Fortsetzungsfeststellungsklage – und die Fallgruppen für das erforderliche Feststellungsinteresse

Entscheidet das vorinstanzliche Gericht, dass eine Fortsetzungsfeststellungsklage wegen Fehlens eines berechtigten Interesses an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts unzulässig ist, so liegt ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, wenn in der Sache hätte entschieden werden müssen1.

Fortsetzungsfeststellungsklage – und die Fallgruppen für das erforderliche Feststellungsinteresse

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann das Interesse, das Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage ist, rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein. Es ist typischerweise in den anerkannten Fallgruppen

  • der Wiederholungsgefahr,
  • des Rehabilitationsinteresses sowie
  • der Absicht zum Führen eines Schadensersatzprozesses

gegeben, kann aber auch aus anderen besonderen Umständen des Einzelfalls hergeleitet werden, sofern die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die klägerische Position in rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Hinsicht zu verbessern2.

Desweiteren kann auch die Art eines mit der Klage gerügten Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem durch Art.19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, die Anerkennung eines Feststellungsinteresses rechtfertigen, wenn sich die unmittelbare Belastung durch den schwerwiegenden Hoheitsakt auf eine Zeitspanne beschränkt, in der die Entscheidung des Gerichts kaum zu erlangen ist3. Hierzu zählen vor allem Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegenstand haben. Eine (fortwirkende) diskriminierende Wirkung der behördlichen Maßnahme ist dafür nicht Voraussetzung4.

Darüber hinaus kann etwa auch für eine Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Speicherung personenbezogener Daten in einem vergangenen Zeitraum wegen des damit verbundenen tiefgreifenden Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ein berechtigtes Interesse anzuerkennen sein, wenn sich dieses Rechtsschutzziel nicht in gleicher Weise durch die Geltendmachung eines Löschungsanspruchs erreichen lässt5.

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Da die genannten Fallgruppen nicht abschließend sind, ist es zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass ein berechtigtes Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch dann besteht, wenn die Feststellung für ein anderes Rechtsverhältnis, insbesondere ein anderes Verfahren vorgreiflich sein kann6. Ebenso wie bei der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannten Fallgruppe eines anhängigen Schadensersatz- und Entschädigungsprozesses, muss es sich jedoch um eine Vorfrage handeln, deren rechtskräftige Klärung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Rechtsposition der Klägerin in dem Zivilrechtsstreit verbessern könnte7. Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Rechtskräftig wird in sachlicher Hinsicht nur die Feststellung der Rechtsfolge als Ergebnis der Subsumtion des Sachverhalts unter das Gesetz. Die Rechtskraft ist damit auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils beschränkt, nämlich die im Entscheidungssatz des Urteils verkörperte Schlussfolgerung aus Rechtsnorm und Lebenssachverhalt. Hingegen erstreckt sich die Rechtskraft nicht auf die einzelnen Urteilselemente, also nicht auf die tatsächlichen Feststellungen, die Feststellung einzelner Tatbestandsmerkmale, die der Entscheidung zugrunde liegenden vorgreiflichen Rechtsverhältnisse, sonstige Vorfragen sowie die Schlussfolgerungen, auch wenn diese für die Entscheidung tragend gewesen sind8.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Dezember 2018 – 6 B 133.18

  1. vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.10.2006 – 6 B 64.06, Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 36 Rn. 9; und vom 16.10.1989 – 7 B 108.89, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 211 S. 41[]
  2. stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 29.03.2017 – 6 C 1.16 [ECLI:?DE:?BVerwG:?2017:?290317U6C1.16.0], BVerwGE 158, 301 Rn. 29 m.w.N[]
  3. vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30.04.1997 – 2 BvR 817/90 u.a., BVerfGE 96, 27, 39 f.; und vom 04.02.2005 – 2 BvR 308/04 – NJW 2005, 1637, 1639; BVerwG, Urteil vom 25.10.2017 – 6 C 46.16 [ECLI:?DE:?BVerwG:?2017:?251017U6C46.16.0], BVerwGE 160, 169 Rn.20[]
  4. vgl. BVerwG, Urteil vom 29.04.1997 – 1 C 2.95, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127 S. 7 f. m.w.N.[]
  5. BVerwG, Beschluss vom 20.12 2017 – 6 B 14.17 [ECLI:?DE:?BVerwG:?2017:?201217B6B14.17.0], NVwZ 2018, 739 Rn. 14[]
  6. vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl.2018, § 113 Rn. 284[]
  7. vgl. zu der genannten Fallgruppe: BVerwG, Urteil vom 10.12 2013 – 8 C 5.12, Buchholz 451.65 Börsenrecht Nr. 7 Rn. 28[]
  8. vgl. BVerwG, Urteil vom 10.05.1994 – 9 C 501.93, BVerwGE 96, 24, 26[]
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