Das Bundesverfassungsgericht hat inzwischen zur Rechtsschutzgarantie aus Art.19 Abs. 4 GG entschieden, dass Rechtsfragen, die schwierig und ungeklärt sind oder die im entscheidungserheblichen Zeitpunkt als hoch streitig eingestuft werden müssen, ein Gericht für sich genommen nicht daran hindern, eine abschließende Prüfung in einem Eilverfahren vorzunehmen.

Das Gericht hat in solchen Fällen allerdings in den Blick zu nehmen, dass sich eine solche Prüfung im Eilverfahren auf die Möglichkeiten des Rechtsschutzsuchenden auswirkt, die Entscheidungsfindung im Hauptsacheverfahren und im Rahmen prozessrechtlich vorgesehener Rechtsmittelverfahren zu beeinflussen; dies gilt im Asylverfahren in besonderer Weise1.
Diese Maßstäbe wurden durch die hier angegriffenen Entscheidungen nicht hinreichend beachtet:
Die Frage, ob eine Rechtsbehelfsbelehrung mit dem Zusatz „<cite>Die Klage muss … in deutscher Sprache abgefasst sein</cite>“ unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO war, musste das Verwaltungsgericht im hier entscheidungserheblichen Zeitpunkt, am 8.06.2017, als höchst streitig einstufen. Mehrere Verwaltungsgerichte2 hatten entschieden, die Rechtsbehelfsbelehrung sei richtig. Andere Verwaltungsgerichte3 waren dagegen zu dem Ergebnis gekommen, dass die Rechtsbehelfsbelehrung missverständlich und damit unrichtig sei. Auch ein Obergericht hatte sich schon gegen die Richtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung ausgesprochen und diese Entscheidung detailliert begründet4.
Die große Anzahl dieser Judikate aus mehreren Instanzen hätte im Rahmen einer im oben genannten Sinne „abschließenden“ Prüfung eine – zumindest knappe – eigene Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit dem Meinungsstand erfordert. Sein Verweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen5 sowie der Hinweis, dass es sich dessen Ausführungen auch in Kenntnis der danach ergangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg6 anschließe, genügten dafür nicht. Das Gericht hätte zusätzlich auf diejenigen Überlegungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg eingehen müssen, die das Verwaltungsgericht Göttingen mangels Kenntnis der später ergangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg noch nicht hatte berücksichtigen können7.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 1. August 2019 – 2 BvR 1556/17
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.11.2018 – 2 BvR 80/18[↩]
- VG Oldenburg, Beschluss vom 20.10.2016 – 15 B 5090/16 5 ff.; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 15.11.2016 – 14a L 2496/16.A20 ff.; VG Berlin, Beschlüsse vom 24.01.2017 – 21 K 346.16 A 21 f.; und vom 16.11.2016 – 6 L 1249/16.A 15; VG des Saarlandes, Urteil vom 19.12 2016 – 3 K 2501/16; VG Hamburg, Beschluss vom 11.01.2017 – 4 AE 94/17 10[↩]
- VG Augsburg, Beschluss vom 03.12 2014 – Au 7 S 14.5032119 ff.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24.06.2016 – 3a K 4187/15.A 15 ff. und Beschluss vom 30.01.2017 – 15a L 3029/16.A 5 ff.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 28.06.2016 – 22 K 4119/15.A 44 f.; VG Hannover, Beschluss vom 15.09.2016 – 3 B 4870/16 12; VG Meiningen, Beschluss vom 21.12 2016 – 5 E 21517/16 Me[↩]
- VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.04.2017 – A 9 S 333/17 28 ff.[↩]
- BVerfG, Urteil vom 23.01.2017 – 3 B 90/17[↩]
- BVerfG, Urteil vom 18.04.2017 – A 9 S 333/17[↩]
- vgl. VGH Baden-Württemberg, a.a.O., insbesondere Rn. 28 – 30[↩]