL 2003/9/EG) getroffen, sondern in einem Absatz 7, der auch die Familienangehörigen noch nicht einschloss, enthalten. Dieser bestimmte, dass „Rechtsbeistände oder -berater von Asylbewerbern sowie Vertreter des Amtes des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen oder von diesem gegebenenfalls beauftragte und von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannte Nichtregierungsorganisationen“ Zugang zu den Aufnahmezentren und sonstigen Unterbringungseinrichtungen erhalten, um den Asylbewerbern zu helfen. Diese Formulierung machte das Erfordernis einer vorherigen Mandatierung noch deutlicher, weil die den Zugang begehrende Beratungsperson danach eindeutig bereits vor dem Zugang zu der Aufnahmeeinrichtung Rechtsbeistand oder -berater eines oder mehrerer bestimmter Asylbewerber gewesen sein musste. Die – bereits zitierte – Begründung des Richtlinienvorschlags der Kommission zu diesem Absatz (Art. 16 Abs.  7 RL-Entwurf, der Art. 14 Abs. 7 RL 2003/9/EG entspricht) bekräftigt dies, denn dort wird der Zugang des Rechtsbeistands damit begründet, dass Asylbewerber auf den Kontakt zu „ihrem“ Rechtsbeistand angewiesen seien. Das darin zum Ausdruck kommende Erfordernis einer vorherigen Mandatierung ist auf Rechtsberater und rechtsberatende Nichtregierungsorganisationen ohne Weiteres übertragbar. Demnach bezweckt der Zugang, den Antragstellern den Kontakt mit „ihren“ Rechtsbeiständen oder Beratern zu ermöglichen; dies umfasst nicht auch die Möglichkeit, einen Rechtsbeistand oder Berater ohne vorherige Kontaktaufnahme in der Aufnahmeeinrichtung selbst zu finden.

Im Vorschlag der Kommission vom 03.12.2009 für eine Neufassung der Aufnahmerichtlinie war die erwähnte Regelung – nunmehr in Art. 18 Abs. 7 – unverändert vorgesehen19. In dem geänderten Vorschlag für eine Neufassung dieser Richtlinie ist der Zugang dann unmittelbar hinter die Möglichkeit zur Kommunikation mit den dort Genannten gerückt und in Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU verankert worden. Die Umstellungen und Änderungen, zu denen auch die Streichung des Zusatzes „von Asylbewerbern“ zählten, dienten ausweislich der Begründung der Kommission der Kohärenz und Vereinfachung. Dafür, dass damit der Zugang von rechtsberatenden Personen und Organisationen hätte erweitert werden sollen, gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

