Die Frage nach der Zulässigkeit einer bestimmten Anzahl von Geschossen einer geplanten baulichen Anlage kann Gegenstand einer isolierten Vorbescheidsfrage gemäß § 63 Satz 1 HBauO sein.

Ist die Zulässigkeit eines Bauvorhabens hinsichtlich des Maßes der Bebauung nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen, kann seine Geschossflächenzahl nicht Gegenstand einer isolierten Vorbescheidsfrage gemäß § 63 Satz 1 HBauO sein.
Eine Geschossflächenzahl bzw. Nutzungsziffer, die nur in den Erläuterungen zu einem auf der Grundlage des hamburgischen Aufbaugesetzes in der Fassung von 1949 erlassenen Durchführungsplan festgesetzt worden ist, ist unwirksam.
Zwar handelt es sich bei der Vorbescheidsfrage zur Geschossigkeit nur um einen Teilaspekt des Kriteriums „Maß der Bebauung“ im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Diese Frage ist dennoch vorbescheidsfähig, da sie isoliert beantwortet werden kann. Die erforderliche verbindliche und selbständige rechtliche Prüfung[1] ist möglich, da die Geschossigkeit eines Bauvorhabens nicht mit anderen, von der Bauvoranfrage nicht erfassten Merkmalen des Bauvorhabens verzahnt ist. Vielmehr ist die Geschossigkeit eines der absoluten Maßkriterien, in denen die prägende Wirkung eines Bauvorhabens für die Umgebung besonders zum Ausdruck kommt[2]. Die Geschosszahl eines Gebäudes lässt sich unabhängig von anderen Maßkriterien bestimmen, ist für den Betrachter ohne weiteres wahrnehmbar und mit der Umgebungsbebauung vergleichbar.
Die Grenze der näheren Umgebung i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB, in deren Eigenart sich das Bauvorhaben einfügen muss, lässt sich nicht schematisch festlegen, sondern sie wird von der tatsächlichen städtebaulichen Situation bestimmt, in die das Grundstück, das bebaut werden soll, eingebettet ist („umgebende Bebauung“)[3]. Entscheidend ist, wie weit sich einerseits das geplante Vorhaben auf die Umgebung und sich andererseits die Umgebung auf das geplante Vorhaben auswirken kann, wobei Fremdkörper außer Acht zu lassen sind[4].
In der Regel erstreckt sich die gegenseitige Ausstrahlungswirkung auf den räumlichen Bereich, der vom betroffenen Baugrundstück aus wahrgenommen werden kann und über den das Vorhaben, wenn es verwirklicht ist, wahrnehmbar ist. Einem Neubauvorhaben sind auf diese Weise engere Grenzen gesetzt, wenn die wahrnehmbare Umgebungsbebauung einheitlich ist[5]. Ist die Bebauung uneinheitlich, hält ein Bauvorhaben den Rahmen in der Regel ein, wenn in der prägenden Umgebung mindestens ein vergleichbares Vorhaben bereits vorhanden ist. Fremdkörper werden bei der Bestimmung der Bebauung in der näheren Umgebung des Bauvorhabens nicht berücksichtigt[6]. Nicht erforderlich ist, dass die Mehrzahl der vorhandenen Gebäude in der Umgebung die beantragte Geschossigkeit besitzen muss. Steigen allerdings die Geschosszahlen von einer Himmelsrichtung zur anderen an, kann sich ein Vorhaben gegebenenfalls nicht in die Umgebungsbebauung einfügen, wenn es diesen Anstieg nicht berücksichtigt[7].
Eine planerische Festsetzung wie die einer Geschossflächenzahl bzw. Nutzungsziffer, die das Volumen der Bauvorhaben in einem Baugebiet beschränken soll, bewirkt einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Baufreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG und in das Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Sie muss daher, um eine wirksame Schranke des Grundeigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu bilden, entsprechend dem ungeschriebenen verfassungsrechtlichen Allgemeinvorbehalt des Gesetzes auf eine gesetzliche Grundlage zurückzuführen sein[8]. Dies setzt voraus, dass die Festsetzung wirksam durch einen nach § 10 BauGB festgesetzten oder gemäß § 173 BBauG bzw. § 233 Abs. 2 und 3 BauGB übergeleiteten Bebauungsplan erlassen worden ist. Zu einem wirksamen Erlass gehört neben der Feststellung durch das zuständige Organ auch die ordnungsgemäße Bekanntmachung. An beiden Voraussetzungen fehlt es hinsichtlich der Erläuterungen zum Durchführungsplan D 83/51.
