Das im Landesentwicklungsplan Baden-Württemberg (LEP 2002) enthaltene Kongruenzgebot, wonach die Verkaufsfläche von Einzelhandelsgroßprojekten so bemessen sein soll, dass deren Einzugsbereich den zentralörtlichen Verflechtungsbereich nicht wesentlich überschreitet, stellt trotz seiner Fassung als Soll-Vorschrift ein Ziel der Raumordnung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG und somit eine verbindliche Vorgabe für raumbedeutsame Planungen dar. Mit diesem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig bleibt die raumplanerische Zulässigkeit von IKEA in Rastatt weiter offen.

Gegenstand des Rechtsstreits ist die raumordnungsrechtliche Zulässigkeit eines autobahnnah geplanten Ansiedlungsvorhabens der Fa. IKEA im Gemeindegebiet der klagenden Stadt Rastatt, die raumordnerisch als Mittelzentrum festgelegt ist.
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim war davon ausgegangen [1], das Vorhaben mit einer Gesamtverkaufsfläche von ca. 40 000 m² verstoße gegen das im Landesentwicklungsplan Baden-Württemberg enthaltene Kongruenzgebot, wonach die Verkaufsfläche von Einzelhandelsgroßprojekten so bemessen sein soll, dass deren Einzugsbereich den zentralörtlichen Verflechtungsbereich nicht wesentlich überschreitet. Das Bundesverwaltungsgericht hatte daher zu klären, ob diese Regelung den bundesrechtlichen Anforderungen an ein verbindliches Ziel im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG 2008 (§ 3 Nr. 2 ROG a.F.) genügt. Dabei geht es auch um die Frage, ob ein Kongruenzgebot, das unabhängig von einer wesentlichen Beeinträchtigung der verbrauchernahen Versorgung im Einzugsbereich und der Funktion anderer zentraler Orte gilt, mit der Planungshoheit der Gemeinde, der verfassungsrechtlichen Berufs- und Wettbewerbsfreiheit und der unionsrechtlichen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist. Ferner war vom Bundesverwaltungsgericht zu klären, ob die Auffassung der Vorinstanz, das Vorhaben sei auch nicht im Wege des Zielabweichungsverfahrens zulässig, dem Bedeutungsgehalt des bundesrechtlichen Begriffs der „Grundzüge der Planung“ in § 6 Abs. 2 ROG 2008 (§ 11 ROG a.F.) gerecht wird.
Das Bundesverwaltungsgericht verwies den Rechtsstreit nun zurück zum Verwaltungsgerichtshof nach Mannheim:
Nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wird das Kongruenzgebot verletzt, weil der Einzugsbereich des Vorhabens den zentralörtlichen Verflechtungsbereich der Stadt Rastatt wesentlich überschreitet.
Landesplanerische Aussagen in Gestalt einer Soll-Vorschrift können die Merkmale eines Ziels der Raumordnung erfüllen, wenn die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Soll-Vorschrift auch ohne förmliches Zielabweichungsverfahren eine Ausnahme von der Zielbindung zulässt, im Wege der Auslegung auf der Grundlage des Plans hinreichend bestimmt oder doch wenigstens bestimmbar ist. Insoweit unterscheidet sich eine Soll-Vorschrift nicht von landesplanerischen Aussagen, die eine Regel-Ausnahme-Struktur aufweisen. Landesplanerische Soll-Vorschriften, die dem nachgeordneten Planungsträger einen eigenen Spielraum bei der Abwägung einräumen würden, wären dagegen unzulässig. Die Revisionen der Stadt und der Beigeladenen blieben in diesem Punkt erfolglos.
Bundesrechtlich zu beanstanden ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts jedoch die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, dass das Vorhaben auch nicht im Wege des Zielabweichungsverfahrens (§ 6 Abs. 2 ROG) zulässig sei. Eine Abweichung vom Zentrale-Orte-Prinzip, insbesondere vom Kongruenzgebot führt nicht zwingend zu einer Beeinträchtigung der dem Plan zugrunde gelegten Planungskonzeption. Es kommt vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an, ob Grundzüge der Planung berührt werden. Insoweit war die Sache an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zurückzuverweisen, weil es noch weiterer Sachverhaltsaufklärung bedarf.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. Dezember 2010 – 4 C 8.10
- VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2009 – 3 S 2110/08[↩]