Der vom Münchener Flüchtlingsrat begehrte „anlasslose“ Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen ist nach dem Sinn und Zweck des Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU nicht erforderlich. Der Zugang der Rechtsbeistände, Berater und beratend tätigen anerkannten Nichtregierungsorganisationen zu Unterbringungseinrichtungen soll die – in Art. 18 Abs. 2 Buchst. b RL 2013/33/EU gewährleistete – Kontaktaufnahme der Asylsuchenden zu diesen Beratungspersonen ergänzen. Er bezweckt die Sicherstellung einer hinreichend wirksamen Möglichkeit, die ihnen garantierten Leistungen der Asylverfahrens- und Rechtsberatung in Präsenz in Anspruch zu nehmen. Dieser Leitgedanke der Effektivität der asylverfahrensrechtlichen Beratung liegt verschiedenen Regelungen des Sekundärrechts zugrunde (vgl. etwa Art. 5 Abs. 2 und 21. Erwägungsgrund RL 2013/33/EU sowie Art. 8 Abs. 2, Art. 12 Abs. 1 Buchst. c, Art.20 Abs. 3 Unterabs. 3, Art. 23 Abs. 2, Art. 24 Abs. 3 und 4 und 25. Erwägungsgrund RL 2013/32/EU). Er erfordert nicht, es den Anbietern einer Asylverfahrensberatung zu ermöglichen, ihre Beratung in den Unterbringungseinrichtungen selbst offen anzubieten und ihnen damit den nicht zuvor auf bestimmte Asylsuchende, die eine Beratung angefragt haben, konkretisierten Zugang zu gewähren. Eine hinreichend effiziente Beratung wird vielmehr im Regelfall des Asylsuchenden ohne besonderen Schutzbedarf bereits dadurch ermöglicht, dass der Asylsuchende Informationen darüber erhält, welche Organisationen oder Personengruppen einschlägige Rechtsberatung leisten (Art. 5 Abs. 2 RL 2013/33/EU), dass er die Möglichkeit hat, mit diesen außerhalb der Aufnahmeeinrichtung oder über die modernen Kommunikationsmittel in Kontakt zu treten (Art. 12 Abs. 1 Buchst. c und 25. Erwägungsgrund der RL 2013/32/EU sowie ggf. Art. 18 Abs. 2 Buchst. b RL 2013/33/EU), und dass er sich anschließend außerhalb der Einrichtung oder gemäß der Zusage des Beklagten auch innerhalb derselben beraten lassen kann. Bei besonders schutzbedürftigen Asylsuchenden ist eine effektive Inanspruchnahme von Beratungsleistungen ebenfalls sichergestellt, ohne dass es eines „anlasslosen“ Zugangsrechts der beratenden Personen oder Organisationen bedarf. Art. 24 Abs. 3 RL 2013/32/EU verpflichtet die Mitgliedstaaten bei Antragstellern, die besondere Verfahrensgarantien benötigen, sicherzustellen, dass diese angemessene Unterstützung erhalten, um die Rechte aus der Asylverfahrensrichtlinie in Anspruch nehmen zu können. Eine solche Hilfe bei der Kontaktaufnahme (fernmündlich oder schriftlich) kann etwa durch eine in der Einrichtung präsente Asylsozialberatung oder durch einen dem Antragsteller aufgrund seiner Schutzbedürftigkeit konkret zugeordneten Vertreter20 geleistet werden. Die Garantie einer noch weitergehenden Vereinfachung im Sinne einer größtmöglichen Niederschwelligkeit des Zugangs zu Asylverfahrensberatung ist dem Sekundärrecht hingegen nicht zu entnehmen.

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Die Flüchtlingsanerkennung durch einen EU-Mitgliedstaat - und das deutsche Asylverfahren

Eine über den bezeichneten Sinn und Zweck hinausgehende, weite Auslegung des Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU lässt sich auch mit systematischen Erwägungen nicht begründen. Binnensystematisch legt schon der Umstand, dass Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU auch den Zugang von Familienangehörigen regelt, nahe, dass die gesamte Vorschrift sich auf den Zugang zu bestimmten, zuvor feststehenden Asylbewerbern bezieht. Diese personelle Zuordnung, die bei Familienangehörigen mit der familiären Beziehung i. S. v. Art. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU und dem Besuchswunsch des Asylsuchenden hergestellt ist, erfolgt bei den beratenden Personen durch einen zuvor geäußerten Beratungswunsch nebst Terminvereinbarung.

Eine weite Auslegung des Art. 18 Abs. 2 Buchst. c Satz 1 RL 2013/33/EU dahingehend, dass auch der anlasslose Zugang von Beratern und Nichtregierungsorganisationen zwecks Anbietens einer Asylverfahrensberatung gewährleistet werden muss, ist auch mit Blick auf die enge Schrankenregelung in Satz 2 der Regelung nicht naheliegend. Der Zugang darf danach nur aus Gründen der Sicherheit der betreffenden Räumlichkeiten oder der Antragsteller eingeschränkt werden. Diese Beschränkungsmöglichkeiten sind restriktiv auszulegen und dürfen den Zugang nicht unmöglich machen oder stärker beschränken, als es die geltend gemachten Sicherheitsgründe unbedingt erfordern21. Der zeitliche und gegenständliche Bedarf an Räumlichkeiten in der Aufnahmeeinrichtung für die Beratung wäre aber höher, wenn nicht nur die zuvor verabredeten Beratungen in der Unterbringungseinrichtung durchgeführt würden, sondern auch die – erst auf Beratungsanfragen zielende – „werbende Präsenz“ ermöglicht werden müsste. Dies könnte einen Beschränkungsbedarf nach sich ziehen, der von der Schrankenregelung des Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU nicht abgedeckt ist. So haben die Betreiber der Aufnahmeeinrichtungen, die für den Schutz der Grundrechte der Asylsuchenden mitverantwortlich sind, auch Ruhestörungen abzuwenden und für geordnete Abläufe in der Einrichtung zu sorgen; zudem könnten Kapazitätsengpässe bei den Räumlichkeiten auftreten. Dabei kann nicht nur auf den Münchener Flüchtlingsrat und den von ihm geltend gemachten zeitlich begrenzten Zugangswunsch seines Beratungspersonals nebst Infobus abgestellt werden. Jeder andere Berater und jede andere asylrechtlich beratend tätige Organisation wäre dann gleichermaßen zu einem solchen Zugang berechtigt, auch mehrere gleichzeitig.