Dieser übergeleitete Durchführungsplan, der nach Maßgabe des Gesetzes über den Aufbau der Hansestadt Hamburg vom 11.04.1949[9] ergangen ist, wurde zwar ordnungsgemäß gemäß § 11 Abs. 2 AufbauG 1949 durch die Bürgerschaft als Gesetz verabschiedet. Zum Bestandteil dieser Rechtsnorm sind die von der damaligen Baubehörde der Beklagten verfassten Erläuterungen zu diesem Durchführungsplan jedoch nicht geworden. Der Gesetzgeber hat im Aufbaugesetz 1949, anders als in § 10 Abs. 3 Satz 1 und § 11 Abs. 2 Satz 1 des Aufbaugesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 12.04.1957[10], keine Regelung getroffen, wonach die Erläuterungen des Durchführungsplans Bestandteil des Durchführungsplans sind. Vielmehr differenziert das Aufbaugesetz 1949 klar zwischen dem Inhalt des Durchführungsplans, der gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufbauG 1949 verschiedene die Bebauung betreffende Aspekte – und zwar auch das zulässige Maß der Bebauung – feststellen soll, und dem Inhalt von Erläuterungen zum Durchführungsplan gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 AufbauG 1949. In diesen ist nur darzulegen, welche Maßnahmen zu seiner Durchführung in Bezug auf die Abschnitte III und IV, namentlich zur Ordnung des Grund und Bodens, zu treffen sind. Erst mit der Fassung des Aufbaugesetzes von 1957 hat der Gesetzgeber die Erläuterungen zu nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes festgestellten Durchführungsplänen zu deren Bestandteil erklärt (vgl. §§ 10 Abs. 3 S. 1, 11 Abs. 2 S. 2 AufbauG 1957)[11].
Dass die Erläuterungen zum Durchführungsplan D 83/51 nicht zu seinen regelnden Bestandteilen gehören, zeigt sich auch deutlich daran, dass sie anders als die textlichen und zeichnerischen Festsetzungen nicht in der von § 11 Abs. 3 Satz 2 Aufbaugesetz 1949 vorgeschriebenen Weise im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt bekannt gemacht worden sind. Diesem Erfordernis Rechnung tragend bestimmt § 11 Abs. 2 des Aufbaugesetzes in der Fassung von 1957 auch hinsichtlich der danach zu verkündenden Erläuterungen, dass – für zukünftige Durchführungspläne – die Verkündung im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt durch die Möglichkeit der Niederlegung beim Staatsarchiv und einen entsprechenden Hinweis im Gesetz erleichtert wird.
Der Umstand, dass die Baubehörde in Abschnitt X. der Erläuterungen diese selbst zum rechtswirksamen Bestandteil des als Gesetz verabschiedeten Durchführungsplans D 83/51 erklärt hat, führt nicht dazu, dass diese damit die erforderliche gesetzliche Legitimation erhalten haben, geschweige denn ordnungsgemäß bekannt gemacht worden sind.
Angesichts der fehlenden Festsetzung einer Nutzungsziffer bzw. Geschossflächenzahl ist die Vorbescheidsfrage lit. d bei dem maßgeblichen Prüfungsrahmen des §§ 30 Abs. 3, 34 Abs. 1 BauGB nicht vorbescheidsfähig.
