Eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis beseitigt die Sperrwirkung einer Ausweisung nicht vollständig. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat gestern die bisher offene Frage geklärt, inwieweit die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis die gesetzlich angeordnete Sperrwirkung einer Ausweisung beseitigt. Die Regelung über die Sperrwirkung in § 11 AufenthG sieht u.a. vor, dass einem Ausländer, der ausgewiesen worden ist, kein Aufenthaltstitel erteilt werden darf. Abweichend von dieser Regelung kann einem Ausländer, der ausreisepflichtig ist, dessen Ausreise aber ohne sein Verschulden auf absehbare Zeit nicht möglich ist, aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden (§ 25 Abs. 5 AufenthG).

Der Entscheidung liegt der Fall einer aus Ghana stammenden, unverheirateten, inzwischen 39-jährigen Klägerin zugrunde, die sich seit Mitte der 90er Jahre in Deutschland aufhält und hier zunächst unter Angabe eines falschen Herkunftslandes erfolglos ein Asylverfahren betrieb. Ihr Asylantrag wurde bestandskräftig abgelehnt. Im Jahre 2003 wurde sie wegen verschiedener strafrechtlicher Verstöße gegen das Ausländerrecht ausgewiesen. Anlässlich der Geburt ihrer beiden Kinder in den Jahren 2004 und 2007, die wegen des verfestigten Aufenthalts des Vaters die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, wurde sie ab 2004 zunächst förmlich geduldet. Im Jahr 2006 erhielt sie eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Grunden, die seitdem mehrfach jeweils befristet verlängert worden ist. Ihr Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen (zur Ausübung der Personensorge) wurde unter Hinweis auf die Sperrwirkung der Ausweisung von der Ausländerbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg abgelehnt. Ihre Klage hiergegen blieb sowohl beim Verwaltungsgericht Hamburg wie auch beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht1 erfolglos.
Im Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht war nun zu klären, ob der Erteilung einer derartigen Aufenthaltserlaubnis die Sperrwirkung der Ausweisung entgegensteht oder ob die Sperrwirkung durch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen aufgehoben worden ist. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hatte hierzu entschieden, dass, wenn abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt wird, dies die Sperrwirkung der Ausweisung für andere Aufenthaltserlaubnisse als solche nach dem 5. Abschnitt im 2. Kapitel des Aufenthaltsgesetzes nicht entfallen lässt.
Das Bundesverwaltungsggericht hat nun diese Auffasung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts bestätigt und die Revision der Klägerin zurückgewiesen: Die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis beseitigt nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts die Sperrwirkung einer Ausweisung nicht vollständig, sondern nur insoweit, als es um die Erteilung weiterer Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären, völkerrechtlichen oder politischen Gründen geht. Die in § 25 Abs. 5 AufenthG vorgesehene Möglichkeit, trotz der Sperrwirkung einer Ausweisung eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, stellt nach der gesetzlichen Konzeption eine Ausnahme dar. Sie kann die grundsätzliche Sperrwirkung und die Notwendigkeit ihrer Aufhebung in einem besonderen Befristungsverfahren (§ 11 Abs. 1 S. 3 AufenthG) nicht in Frage stellen. Andernfalls stünde bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG nicht die Berücksichtigung humanitärer Gründe, sondern die Entscheidung über die generelle Aufhebung der Sperrwirkung im Vordergrund. Dies widerspricht der spezifischen Funktion der Vorschrift, einem Ausländer trotz etwaiger ordnungsrechtlicher Bedenken eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, weil er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen kann und ihm erspart werden soll, womöglich über Jahre lediglich geduldet zu werden.
Aus prozessualen Gründen war dagegen nicht Gegenstand des Verfahrens, ob die Ausländerbehörde gehalten war, auf den Antrag der Klägerin, ihr eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen zu erteilen, zugleich über die Befristung der Sperrwirkung zu entscheiden. Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings darauf hingewiesen, dass angesichts der beiden Kinder der Klägerin und der ihr erteilten humanitären Aufenthaltserlaubnis eine Befristung der Sperrwirkung auch ohne vorherige Ausreise der Klägerin in Betracht kommt.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. April 2010 – 1 C 5.09
- OVG Hamburg, Urteil vom 18.12.2008 – 4 Bf 69/08[↩]