Zu keinem anderen Ergebnis führt der Hinweis des Münchener Flüchtlingsrats auf den teils vergleichbar, teils aber auch abweichend formulierten Zugang zu Antragstellern in Hafteinrichtungen gemäß Art. 10 Abs. 4 RL 2013/33/EU. Nach dieser Vorschrift tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Familienangehörige, Rechtsbeistand oder Berater und Personen, die von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannte, einschlägig tätige Nichtregierungsorganisationen vertreten, unter Bedingungen, die den Schutz der Privatsphäre garantieren, mit Antragstellern Verbindung aufnehmen und sie besuchen können. Der Zugang zu der Hafteinrichtung darf nur dann eingeschränkt werden, wenn dies nach Maßgabe des einzelstaatlichen Rechts objektiv für die Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder die Verwaltung der Hafteinrichtung erforderlich ist und der Zugang dadurch nicht wesentlich behindert oder unmöglich gemacht wird. Dies trägt der Inhaftierung des Antragstellers und den damit verbundenen Verhaltensbeschränkungen insoweit Rechnung, als die Verbindungsaufnahme insbesondere auch durch die außerhalb der Haftanstalt befindliche Person ermöglicht werden muss (anders als nach Art. 18 Abs. 2 Buchst. b RL 2013/33/EU).

In räumlicher Hinsicht gewährleistet die Vorschrift anders als Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU nicht den Zugang zu der Unterbringungseinrichtung, um den Antragstellern zu helfen, sondern das „Besuchen“ der Antragsteller. Ein „Besuch“ ist, zumal in einer Haftanstalt, aber regelmäßig auf eine zuvor feststehende, bestimmte Person bezogen. Üblicherweise dürfte auch in diesen Fällen dem Besuch auch eine Kontaktaufnahme vorausgehen, sei es unmittelbar, sei es über Dritte, etwa das Anstaltspersonal. Dies gilt schon deshalb, weil kein Inhaftierter sich ohne sein Einverständnis besuchen lassen muss. Dass die vorherige Kontaktaufnahme im Fall dieser Inhaftierte betreffenden Norm auch von dem Berater ausgehen kann, macht dessen Zugang noch nicht zu einem „anlasslosen“. Zudem findet diese Differenzierung ihren sachlichen Grund darin, dass Inhaftierte anders als in einer Aufnahmeeinrichtung untergebrachte Antragsteller den Ort ihrer Unterbringung nicht frei verlassen können. Entsprechendes gilt im Übrigen auch für den (weitergehenden) Zugang von Organisationen und Personen, die Beratungsleistungen für Antragsteller erbringen, zu Antragstellern an Grenzübergangsstellen an den Außengrenzen, einschließlich Transitzonen (Art. 8 Abs. 2 RL 2013/32/EU).

