Gerichtsbescheid – und der verspätete Antrag auf mündliche Verhandlung

Beantragt ein Prozessbeteiligter gegen einen Gerichtsbescheid gemäß § 84 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 VwGO mündliche Verhandlung, hat das Verwaltungsgericht auch dann durch Urteil unter Beachtung der Verfahrensvorschriften in § 101 Abs. 1 und 2 VwGO zu entscheiden, wenn der Antrag auf mündliche Verhandlung unzulässig ist.

Gerichtsbescheid – und der verspätete Antrag auf mündliche Verhandlung

Nachdem der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts gemäß § 84 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 VwGO mündliche Verhandlung beantragt hatte, durfte das Verwaltungsgericht nur durch Urteil unter Beachtung der Verfahrensvorschriften in § 101 Abs. 1 und 2 VwGO entscheiden. Eine Entscheidung durch Beschluss (und ohne mündliche Verhandlung) war hingegen mangels prozessrechtlicher Grundlage hierfür ausgeschlossen.

Gemäß § 107 VwGO wird über die Klage, soweit nichts anderes bestimmt ist1, durch Urteil entschieden. Eine solche Entscheidung über die Klage ergeht auch dann, wenn ein Prozessbeteiligter gemäß § 84 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 VwGO bei dem Verwaltungsgericht gegen einen Gerichtsbescheid mündliche Verhandlung beantragt. Auf einen solchen Antrag ist stets zu entscheiden, ob der Gerichtsbescheid wegen einer rechtzeitig beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 84 Abs. 3 Halbsatz 2 VwGO als nicht ergangen gilt und das Verfahren fortzuführen ist oder verneinendenfalls, ob das Klageverfahren durch den ergangenen, gemäß § 84 Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO als Urteil wirkenden Gerichtsbescheid beendet worden ist. Beide Alternativen sind Bestandteil der Entscheidung über die Klage, die nach § 107 VwGO, soweit nichts anderes bestimmt ist, durch Urteil ergehen muss. Dieser Befund findet Bestätigung in § 84 Abs. 4 VwGO, der für den Fall, dass eine mündliche Verhandlung überhaupt beantragt wird, von einer Entscheidung durch Urteil ausgeht und lediglich Vereinfachungen für dessen Abfassung vorsieht. In gleicher Weise ist bei Streitigkeiten über die Wirksamkeit einer erklärten Klagerücknahme nach § 92 Abs. 1 VwGO oder über den Eintritt der gesetzlichen Klagerücknahmefiktion des § 92 Abs. 2 VwGO zwingend durch Urteil zu entscheiden2.

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Die danach vorgegebene Entscheidungsform eines Urteils zwingt zur Beachtung der Verfahrensvorschriften in § 101 Abs. 1 und 2 VwGO und das Verwaltungsgericht entscheidet, soweit die Beteiligten nicht mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sind, auf Grund mündlicher Verhandlung. § 101 Abs. 3 VwGO findet, da eine Entscheidung durch Urteil zu erfolgen hat, keine Anwendung.

Eine abweichende Verfahrensweise erachtet das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht auch dann für ausgeschlossen, wenn der Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 84 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 VwGO, etwa wegen Versäumung der Monatsfrist des § 84 Abs. 2 VwGO, unzulässig ist3.

Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 9. Dezember 2020 – 13 LA 469/20

  1. vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Kraft, in: Eyermann, a.a.O., § 107 Rn. 3 ff.[]
  2. vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.07.1998 – 1 BvR 666/98 8; Rennert, in: Eyermann, a.a.O., § 92 Rn. 26; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl.2019, § 92 Rn. 28 jeweils m.w.N.[]
  3. a.A. Schübel-Pfister, in: Eyermann, a.a.O., § 84 Rn. 21; vgl. zum Streitstand: Kopp/Schenke, a.a.O., § 84 Rn. 39 m.w.N.[]