Der formellen Rechtmäßigkeit einer nach § 58a Abs. 1 AufenthG angeordneten Abschiebung steht nicht entgegen, dass der Ausländer vor Erlass der Verfügung nicht angehört worden ist.

Nach nationalem Verfahrensrecht war eine Anhörung hier entbehrlich. § 58a AufenthG schreibt eine Anhörung weder ausdrücklich vor, noch verbietet er eine solche, so dass § 87 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz – LVwG SH)1 anzuwenden ist. Nach dieser Regelung ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Abs. 1). Nach § 87 Abs. 2 LVwG SH kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (Nr. 1).
Danach konnte hier auf eine Anhörung verzichtet werden, weil eine sofortige Entscheidung zumindest im öffentlichen Interesse notwendig war (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG SH). § 58a AufenthG zielt auf die Bewältigung von beachtlichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter. Bei der mit einer Anhörung verbundenen „Vorwarnung“ bestünde regelmäßig die Gefahr, dass sich der Betroffene durch Untertauchen der Abschiebung entzieht oder sonst den mit der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung verfolgten Zweck vereitelt. Unabhängig davon war eine sofortige Entscheidung auch deshalb im öffentlichen Interesse notwendig, weil von dem Kläger eine terroristische Gefahr ausgeht, die sich jederzeit aktualisieren kann. Besondere atypische Umstände, die hier eine Anhörung ohne Gefährdung des Zwecks der Abschiebungsanordnung oder zumindest eine eingehendere Begründung der Ermessensentscheidung für den Verzicht auf eine Anhörung erfordert hätten, liegen nicht vor2.
Auch nach Unionsrecht bedurfte es nicht zwingend einer Anhörung des Klägers vor Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung. Selbst wenn man unterstellt, dass die Abschiebungsanordnung eine dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger3 unterfallende Rückkehrentscheidung darstellt, ist sie mit den sich hieraus dann ergebenden unionsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren.
Die Richtlinie 2008/115/EG enthält selbst nicht ausdrücklich ein Anhörungsgebot vor Erlass einer Rückkehrentscheidung. Dieses gilt aber als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts4. Das Recht auf Anhörung garantiert jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen. Die Regel, wonach der Adressat einer beschwerenden Entscheidung in die Lage versetzt werden muss, seinen Standpunkt vorzutragen, bevor die Entscheidung getroffen wird, soll der zuständigen Behörde erlauben, alle maßgeblichen Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind Grundrechte wie das Recht auf Beachtung der Verteidigungsrechte aber nicht schrankenlos gewährleistet, sondern können Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen, die mit der fraglichen Maßnahme verfolgt werden, und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet5. Dabei ist auch das Ziel der Richtlinie, nämlich die wirksame Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger in ihr Herkunftsland, zu berücksichtigen6.
Danach bedurfte es auch unionsrechtlich nicht zwingend einer Anhörung des Klägers vor Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung. Mit der grundsätzlichen Entbehrlichkeit einer Anhörung vor Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG wird unter anderem bezweckt zu verhindern, dass sich die vorausgesetzte besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder terroristische Gefahr (die hier auch tatsächlich besteht) in der Zwischenzeit realisiert7. Dies wäre bei Durchführung einer vorherigen Anhörung durch die zuständige Behörde – wie oben ausgeführt – nicht hinreichend sicher gewährleistet.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. August 2018 – 1 A 16.17
- in der Fassung vom 02.06.1992, GVOBl. Schl.-H.1992, 243 und 534[↩]
- BVerwG, Beschlüsse vom 31.05.2017 – 1 VR 4.17 13; und vom 13.07.2017 – 1 VR 3.17, Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 17[↩]
- ABl. L 348 S. 98[↩]
- vgl. näher EuGH, Urteil vom 05.11.2014 – C-166/13 [ECLI:?EU:?C:?2014:?2336], Mukarubega, Rn. 40 bis 45[↩]
- EuGH, Urteil vom 11.12 2014 – C-249/13 [ECLI:EU:C:2014:2431], Boudjlida, Rn. 43[↩]
- ebd. Rn. 45[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 13.07.2017 – 1 VR 3.17, Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 21[↩]