Im Ergebnis trifft der Befund des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs daher zu, dass die drei einer effektiven Inanspruchnahme von Beratungsleistungen dienenden Verpflichtungen der Aufnahmerichtlinie zur Information, zur Ermöglichung der Kontaktaufnahme und zur Ermöglichung des Zugangs zu Aufnahmeeinrichtungen in bestimmter Weise aufeinander aufbauen. So soll die in Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 RL 2013/33/EU geregelte Verpflichtung zur Information über Organisationen oder Personengruppen, die einschlägige Rechtsberatung leisten, die Gelegenheit zur Kontaktaufnahme mit diesen absichern22. Auch dies verdeutlicht im Übrigen, dass die Kontaktaufnahme zunächst von den Antragstellern selbst erwartet werden kann. Diese Möglichkeit wird ihnen in Art. 18 Abs. 2 Buchst. b RL 2013/33/EU garantiert. Art. 18 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/33/EU gewährleistet sodann für eine Teilmenge der Personengruppen, zu denen die Antragsteller nach Buchst. b in Verbindung treten können müssen, den Zugang zu den Räumlichkeiten der Unterbringung, um den Antragstellern zu helfen. Dass die vorherige Verbindungsaufnahme und Beauftragung Voraussetzung für den Zugang ist, hat die vorstehende Auslegung der Norm zweifelsfrei ergeben. Das Verwaltungsgerichtshof hält die aufgeworfene unionsrechtliche Frage für einen „acte clair“, mit der Folge, dass er zur Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV nicht verpflichtet ist. Nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Zugangsregelung besteht kein ernsthafter Anhaltspunkt für das vom Münchener Flüchtlingsrat gewünschte weite Verständnis. Rechtsprechung deutscher oder nationaler Gerichte anderer Mitgliedstaaten, die dieses bestätigte, ist nicht ersichtlich. Die richtige Auslegung ist deshalb auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Unionsrechts hier derartig offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt23.

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Ohne Verletzung von Bundesrecht hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auch einen Anspruch des Münchener Flüchtlingsrats auf eine erneute (ermessensfehlerfreie) Entscheidung über das Zugangsbegehren verneint und die Klage auf die Anschlussberufung des Beklagten insgesamt abgewiesen. Ein Anspruch auf Neubescheidung (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) besteht nicht, weil der Beklagten den begehrten Zugang ohne vorherige Mandatierung ermessensfehlerfrei abgelehnt hat.

Die grundsätzliche Entscheidung der Regierung von Oberbayern, den Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen auf ein Minimum zu begrenzen, ist nicht zu beanstanden. Angesichts der Vielzahl von Asylsuchenden aus unterschiedlichen Ländern, die in den Aufnahmeeinrichtungen untergebracht sind und dort ihren Lebensmittelpunkt haben (müssen), sowie derjenigen Dritten, für deren Zugang ein dringendes Bedürfnis besteht, ist es sowohl im Hinblick auf das Ruhebedürfnis der Asylsuchenden als auch im Hinblick auf ihre Sicherheit nicht ermessensfehlerhaft, weitere Dritte weitestgehend vom Zugang auszuschließen. Die Versagung eines anlasslosen Zugangs und Beschränkung des Zugangs zu Zwecken der Asylverfahrensberatung auf Fälle vorheriger Beauftragung dient der Gewährleistung geordneter Verhältnisse und reibungsloser Abläufe in der Aufnahmeeinrichtung. Zutreffend hat der Verwaltungsgerichtshof auch in dem Bestreben des Beklagten, keinen Bezugsfall schaffen zu wollen, eine sachgerechte Erwägung gesehen. Auf diese Erwägung durfte sich der Beklagte auch ohne eine bereits vorhandene „wetteifernde Konkurrenz“ stützen. Bei einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung hat der Inhaber des Hausrechts bei der Einräumung von Zugangsrechten ein weites Ermessen. Dieses ermöglicht die Verweigerung eines Zugangs nicht erst bei festgestellten konkreten Beeinträchtigungen (wie konkreten Sicherheitsgefahren oder bereits eingetretenen Ruhestörungen), sondern auch schon in deren Vorfeld. Zutreffend hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die ablehnende Entscheidung des Beklagten auch nicht wegen Verkennung des großen Stellenwerts als ermessensfehlerhaft erachtet, den das Unionsrecht dem Zugang der Asylsuchenden zu Verfahrens- und Rechtsberatung beimisst. Durch seine Klarstellung im erstinstanzlichen Verfahren, dass der Zugang im Fall einer vorherigen Beratungsanfrage nicht verweigert wird, hat der Beklagte diesen Stellenwert vielmehr anerkannt und sein Ermessen dergestalt ergänzt, dass die Ablehnung im verbleibenden, nur noch streitgegenständlichen Umfang jedenfalls frei von Ermessensfehlern ist. Die ablehnende Entscheidung des Beklagten verletzt schließlich weder den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes noch Art. 3 Abs. 1 GG.

