Der Verteilungsschlüssel für Finanzzuweisungen, die das Land Nordrhein-Westfalen den Kreisen und kreisfreien Städten im Zusammenhang mit der Umsetzung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt („Hartz IV“) gewährt, ist, wie der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen soeben entschied, mit der Landesverfassung nicht vereinbar. Die einschlägige Regelung im nordrhein-westfälischen Ausführungsgesetz verletzt das Recht auf kommunale Selbstverwaltung. Damit gab der Verfassungsgerichtshof NRW den Verfassungsbeschwerden der vier Städte Aachen, Essen, Remscheid und Wuppertal, der StädteRegion Aachen und der fünf Landkreise Düren, Euskirchen, Heinsberg, Unna und Rhein-Erft-Kreis statt.

Die beschwerdeführenden Städte und Kreise wandten sich mit ihren Verfassungsbeschwerden nicht gegen das Verteilungssystem für die Zuweisungen als solches. Sie sahen sich aber in ihrem Recht auf gemeindliche Selbstverwaltung verletzt, weil die gesetzliche Neuregelung des Verteilungsschlüssels infolge einer fehlerhaften Datengrundlage willkürlich sei. Sie machten geltend, dass die zur Ermittlung des Verteilungsmaßstabs heranzuziehenden Daten über die durch „Hartz IV“ eingetretenen kommunalen Entlastungen nicht valide seien. Bei einer Vielzahl der Kreise und kreisfreien Städte seien die tatsächlichen Entlastungen höher, als es die beanstandete gesetzliche Regelung ausweise. Infolge dessen erhielten diese Kommunen zu Lasten der übrigen Kreise und kreisfreien Städte zu hohe Zuweisungen.
Dem folgte jetzt der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen: Die angegriffene Regelung verstoße, so die Münsteraner Verfassungsrichter, gegen das interkommunale Gleichbehandlungsgebot. Das dem Verteilungsschlüssel zugrundeliegende Datenmaterial sei aufgrund von Plausibilitätsmängeln und teils fehlerhaften Daten nicht hinreichend valide. Dies lasse besorgen, dass einige Kreise und kreisfreie Städte höhere Finanzzuweisungen erhielten, als ihnen auf Basis valider Daten zustünden, während die Zuweisungen für andere Kommunen infolge des unzureichenden Datenmaterials zu gering ausfielen.
Entscheide sich der Landesgesetzgeber wie hier, den Berechnungsgrundlagen für ein Verteilungssystem zur Zuweisung von Landesmitteln Gesetzeskraft zu verleihen, unterliege er in Bezug auf die Validität der Daten besonderen Sorgfaltsanforderungen. Er sei daher angesichts deutlicher Kritik an den maßgeblichen Daten seitens der kommunalen Spitzenverbände im Gesetzgebungsverfahren gehalten gewesen, das Datenmaterial anhand der verfügbaren amtlichen Sozialhilfe- und Jahresrechnungsstatistiken zu überprüfen.
Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. Mai 2010 – VerfGH 17/08