Das Gericht ist in seiner Prüfung auf den Umfang der nach § 63 Satz 1 HBauO gestellten Vorbescheidsfrage beschränkt. Denn ein Antragsteller besitzt grundsätzlich die Dispositionsfreiheit, im Vorbescheidsverfahren einzelne Fragen eines Bauvorhabens zu klären oder die gesamte bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens zu erfragen. Die Bindungswirkung des Vorbescheids für das Baugenehmigungsverfahren richtet sich nach dem Umfang der gestellten Frage. Wenn die Vorbescheidsfrage jedoch ohne die Beurteilung weiterer, ausgeklammerter Aspekte nicht beantwortet werden kann, weil sie mit ihnen rechtlich verflochten ist, ist sie nicht prüffähig[12]. Anderenfalls würde bei der Beantwortung der Frage das vorgegebene Prüfprogramm überschritten mit der Folge, dass die Bindungswirkung der beantworteten Vorbescheidsfrage nicht mehr bestimmbar im Sinne des § 37 Abs. 1 VwVfG wäre.
Ein solcher Fall liegt hier vor. Die von der Klägerin erfragte Zulässigkeit einer Geschossflächenzahl von 4,15 stellt wiederum nur einen Teilaspekt des Kriteriums „Maß der Bebauung“ im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB dar. Eine isolierte Prüfung, ob sich ein Gebäude hinsichtlich seiner Geschossflächenzahl in die Eigenart der Umgebungsbebauung einfügt, ist jedoch anders als bei der Frage der Geschossigkeit nicht möglich. Im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB ist beim Maß der Bebauung auf die für den Betrachter nach außen sichtbaren Maßkriterien, d.h. auf das Erscheinungsbild eines Gebäudes, abzustellen. Nicht wahrnehmbare Aspekte können das Bild des Gebäudes oder seiner maßgeblichen Umgebung nicht prägen[13]. Dies gilt insbesondere für ein relatives Maßkriterium wie das der Geschossflächenzahl[14], die gemäß § 20 Abs. 3 BauNVO nach den Außenmaßen des Gebäudes in allen Vollgeschossen zu ermitteln ist, ohne dass für den Betrachter jedoch durchweg erkennbar ist, ob es sich jeweils um Vollgeschosse handelt.
Allein der Umstand, dass das Gericht in der Lage wäre, die Angaben aus den eingereichten Entwurfsskizzen zugrunde zu legen, um das Einfügen des Bauvorhabens danach umfassend zu überprüfen, rechtfertigt die klare Überschreitung des gestellten Prüfprogramms nicht. Denn die Klägerin hat weder die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Grundfläche noch der sonstigen Außenmaße oder die Kubatur des Gebäudes zum verbindlichen Gegenstand der Vorbescheidsfrage erklärt. Solches wäre im Hinblick auf die bei einer positiven Beantwortung der Vorbescheidsfrage erforderlichen Bestimmtheit für die partielle Vorwegnahme der Baugenehmigung jedoch erforderlich.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 28. Februar 2013 – 2 Bf 17/11
- vgl. Niere in: Alexejew, HBauO, Stand August 2010, § 63 Rn. 18[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 21.06.2007, BauR 2007, 1691[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 27.07.2011, BauR 2011, 1789; Beschluss vom 16.06.2009, BauR 2009, 693; Beschluss vom 28.08.2003, 4 B 74.03[↩]
- grundlegend und ausführlich BVerwG, Urteil vom 26.05.1978, BVerwGE 55, 369; st. Rspr. vgl. BVerwG Beschluss vom 29.04.1997, NVwZ-RR 1998, 94 f.; Beschluss vom 10.06.1991, 4 B 88/91; OVG Hamburg, Beschluss vom 27.06.2011, 2 Bf 354/08; Urteil vom 25.01.1996, OVG Bf II 32/94[↩]
- BVerwG, Urteil vom 26.05.1978, BVerwGE 55, 369[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 16.06.2009, BauR 2009, 1564; Söfker, a.a.O., § 34 Rn. 37[↩]
- BVerwG, Urteil vom 26.05.1978, a.a.O.[↩]
- OVG Hamburg, Urteil vom 12.11.1992 – Bf II 107/91[↩]
- GVBl. S. 45, AufbauG 1949[↩]
- GVBl. S. 241[↩]
- zu dieser Differenzierung OVG Hamburg, Beschluss vom 02.03.1995, OVG Bs II 199/95[↩]
- vgl. BayVGH, Urteil vom 09.09.1999, 1 B 96.3475[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 27.07.2011, BauR 2011, 1789[↩]
- BVerwG, Urteil vom 23.03.1994 – 4 C 17/92[↩]
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