Die Einwände der Revision gegen diese Erwägungen gehen weithin daran vorbei, dass dem Münchener Flüchtlingsrat der Zugang zwecks Durchführung einer Asylverfahrensberatung nicht verwehrt wird. Der Vergleich mit Altenheimen und Krankenhäusern, in denen Besuche jederzeit möglich seien, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch in diesen Einrichtungen ist es nicht üblich, dass Rechtsberater oder vergleichbare Unterstützer Zutritt erhalten, um dort ihre Dienste einem offenen Personenkreis anzubieten. Ein solches Ansinnen stellt im Übrigen gerade keinen Besuch dar. Daher wird entgegen mit der hier angegriffenen Ablehnung auch nicht in ein (vermeintliches) Recht der Asylsuchenden eingegriffen, jederzeit besucht zu werden.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. März 2023 – 1 C 40.21

  1. BGBl. I S. 2817[]
  2. BayVGH, Urteil vom 29.07.2021 – 5 BV 19.2245[]
  3. ABl. L 180 S. 60[]
  4. siehe auch BT-Drs.20/4327 S. 22[]
  5. BT-Drs.20/4327 S. 22, 33[]
  6. BT-Drs.20/4327[]
  7. vgl. Enders, BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 54. Edition, Stand: 15.02.2023, Art.  19 Rn. 42[]
  8. vgl. BVerfG, Urteil vom 22.02.2011 – 1 BvR 699/06 – [ECLI:?DE:?BVerfG:?2011:?rs20110222.1bvr069906], Fraport, NJW 2011, 1201 Rn. 98[]
  9. BVerfG, Urteil vom 22.02.2011 – 1 BvR 699/06, Fraport, NJW 2011, 1201 Rn. 98[]
  10. EGMR, Urteil vom 08.10.2019 – Nr. 15428/16 [ECLI:?CE:?ECHR:?2019:?1008JUD001542816], NVwZ 2020, 1017[]
  11. vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.05.2011 – 7 B 17.11 9[]
  12. vgl. BVerwG, Urteil vom 25.09.2013 – 6 C 13.12, BVerwGE 148, 48 Rn. 55 m. w. N.[]
  13. vgl. BVerwG, Urteil vom 25.09.2013 – 6 C 13.12, BVerwGE 148, 48 Rn. 55[]
  14. ABl. L 180 S. 96[]
  15. vgl. BT-Drs.20/4327 S. 34[]
  16. stRspr, vgl. EuGH, Urteile vom 24.01.2012 – C-282/10 [ECLI:?EU:?C:?2012:?33], Dominguez 33 und 38 m. w. N.; und vom 06.11.2018 – C-619/16 [ECLI:?EU:?C:?2018:?872] 20[]
  17. vgl. etwa Erwägungsgründe 11 und 31 der RL 2013/33/EU[]
  18. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten, KOM(2001) 181 endg. – 2001/0091(CNS) []
  19. Richtlinienvorschlag vom 03.12.2009, KOM(2008) 815 endg.; 2008/0244/COD, S. 31[]
  20. vgl. für unbegleitete Minderjährige etwa Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a und b RL 2013/32/EU[]
  21. vgl. Tsourdi, in: Thym/Hailbronner, EU Immigration Law and Asylum Law, 3. Ed.2022, RL 2013/33/EU, Art. 18 Rn. 11[]
  22. vgl. 21. Erwägungsgrund RL 2013/33/EU[]
  23. zu diesem Maßstab vgl. EuGH, Urteil vom 06.10.2021 – C-561/19 [ECLI:?EU:?C:?2021:?799] – NJW 2021, 3303 Rn. 39 ff., 51[]

Bildnachweis:

  • Flüchtling im Hamburger Hafen: fsHH